Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Historie: Formel 1 verrückt – Chassis aus Sperrholz

Von Mathias Brunner
​Für die Geschichte der Formel-1-WM gilt grundsätzlich das Motto: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Der GP-Sport war immer schon Spielfeld der hellsten Köpfe. Allerdings waren nicht alle Einfälle von Erfolg gekrönt.

Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle von Formel-1-Technikern waren ihrer Zeit voraus und scheiterten an mangelnder Finanzierung oder daran, dass die Materialforschung noch in den Kinderschuhen steckte. Andere Einfälle müssen wir leider in die Kategorie Schnapsideen einstufen.

Hand aufs Herz: Wie viel Vertrauen hätten Sie als Rennfahrer in ein Chassis aus Sperrholz?

Nein, wir haben noch nicht den 1. April, und so absurd es auch klingen mag: Aber das Holzchassis gab es wirklich. Hinter dem Projekt Protos stand der Engländer Frank Costin. Costin (1920–1995) besass in der Branche einen makellosen Namen: Auf ihn gehen – unter anderem – die windschlüpfigen Renner des Vanwall-GP-Rennstalls sowie der Lotus Eleven zurück.

Für 1967 nutzte Costin seine Ausbildung als Aeronautik-Ingenieur und entwarf den hübschen Protos – einen flügellosen Formel-2-Renner mit gleich zwei Merkwürdigkeiten: Einer aerodynamisch günstigen Kunststoffkuppel, mit welcher Brian Hart und Kurt Ahrens beim Formel-1-WM-Lauf auf dem Nürburgring verblüfften (damals waren auch Formel-2-Renner zum Grossen Preis von Deutschland zugelassen).

Die zweite Innovation war weniger offensichtlich, denn sie steckte unter der Verkleidung: Ein Rahmen aus verklebtem Sperrholz, extrem leicht und verblüffend verwindungssteif. Hart brachte seinen Renner ins Ziel (allerdings mit drei Runden Rückstand auf Sieger Denny Hulme, daher nicht gewertet), Ahrens schied wegen eines Kühldefekts aus.

Eine Fehlkonstruktion war das Auto nicht, was die Konkurrenzfähigkeit angeht: Der spätere Rennmotorenbauer Brian Hart wurde 1967 damit in Hockenheim Zweiter. Aber der Protos war sehr defektanfällig, ganz zu schweigen vom mangelnden Schutz für den Fahrer.

Wie sicher ein solches Auto war, wenn es hart auf hart geht, zeigte der Unfall von Pedro Rodríguez beim Formel-2-Rennen in Enna. Der Mexikaner kam auf Sizilien im Duell mit Jean-Pierre Beltoise von der Bahn ab, Augenzeugen zufolge waren der Motor und das Lenkrad die grössten Teile, die dabei übrigblieben, die restlichen Trümmer hatten weitgehend die Ausmasse von Zahnstochern.

Der Mexikaner wurde aus dem Wagen geworfen, samt seines Sitzes! Mit einer gebrochenen Ferse kam er jedoch verhältnismässig glimpflich davon. Jahre später tauchte das Lenkrad aus dem Renner bei einer Auktion auf. Die Verformung zu einer Art Bretzel zeigt, welche Kräfte beim Crash freigeworden waren.

Protos trat 1967 zu keinem Rennen mehr an.

1968 kehrte Protos mit Chassis 02 und 03 auf die Pisten zurück (01 war ja in Enna zerlegt worden), Vic Elford wurde im Eifelrennen Siebter, Pedro schied aus. Es war unseres Wissens der letzte Einsatz des Protos in Europa für 43 Jahre.

Beim Goodwood Festival of Speed war dann Ende Juni 2011 wieder ein Protos zu bestaunen: Ein Auto gehört heute dem US-Amerikaner Brian Blain. Wo das zweite hingekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Danach wurde Sperrholz im Rennwagenbau vorwiegend für Laubsäge-Spielzeugautos verwendet.

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