Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

History: GP-Exoten – Drogen, Fusstritte, Adel, Mäuse

Von Mathias Brunner
​Formel-1-Fans aus neun Ländern mussten sehr genügsam sein: Lediglich ein Fahrer ihrer Nation hat es in die Formel 1 geschafft. Nur einer von ihnen hat gewonnen. Sie alle verbindet kuriose Lebensläufe.

161 verschiedene Fahrer aus Grossbritannien haben an Läufen zur Formel-1-WM teilgenommen, seit die Königsklasse in Silverstone 1950 aus der Taufe gehoben wurde. 99 Fahrer aus Italien haben bei den WM-Läufen mitgekämpft, dazu 71 aus Frankreich. Ein so kleines Land wie die Schweiz hatte immerhin 24 Fahrer, Österreich brachte 16 Piloten hervor, Deutschland 52.

Neun Länder haben in der Formel-1-Historie einen gemeinsamen Nenner: Nur ein Pilot ihres Landes hat es in die Formel 1 geschafft. Die Geschichten dieser Grand-Prix-Exoten sind teilweise kurios.

Chile: Eliseo Salazar
1981–1983
24 Grands Prix
Beste Platzierung: 5. in Imola 1982

In der Formel 1 hat er zwar keine Bäume ausgerissen, aber in seiner Heimat Chile ist Eliseo Salazar ein Volksheld. Der heute 63-Jährige aus Santiago, der von 1981 bis 1983 insgesamt 24 Grand Prix bestritt und dabei immerhin drei WM-Punkte erzielte, wurde im GP-Sport vor allem durch eine skurrile Szene berühmt. In Hockenheim 1982 schoss er den Brabham-Star Nelson Piquet ab, als der Brasilianer den ATS-Fahrer überrunden wollte. Piquet sprang fuchsteufelswild aus seinem Renner und deckte Salazar mit Boxhieben und Fusstritten ein, die Bilder gingen damals um den ganzen Planeten. Die Szene sehen Sie hier:



Tschechien: Tomás Enge
2001
3 Grands Prix
Beste Platzierung: 12. in Monza 2001

Tomás Enge ist einer der wenigen Formel-1-Fahrer, die im Netz der Dopingkontrollen hängenblieb. Wegen unerlaubten Marihuana-Konsums wurde ihm der Formel-3000-Titel 2002 aberkannt, da hatte er seine drei Einsätze im Rennstall von Prost (vormals Ligier) hinter sich. Im Juni 2012 wurde Enge erneut positiv getestet, im August verhängt der Autoverband FIA eine Sperre von 18 Monaten. Danach kehrte der Tscheche in den Sportwagensport zurück.

Ungarn: Zsolt Baumgartner
2003/2004
20 Grands Prix
Beste Platzierung: 8. in Indianapolis 2004

Im Rahmen der Formel-1-WM haben wir nur einen GP-Piloten aus Ungarn erlebt: Zsolt Baumgartner aus Debrecen. Baumgartner, heute 37 Jahre alt, fuhr von Ungarn 2003 bis Brasilien 2004 insgesamt 20 WM-Läufe für Jordan und Minardi. Beim Heimrennen auf dem Hungaroring wurde er 2004 15., das Highlight seiner Karriere war Rang 8 in Indianapolis in der gleichen Saison. Damit wurde er WM-20. Noch heute ist er im Formel-1-Fahrerlager abzutreffen, als Fahrer des Formel-1-Zweisitzers.

Indonesien: Rio Haryanto
2016
12 Grands Prix
Beste Platzierung: 15. in Monaco 2016

Weil Rio Haryanto eher selten in die Rückspiegel zu schauen pflegte, was GP-Stars wie Sebastian Vettel nervte, wurde dem Asiaten ein wenig schmeichelhafter Titel verliehen – der Blindonesier. Haryanto trug immer das Etikett des klassischen Pay-Drivers. Monatelang hatte Haryantos Manager Piers Hunnisett versucht, die notwendigen Mittel aufzutreiben, um den Schritt in die Formel 1 zu schaffen. Dann war es endlich geschafft, wie anlässlich einer Pressekonferenz in Jakarta verkündet wurde, am Stammsitz von Rio Haryantos langjährigem Sponsor Pertamina (Öl). Haryanto hatte 2015 in der GP2 (heute Formel 2) immerhin drei Rennen gewonnen, und er schlug sich in der Formel 1 tapfer. Doch im Sommer 2016 hatte Pertamina keine Lust mehr auf Formel 1, damit wurde Rio bei Manor Racing durch Esteban Ocon ersetzt.

Kurios die Diskussion um Rio, weil er Muslim ist. Der Ramadan 2016 fand vom 6. Juni bis zum 6. Juli statt. Nach dem Gesetz wird zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang auf Speis und Trank verzichtet, aber auch aufs Rauchen oder den Genuss von Alkohol. Zum Fasten ist jeder Muslim verpflichtet, der in Besitz seiner Geisteskräfte, volljährig und körperlich dazu fähig ist. Haryanto war Muslim, doch auch Rennfahrer. Und da ist es bei einer körperlich so anstrengenden Tätigkeit wie Grands Prix fahren vielleicht nicht die intelligenteste Idee, auf Flüssigkeit zu verzichten. Die FIA-Ärzte haben daher klare Richtlinien erlassen. Die Religiösität muss hinter dem Rennfahren zurückstehen. Haryantos Manager Piers Hunnisett, der früher selber Rennen bestritten hat, bestätiget, dass sich Rio an den Ramadan hält. Allerdings mit Einschränkungen. Hunnisett: «Niemand will einen Rennfahrer, der bei 350 km/h Konzentrationsschwächen wegen Dehydrierung erleidet.»

Liechtenstein: Rikky von Opel
1973/1974
10 Grands Prix
Beste Platzierung: 9. in Anderstorp und Zandvoort 1974

Geboren in New York, aber an sich Liechtensteiner mit Ahnen aus Deutschland, wir stellen vor: Frederick «Rikky» von Opel – Urenkel von Firmengründer Adam Opel. Von Opel begann seine Rennkarriere unter dem Pseudonym Antonio Bronco, doch als er mit dem Gewinn einer britischen Formel-3-Meisterschaft (Lombard North Central Championship) 1972 bewiesen hatte, dass er durchaus Autofahren konnte, war Bronco schon längst in Pension geschickt und durch den richtigen Namen ersetzt. 1972 schlug von Opel auf dem Weg zum Titel immerhin jenen Tony Brise, der Jahre später als kommender GP-Sieger galt und der zusammen mit Graham Hill 1975 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Von Opel und sein Vermögen standen hinter dem Formel-1-Projekt des früheren Rennfahrers Morris (Mo) Nunn, der mit ihm 1973 in den GP-Sport aufstieg. Von Opel und Nunn schlugen sich mit dem Modell MN01 (N173) beachtlich, für 1974 wurde der N174 (oder MN02) gebaut, doch nach einem katastrophal schlechten Training in Argentinien verliess von Opel das Team Knall auf Fall. Er ersetzte im Brabham-Werksteam Richard Robarts (der kein Geld mehr hatte). Von Opel wurde in Schweden und den Niederlanden jeweils Neunter (seine besten Formel-1-Ergebnisse), nach einer Nichtqualifikation in Frankreich hängte er mit 26 Jahren den Helm an den Nagel. Sein Cockpit ging an den talentierteren Carlos Pace aus Brasilien. Über das spätere Leben von von Opel ist so gut wie nichts bekannt. Er lebte in den USA und soll sich heute angeblich in Thailand aufhalten.

Malaysia: Alex Yoong
2001/2002
14 Grands Prix
Beste Platzierung: 7. in Australien 2002

In einem überaus empfehlenswerten Buch hat Alex Yoong (41) davon geschrieben, wie er bei Minardi komplett über den Tisch gezogen worden ist. Richtiges Feuer konnte der Malaysier chinesischer Abstammung bei seinen Landsleuten nie entfachen. Das war mit zweitklassigem Material auch schwierig. Yoong hatte überdies das Pech, beim kleinen Rennstall gegen hervorragende Stallgefährten antreten zu müssen: 2001 gegen den späteren Superstar Fernando Alonso, 2002 gegen den späteren GP-Sieger Mark Webber. Später fuhr Yoong in allen möglichen Rennserien: ChampCar, Porsche-Cup Asien, V8-Supercars in Australien, A1 Grand Prix, wo er vier Mal gewann, Le Mans Series, GP2, bevor er zu seiner alten Liebe zurückkehrte, dem Wasserskisport.

Marokko: Robert La Caze
1958
1 Grand Prix
Beste Platzierung: 14. in Ain-Diab

Der in Paris geborene Marokkaner bestritt nur einen WM-Lauf – das Heimrennen 1958 auf dem sündhaft schnellen Wüstenkurs von Ain-Diab bei Casablanca. La Caze sass in einem Formel-2-Cooper, den er in Eigenregie einsetzte. Damit wurde er Dritter seiner Klasse und im Gesamtklassement 14., fünf Mal überrundet von Sieger Stirling Moss. La Caze verbrachte seine komplette Rennkarriere in Nordafrika, da er längst eine marokkanische Rennlizenz besass, war das für die Organisatoren des WM-Lauf die Gelegenheit, einen Einheimischen am Start zu haben. La Caze machte sich auch bei Strassen- und Tourenwagenrennen einen Namen und ging ebenfalls bei Rallyes an den Start. 1954 gewann er die internationale Marokko-Rallye auf einem Simca und pilotierte 1957 bei den 24 Stunden von Le Mans einen Werks-Gordini. La Caze starb im Juli 2015 in Frankreich.

Polen: Robert Kubica
2006–2018
76 Grands Prix
Beste Platzierung: 1. in Kanada 2008

Der Pole Robert Kubica stand mitten in einer vielversprechenden GP-Karriere – Bestzeit bei den Wintertests 2011 in Valencia mit seinem Renault R31, 2012 sollte er neben Fernando Alonso in einem Ferrari sitzen. Doch ein schwerer Unfall bei der italienischen Rallye «Ronde di Andora» am 6. Februar 2011 veränderte alles. Erst nach langer Reha-Phase kehrte Kubica in den Motorsport zurück, allerdings nicht mehr als GP-Pilot, sondern auf die Rallye-Piste. Von Ungarn 2006 bis Abu Dhabi 2010 hatte er 76 Formel-1-WM-Läufe bestritten, 2008 eroberte er in Kanada einen Sieg (für BMW-Sauber), in jener Saison wurde er WM-Vierter. Doch eine Fortsetzung der GP-Karriere war in weiter Ferne.

2013 holte der heute 32-Jährige den WRC2-Titel. 2014 bestritt er die komplette WM, ein sechster Rang in Argentinien war das Highlight. Doch Kubica träumte immer davon, auf die Rundstrecke zurückzukehren. Im Sommer fuhr er einen Test für Renault, aber den gelben Renner für 2018 erhielt Carlos Sainz. Im November sass Kubica im Williams, aber den GP-Stammplatz für 2018 erhielt der Moskauer Sergey Sirotkin. Immerhin hat Williams Kubica als Test- und Ersatzfahrer verpflichtet, der regelmässig im Simulator sitzen wird und den echten Rennwagen testet, bei der Saisonvorbereitung in Barcelona, in Freitagtrainings sowie bei Testfahrten. Der Traum geht also weiter.

Thailand: Prinz Birabongse Bhanudej Bhanubandh
1950–1955
19 Grands Prix
Beste Platzierung: 4. in Bremgarten 1950 und in Reims 1954

Der in Bangkok geborene Prinz Bira (voller Name: Birabongse Bhanutej Bhanubhandhu) war Sohn von Prinz Bhanurangsri Sawangvongse und Enkel von König Mongkut (1851 bis 1868 König von Siam, heute Thailand). Der Prinz wurde in seiner Heimat erzogen, bis er 13 Jahre alt war, dann ging es für die weitere Ausbildung nach Grossbritannien – ans Eton-College und die Uni von Cambridge. Sein Cousin Prinz Chula Chakrabongse brachte ihn zum Rennsport, da war Bira erst 21 Jahre alt. Zunächst bewegte der Prinz ERA-Renner in der Voiturette-Klasse, aus welcher später die Formel 2 hervorging. Bira schlug sich sehr gut und gewann unter anderem den Voiturette-GP von Monaco 1936.

Nach dem Weltkrieg nahm er an zahlreichen Formel-1-Rennen teil, darunter an 19 WM-Läufen im Rahmen der Weltmeisterschaft. Markenzeichen: sein blau-gelber Maserati. Sein Cousin organisierte inzwischen die Einsätze des White-Mouse-Teams, auf deren Wagen wirklich eine weisse Maus aufgepinselt war! Bira trug die Maus auch auf seinem Helm. 1955 trat Bira vom Rennsport zurück und wurde ein erfolgreicher Segler. Vier Mal trat er für Thailand bei Olympischen Sommerspielen an. 1985 erlag Prinz Bira im Alter von 71 Jahren in London einem Herzinfarkt.

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