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Mattia Binotto (Ferrari): «Ich würde Schumi holen»

Von Mathias Brunner
Mattia Binotto

Mattia Binotto

​Nach den Formel-1-Wintertests steht für viele Fachleute fest: Ferrari hat zum Saisonbeginn das beste Blatt in der Hand. Aber ausgerechnet Ferrari-Teamchef Mattia Binotto (49) ist da ganz anderer Meinung.

Motorraum überhitzt, Probleme mit dem Auspuff, Felgenbruch, Elektrikdefekt – nein, reibungslos sind die Wintertests für Ferrari nicht verlaufen. Der rote Renner von Sebastian Vettel und Charles Leclerc war zwar auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya das schnellste Auto, in der Quali-Simulation wie auch im Dauerlauf, doch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto weiss: Was nützt das, wenn der Wagen in Australien nicht ins Ziel kommt?

Der Italiener äussert sich vor dem WM-Beginn in Australien selbstbewusst, aber auch sehr geerdet. Meinen Kollegen Daniele Sparisci und Giorgio Terruzzi vom Corriere della Sera fasst der in Lausanne geborene Binotto die Ausgangslage so zusammen: «Für mich ist Mercedes Favorit. Wir wollen uns, um einen Moment in der Fussballsprache zu bleiben, im Strafraum des Gegners festsetzen. Das Ziel besteht nicht nur darin, 2019 den WM-Titel zu erobern. Wir wollen eine längere Erfolgsphase eröffnen.»

«Wir reisen optimistisch nach Australien, weil wir ein Team haben, das sich von Jahr zu Jahr gesteigert hat. Jede Saison lernst du dazu, auch aus den Fehlern. Und dieser Prozess soll uns dazu führen, das beste Auto im Feld zu haben. Gleichzeitig halte ich noch immer Mercedes für jenes Team, das es zu schlagen gilt. Die arbeiten mit einer gefestigen Mannschaft, sie wissen genau, wie man ein WM-verdächtiges Auto baut, sie haben alle finanziellen Mittel und sind überaus kompetent. Und sie haben auch gezeigt, dass sie anfängliche Schwierigkeiten in einer Saison überwinden können.»

Dennoch darf Ferrari mit geradem Rücken nach Australien reisen, denn Mattia Binotto sagt über den 2019er Ferrari SF90: «Wir haben ein Auto, das aerodynamisch sehr stabil ist, seine Reaktionen sind gutmütig und vorhersehbar, es liegt in mittelschnellen und schnellen Kurven konstant gut, es ist schnell auf den Geraden. Das alles wollten wir erreichen, weil der letztjährige Renner nicht in all diesen Belangen gut genug war.»

«Charles Leclerc macht uns derzeit viel Freude. Er verbringt sehr viel Zeit mit den Technikern, um so viel als möglich zu lernen. Er muss sich aneignen, was langjährigen Formel-1-Fahrern in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nur so kannst du präzise Angaben übers Auto machen. Wir merken, dass er extrem schnell lernt, er ist ein smarter Junge.»

Binotto sieht seine Rolle darin, «das Beste aus meinen Mitarbeitern zu holen». Das war damals auch das Ziel des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, der wusste, wie Menschen unter Druck zu setzen sind. Nicht alle hielten diesen Scharfmacher aus, der Leute ohne Gnade gegeneinander ausspielte, um Ferrari vorwärts zu peitschen. Binotto meint: «Meine Rolle ist eher väterlich, ich fühle mich fast wie ein Studienassistent. Ich halte es für eine meiner Stärken, Menschen zu führen. Ich weiss, wie wichtig es ist, meine Leute zu motivieren und in Ruhe arbeiten zu lassen. Nur so zeigen sie ihr Bestes.»

Viele unterstellten: Der Machtwechsel bei Ferrari ging auf einen Kampf zwischen Mattia Binotto und Maurizio Arrivabene zurück. Binotto sagt über seinen Vorgänger als Teamchef: «Ich habe in 25 Jahren Ferrari mit vielen fabelhaften Persönlichkeiten gearbeitet und von allen etwas lernen können – Jean Todt, Ross Brawn, Michael Schumacher, Stefano Domenicali, ich habe auch von Maurizio gelernt, und dafür bin ich ihm dankbar. Wir sind immer anständig miteinander umgegangen, es gab keinen Krach. Die Schwierigkeiten lagen vielmehr in der Vision – darüber wie die Rennabteilung geführt und ein GP-Wochenende abgewickelt werden soll. Da waren wir verschiedener Ansicht.»

Wenn es einen früheren Piloten gibt, den Binotto sofort engagieren würde, dann ist das «Michael Schumacher. Nicht einmal gezwungenermassen, weil er ein so grandioser Rennfahrer war, sondern weil er der geborene Leader einer Mannschaft war.»

Alle erinnern sich an die tollen Erfolgsjahre von Schumi, mit fünf WM-Titeln in Folge. Mattia Binotto sagt: «Mercedes beweist, dass es auch heute möglich ist, solche Erfolgszyklen zu erzeugen. Das müssen wir auch schaffen.»

Zum jungen Mick Schumacher als Mitglied der Ferrari-Fahrerakademie sagt Mattia Binotto: «Es erfüllt uns mit grosser Freude, dass Mick Teil der Ferrari-Familie ist. Aber wir setzen ihn nicht unter Druck, und wir vermeiden alle Vergleiche.»

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