MotoGP: Große Veränderungen bei KTM

Quali-Format 2021 neu? Plan noch nicht vom Tisch

Von Mathias Brunner
Die Rennwagen sind bereit, auf die Bahn zu gehen

Die Rennwagen sind bereit, auf die Bahn zu gehen

​Der Plan von Formel-1-Sportchef Ross Brawn ist gescheitert. Er wollte 2020 am Samstag mit einer Art Mini-Grand Prix experimentieren. Die Teams lehnten ab. Aber Brawn lässt nicht locker.

Traditionalisten wie Sebastian Vettel oder Red Bull-Rennberater Dr. Helmut Marko atmeten auf: Die Formel 1 wird in der Saison 2020 nicht mit dem Qualifikations-Ablauf experimentieren. Formel-1-Sportchef Ross Brawn wollte 2020 soll an drei Wochenenden mit dem Ablauf pröblen. Bei Rennen, die sich in den vergangenen Jahren als spannungsarm erwiesen haben, sollte am Samstag ein Sprintrennen über 100 Kilometer stattfinden, das entspricht einem Drittel der normalen Renndistanz.

Die Aufstellung für den Mini-GP würde nach umgekehrtem WM-Stand erfolgen. Das Ergebnis aus dem Mini-GP ergäbe dann die Aufstellung für Sonntag. Die Denke von Ross Brawn: Ein WM-Leader Hamilton würde es im Mini-GP kaum bis an die Spitze schaffen, also müssten er und andere Spitzenfahrer sich am Sonntag weiter vorkämpfen.

Brawn wollte das in der kommenden Saison an drei GP-Wochenenden versuchen, in Le Castellet, in Spa-Francorchamps und in Sotschi. Doch es stellte sich eine hohe Hürde. Im Reglement ist verankert: Bis zum April eines Jahres können Beschlüsse mit Mehrheits-Entscheid gefällt werden, wenn es um die sportlichen Regeln für die folgende Saison geht, dann müssen alle Rennställe zu einer Änderung ja sagen. Dieses einstimmige Ja kam nicht zustande.

Sebastian Vettel war kein Freund einer neuen Quali, für ihn ist das die Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hatte. Seb in Singapur 2019: «Das ist doch kompletter Bullshit! Wenn die Leute besseren Sport sehen wollen, dann müssen wir es schaffen, dass die Leistungsdichte im Feld erhöht wird. Ich weiss nicht, welches Genie mit solch einer Idee dahergekommen ist, aber das ist keine ernstzunehmende Lösung für die Formel 1.»

Vettels früherer Wegbegleiter, Red-Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko, ist von solch künstlichen Eingriffen ebenfalls wenig angetan. In der Sendung «Sport und Talk aus dem Hangar-7» von ServusTV sagte der Le-Mans-Sieger von 1971: «Diese Pläne sind absurd. Wenn das auf Strecken wie Monte Carlo, Singapur oder Barcelona gemacht wird, auf Strecken, wo der Überholen ganz schwierig oder gar unmöglich ist, dann brauchst du die Reihe gar nicht umzudrehen, weil sich ohnehin nichts ändern wird.»

Marko findet den Denkansatz von «Formula One Management» falsch. «Unser Sport sollte sich vielmehr ein Beispiel an Fussball oder Tennis nehmen. Da haben sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen dreissig, vierzig oder fünfzig Jahren grundlegend nicht geändert. Der Zuschauer muss verstehen, nach welchen Regeln ein Grand Prix durchgeführt wird. Und am Ende sollte der beste Mann gewinnen, es sollte keine künstlichen Eingriffe geben. Wir haben bereits den verstellbaren Heckflügel, das so genannte ‚drag reduction system’, DRS, und andere Mittel, um die Spannung zu erhöhen.»

«Was wir vielmehr tun müssten: Ein Reglement so zu formulieren, dass die Chancengleichheit erhöht wird. Vor allem muss die Wichtigkeit der Aerodynamik verringert werden. Das Fahren hinter einem Gegner ist so schwierig geworden, dass wegen der ganzen Luftwirbel nicht nur der Anpressdruck verringert wird, sondern auch die Reifen überhitzen. Sie verlieren ihre Haftung, der Fahrer rutscht noch mehr, ein Teufelskreis. Dort müssen wir den Hebel ansetzen. Heute sind gewisse Rennen monoton, weil das Überholen so schwierig ist.»

Ross Brawn will in Sachen Mini-GP für 2021 einen neuen Anlauf nehmen – wenn ein Mehrheits-Entscheid genügt. Der Engländer bedauert: «Ich verstehe die Einwände der Puristen. Aber wir sollten keine Furcht vor Experimenten haben. Wenn wir nichts versuchen, dann verbessern wir auch nichts.»

So blamierte sich die Formel 1

Immer wieder haben die Mächtigen in der Formel 1 am Quali-Format herumgemurkst. Leider nicht immer zum Besseren, wie unsere kleine Übersicht zeigt.

1950–1996: Abschlusstraining mal zwei
Vor der Gründung der Formel 1 wurden die Startpositionen schon mal ausgelost. Doch mit Beginn der Formel-1-WM ändert sich das: Ein entscheidendes Training am Freitag, eines am Samstag. Erstaunlicherweise änderte sich daran 46 Jahre lang nichts, selbst wenn es zahlreiche Nuancen gab. Wir erinnern uns an die Qualifikations-Reifen, die nach einer schnellen Runde in die Tonne kamen; unvergessen auch die Minutenbrenner der stärksten Turbo-Motoren in den 80er Jahren, mit Werten jenseits von 1300 PS.

Viele denken angesichts des heutigen Magerfelds von 20 Autos wehmütig zurück, als Ende der 80er Jahre eine Vorqualifikation eingeführt werden musste. Bis zu 39 Autos wollten an einem GP teilnehmen, daher wurde schon am Freitagmorgen in dreissig brutalen Trainingsminuten gesiebt.

Grosser Nachteil des lange verwendeten Formats: Nach einem Freitag bei gutem Wetter bedeutete ein Samstag im Regen, dass die Zeiten nicht mehr verbessert werden konnten. Es musste sich etwas ändern.

1996–2002: Die Stunde der Wahrheit
In nur noch 60 Minuten und bei maximal zwölf Runden wurde ab nun der Mann für die Pole-Position gesucht. Was als Thriller gedacht war, wurde teilweise zur Formel Gähn – oft warteten die besten Piloten bis zum Schluss der Quali, um auf die Bahn zu gehen, wenn die weniger schnellen Autos die Piste gesäubert hatten und sich die Strecke im besten Zustand präsentierte. Daher erneut eine Änderung.

2003: Es kann nur eine geben
Die scheinbare Lösung des Problems: Jedes Auto geht einzeln auf die Bahn. Vorteil davon – Hinterbänkler sind so lange im Fernsehen wie Top-Autos. Am Freitag gab es eine Stunde in diesem Format, die Fahrer machten sich in Reihenfolge des WM-Stands auf die Socken. Am Samstag dann die Entscheidung, dieses Mal mit dem Langsamsten des Freitags als erstem Fahrer auf der Bahn, mit dem Schnellsten ganz zum Schluss. Gefahren wurde überdies am Samstag mit der Spritmenge, mit welcher auch ins Rennen gegangen wurde. Nachteil: Wechselnde Wetterverhältnisse machten die Quali zur Lotterie.

2004: Alles am Samstag
Die beiden Einrunden-Einsätze wurden auf den Samstag verschoben. Neu zu Beginn in Reihe des Einlaufs des vorhergegangenen Rennens. Die beiden Segmente lagen nun so dicht beisammen, dass Schlitzohre begannen, bei wechselndem Wetter taktisch zu fahren. Etwa in der Art, im ersten Teil absichtlich zu patzen, um im zweiten Teil zu Beginn fahren zu können – weil Regen im Anmarsch war und es von Nachteil sein würde, gegen Ende des Trainings auf der Bahn zu sein.

2005: Zückt die Taschenrechner!
Daher die Lösung: Die Zeiten der beiden Einzel-Darbietungen wurden neu addiert. Eine Runde am Samstagmorgen mit wenig Sprit, eine Runde am Sonntagmorgen mit jener Spritmenge, mit welcher ins Rennen gegangen wurde. Dieses System mochte keiner, weil der Samstag entwertet wurde. Nach sechs GP-Wochenenden war Schluss. Für die restlichen dreizehn Qualifyings wurde nur noch am Samstag gefahren, mit Rennspritmenge.

2006/2007: Die Ausscheidung
Endlich konnten wieder mehr Runden gefahren werden, aber erstmals gab es ein Ausscheidungsverfahren mit drei Quali-Segmenten. Die Fans fanden das sehr gut, aber perfekt war es nicht – denn noch immer musste zum Schluss mit jener Spritmenge gefahren werden, die ein Pilot ins Rennen mitzunehmen gedachte.

2008/2009: Kleine Änderung
Der Quali-Dreiteiler blieb, doch jetzt konnte nach Q3 kein Kraftstoff mehr nachgefüllt werden.

2010: Das heutige Format
Nachtanken im Rennen war passé, damit konnten die Piloten im Abschlusstraining endlich wieder mit ganz wenig Benzin auf die Bahn gehen und es nach Herzenslust krachen lassen.

2016: Missglücktes Experiment
Für die Saison 2016 wurde in der Formel 1 ein auf dem Papier aufregendes Ausscheidungsverfahren eingeführt – die Uhr läuft und in regelmässigen Abständen scheidet der jeweils langsamste Fahrer aus. In der Theorie sollte das Ausscheidungsverfahren Überraschungsmoment fördern. In der Praxis waren alle vom Blick auf die herunterzählende Uhr fasziniert, weniger vom Geschehen auf der Bahn. Einige Rennställe schickten ihre Piloten zu spät auf die Bahn und gaben sich damit der Lächerlichkeit preis. War es für die angeblich besten Strategen der Branche zu schwierig auszurechnen, wann der eigene Fahrer auf die Bahn muss, um nicht von der Stoppuhr abgefangen zu werden? Jeder Zweitklässler kann das.

Gipfel der Peinlichkeit beim WM-Auftakt in Australien: Wenige Minuten vor Schluss des Qualifyings in Melbourne, theoretisch die heisseste Phase des Formel-1-Abschlusstrainings, nun sollte es für die besten Grand-Prix-Fahrer der Welt um alles gehen – wer ist der schnellste Mann im Albert-Park? Und dann das: Auf der Bahn – niemand. Die Fans trotteten von den Tribünen davon, die meisten schüttelten ungläubig den Kopf darüber, was sie soeben erlebt hatten. Viele fluchten, völlig zu Recht. Die Formel 1 hatte sich wieder mal bis auf die Knochen blamiert.

Entrüstete Fans forderten ihr Geld zurück, Fahrer und Teamchefs schimpften, und was machte die damalige Formel-1-Führung? Sie liess das Feld in Bahrain gleich nochmals im Ausscheidungsverfahren antreten. Das Ergebnis war nicht besser, der Ärger der Fans dafür grösser. Ergebnis: Zum dritten WM-Lauf 2016 in China kehrte die Formel 1 zum bewährten System zurück.

Es gilt bis heute.

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