Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

FIA-Maulkorb: Präzedenzfälle Villeneuve und Vettel

Von Mathias Brunner
​Haas-Teamchef Günther Steiner ist wegen seiner unverblümten Art ein Star der Formel-1-Doku «Drive to Survive» von Netflix. Aber diese Offenheit führt nun zu Ärger mit dem Autoverband FIA.

Die Formel-1-Doku «Drive to Survive» von Netflix ist ein Knaller und hat besonders in den USA das Interesse an der Formel 1 angefacht: Das wahre Grand-Prix-Leben wird gezeigt, die ganze Leidenschaft der Formel 1 kommt in voller Vehemenz rüber, das schliesst alle Höhen und Tiefen mit ein. Der geheime Star ist für viele GP-Freunde, ein wenig unerwartet vielleicht, Haas-Teamchef Günther Steiner – denn der 54jährige Südtiroler hält sich mit Kraftausdrücken nicht zurück, am Kommandostand, im Funk, am Telefon mit Teambesitzer Gene Haas. Steiner schmunzelte dazu: «Ich schätze, die Serie ist für meine Tochter ungeeignet. Aber wieso sollte ich mich verstellen? Die Serie soll doch die Formel 1 so wahrheitsgetreu wie möglich abbilden, und Emotionen sind ein ganz elementarer Bestandteil des Grand-Prix-Sports.»

Aber genau diese Emotionen erzeugen nun sehr viel Ärger und zwar beim Autoverband FIA. Grund: Beim Grossen Preis von Russland in Sotschi erhielt Haas-Fahrer Kevin Magnussen eine Fünfsekundenstrafe. Sein Auto war im Kampf gegen Sergio Pérez in Kurve 2 zu weit nach aussen getragen worden, und Kevin fädelte sich nicht – wie von der FIA verlangt – linksseitig an zwei Kunststoff-Elementen wieder auf die Bahn ein. Der kampfstarke Däne bezeichnete die Strafe nach dem Rennen als «Bullshit».

Günther Steiner hielt sich auch nicht zurück: Er sprach am Funk von einem «dummen, idiotischen Rennkommissar». Wen Steiner damit meinte, ist nicht ganz klar. Als Regelhüter in Sotschi waren am Werk: Gerd Ennser (Deutschland), Andrew Mallalieu (Barbados), Emanuele Pirro (Italien) und George Andreev (Russland), dazu natürlich Rennleiter Michael Masi aus Australien.

Es ist nicht das erste Mal, dass Steiner aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, wenn es um die Arbeit der Rennleitung oder der Rennkommissare geht. Es ist noch nicht ganz klar, wie das mit Steiner weitergeht, wie Formel-1-Rennchef Masi in seiner GP-Nachbesprechung meinte. Der Australier könnte vor oder in Suzuka mit dem Haas-Teamchef sprechen. Allerdings deutete Masi auch an, dass die FIA zahlreiche verschiedene rechtliche Vorgehensweisen zur Verfügung habe.

Im extremsten Falle könnte das internationale Gericht der FIA bemüht werden, um eine Verfehlungen zu durchleuchten. Vor drei Jahren stand Ferrari-Star Sebastian Vettel kurz davor, sich vor diesem Gericht verantworten zu müssen. Dies nach seinen feurigen Kommentaren im Grossen Preis von Mexiko.

Der Ferrari-Star regte sich zum Schluss des Mexiko-GP fürchterlich über die Fahrweise von Max Verstappen auf. Als ihm das Team ins Auto funkte, man habe Rennleiter Charlie Whiting (im März 2019 verstorben, die Redaktion) bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Max seine Position zurückgeben müsse, was Verstappen freilich nicht tat, schäumte Vettel daraufhin am Funk: «Hier ist eine Nachricht für Charlie – fuck off! Fuck off!»

Am darauffolgenden GP-Wochenende von Brasilien sagte Sebastian Vettel: «Ich habe mich sofort nach dem Mexiko-GP bei Charlie Whiting entschuldigt. Ich bedaure, was ich gesagt habe, und ich habe auch kein Problem, heute zu wiederholen, wie leid mir das tut. Ich stand mitten in einem Kampf, ich war verärgert, da ist mir das herausgerutscht. Aber Charlie weiss, dass ich das nicht so gemeint habe.»

Whiting hat sich nicht zum Teufel geschert, sondern ins Fahrerlager von Interlagos und sieht das Ganze entspannt: «Vettel kam sofort nach Rennschluss zu mir und hat sich entschuldigt. Mir reichte das, um die ganze Sache zu vergessen. Dinge passieren nun mal in der Hitze des Gefechts»

Im Sportkodex der FIA ist verankert, dass sich die Teilnehmer zu gutem Verhalten verpflichten und von Äusserungen absehen, «welche das Ansehen der FIA oder seiner Mitarbeiter schädigen».

Das ist durchaus keine leere Drohung, wie wir Ende der 90er Jahre erkannt haben. Als zur Saison 1998 hin Rillenreifen eingeführt wurde, bezeichnete der Kanadier Jacques Villeneuve diese Änderung als «Scheisse. Diese Regeln sind ein Witz. Es ist rundweg lächerlich, mit solchen Reifen zu fahren. Das nimmt dem Fahren die ganze Präzision, das raubt dem Rennsport den Spass. Eine lachhafte Idee.»

Die FIA fand das gar nicht lustig und lud den Formel-1-Champion zur Weltrat-Sitzung nach Paris ein. Dort machte man ihm klar: Noch eine solche Verfehlung und er wird suspendiert!

Im Reglement steht, dass Rennkommissare auf Verfehlungen des Sportkodex hinweisen und den Fall an ihre Kollegen bei der folgenden Veranstaltung weiterreichen können. Damit läge das in der Hand der Rennkommissare von Japan, die Günther Steiner zu sich zitieren müssten.

Michael Masi bleibt in Russland vage: «Wir machen hier alle nur unseren Job, die Team-Mitglieder und auch die Offiziellen. Da braucht es schon einen gewissen gegenseitigen Respekt. Wenn da unangemessene Worte gefallen sein. sollten, dann könnten wir uns das ausserhalb der Rennveranstaltung anschauen.»


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