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Reifenlieferant Pirelli: Musterschüler, Prügelknabe

Von Mathias Brunner
Kimi Räikkönen schaut sich nach dem Monza-GP seine Reifen an

Kimi Räikkönen schaut sich nach dem Monza-GP seine Reifen an

​Pirelli ist Gewinner und Verlierer in der Formel 1. Der Mailänder Konzern ist im GP-Sport ohne Konkurrenz, aber die Fahrer schimpfen ständig über die Reifen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff stört das.

Egal, welcher Grand Prix auf dem Programm steht, ein Sieger steht vorher fest: Pirelli. Das Mailänder Traditionsunternehmen ist seit 2011 Alleinausrüster der Formel 1. Die Italiener gelten als Musterschüler und Prügelknaben zugleich. Musterschüler, weil sie genau das getan haben, was der Autoverband FIA von ihnen verlangt hat, gezielt abbauende Reifen zu bauen, um die Rennen spannender zu gestalten. Das macht sie automatisch zum Prügelknaben. Denn wenn ein Pilot zum Sieg fährt, erwähnt kaum jemand die Reifen. Eiern die Fahrer aber mit ihren Walzen herum, weil sie damit haushalten müssen oder weil die Reifen Blasen werfen, dann schimpfen alle über das schwarze Gold. Dabei könnte Pirelli leicht steinharte Reifen bauen, welche die zwei GP-Stunden locker aushalten. Aber das war nicht die Vorgabe.

Den Fahrern ist seit längerem ein Dorn im Auge, dass sie nicht die ganze Zeit über volle Kanne fahren können. Fernando Alonso hat das so formuliert: «Wir fahren, um zu sparen. Wir müssen mit den Reifen haushalten, mit dem Sprit, mit der Energie, das ist alles frustrierend. Wenn ich Kart fahre, dann spüre ich pures Adrenalin: Ich gehe auf die Bahn und lege eine Serie hin – 55 Sekunden, dann 55.2, 55.1, 55.0, 55.1 und so weiter, ich kann zwanzig Runden innerhalb von zwei Zehnteln fahren, kein Problem. Im Formel-1-Auto fahre ich eine 1:30er-Runde, dann 1:32, die Reifen bauen ab, dann bist du auf einmal bei 1:36, du holst dir neue Walzen ab und fährst wieder 1:29. Du kannst überhaupt nicht mehr so fahren, wie es dir dein Instinkt vorgibt.»

Haas-Pilot Romain Grosjean meint: «Spritsparen und mit den Reifen haushalten, das ist für die Formel 1 einfach nicht der richtige Weg. Wenn du in Le Mans fährst, gut, immerhin handelt es sich um ein Langstreckenrennen. Aber bei uns sollten wir doch so schnell als möglich fahren, und das können wir heute nicht. Das ist falsch.»

Es ist so falsch, dass die Mitglieder der Fahrervereinigung GPDA (Grand Prix Drivers’ Association) in Brasilien mit Vertretern des Autoverbands FIA und Pirelli gesprochen haben. Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo: «Ich weiss nicht, wie dieser Spagat geschafft werden soll; ein gezielter Abbau für Zwei- oder Dreistopprennen, gleichzeitig aber genügend Haltbarkeit, um voll fahren zu können.»

Romain Grosjean, einer von drei GPDA-Präsidenten (neben Alexander Wurz und Sebastian Vettel): «Wir wollten dem Verband klarmachen – so machen die Rennen keinen Spass.»

Mercedes-Teamchef Toto Wolff weiss: Die Aufgabe von Pirelli ist undankbar. «Wir müssen uns vielleicht die Frage stellen, ob von Pirelli nicht das Falsche verlangt worden ist. Die Mailänder wurden dazu ermuntert, immer weichere Reifen zu bauen, um Abbau zu provozieren und mehr Boxenstopps zu erzeugen. Aber die Strategen haben natürlich bald spitzgekriegt, dass es schneller ist, den Reifen Sorge zu tragen und maximal zwei Stopps zu machen. Wir brauchen robustere Reifen, und natürlich ist es für Pirelli einfach, die herzustellen. Sie müssen nur den richtigen Auftrag dazu erhalten. Dann könnten die Fahrer wieder eher attackieren.»

Für 2019 ist der Zug aber bereits aus dem Bahnhof gerollt: Die Spezifikationen für kommende Saison stehen fest, die Reifen werden im Anschluss ans WM-Finale von Abu Dhabi zwei Tage lang auf dem Yas Marina Circuit ausprobiert.

Formel 1: Nur neun Reifenhersteller

Verblüffend: In der Formel 1 hat es in 69 Jahren Weltmeisterschaft nur neun Reifenlieferanten gegeben! Die Formel-1-Rekorde des US-amerikanischen Goodyear-Konzerns sind dabei unerreicht: Von 1959 bis 1998 in der Formel-1-WM engagiert, wurden in 494 Starts 368 Siege errungen (bei 113 Rennen waren die Amerikaner Alleinausrüster). Über den ersten Sieg freuten sich die Firmenchefs in Akron (Ohio) 1965 in Mexico (Richie Ginther im Honda), den letzten Sieg eroberte in Monza 1998 Michael Schumacher im Ferrari. Goodyear kommt auf 24 Fahrer-WM-Titel und 26 Konstrukteurs-Pokale.

Dagegen verblassen die Daten anderer Hersteller. Insgesamt waren nur acht weitere Reifenunternehmen in der Formel-1-WM tätig:

Pirelli (1950 bis 1958, 1981 bis 1986, 1989, bis 1991 sowie seit 2011, 197 Siege in 356 Rennen)

Bridgestone (1976/’77 sowie 1997 bis 2010, 175 Siege in 244 Rennen)

Michelin (1977 bis 1984 sowie 2001 bis 2006, 102 Siege in 215 Rennen, aber keine davon als Alleinausrüster!)

Dunlop (1950 bis 1970 und 1976 bis 1977, 83 Siege in 175 Rennen)

Firestone (1950 bis 1975, 49 Siege in 121 Rennen)

Continental (1954 bis 1958, 10 Siege in 13 Rennen)

Englebert (1950 bis 1958, 8 Siege aus 61 Rennen)

Avon (1954 bis 1958 und 1981/’82, keine Siege aus 29 Rennen)

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