Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Ayrton Senna, Michael Schumacher: Gleich und anders

Von Mathias Brunner
Pat Symonds (links) am Wagen von Ayrton Senna, 1984 in Zandvoort, rechts der damalige Toleman-Sportchef Peter Gethin

Pat Symonds (links) am Wagen von Ayrton Senna, 1984 in Zandvoort, rechts der damalige Toleman-Sportchef Peter Gethin

​Der langjährige F1-Techniker Pat Symonds (66), heute bei «Formula One Management», hat mit den grossen Piloten Senna, Schumacher und Alonso gearbeitet. Er spricht über Ähnlichkeiten und Unterschiede.

Das Formel-1-Urgestein Pat Symonds hat mich immer fasziniert. Ich meine, wer ausser ihm hat schon im Laufe seiner Technikerkarriere mit Ausnahmekönnern wie Ayrton Senna, Michael Schumacher und Fernando Alonso gearbeitet? Patrick Bruce Reith «Pat» Symonds (66) stieg Anfang der 80er Jahre zusammen mit Teambesitzer Ted Toleman von der Formel 2 in den Grand-Prix-Sport hoch, 1984 arbeitete er dort mit einem GP-Debütanten namens Ayrton Senna.

Aus Toleman wurde Benetton, bei Benetton war Pat bei den ersten zwei WM-Titeln von Michael Schumacher dabei, 1994 und 1995. Aus Benetton wurde Renault, hier, nunmehr als leitender Ingenieur, betreute Symonds Fernando Alonso bei dessen beiden Titeln. Später wurde Symonds Technikchef bei Williams, heute ist er für die Formel 1 tätig. Unter Formel-1-Sportchef Ross Brawn war Symonds wesentlich an der kommenden Modellgeneration beteiligt, die es ab 2022 den Piloten erleichtern soll, sich hinter einem Gegner zu halten.

Ich habe Pat eines Tages zum Gespräch gebeten. Mir gingen Fragen durch den Kopf wie: Wie geht ein Renningenieur mit Ausnahmekönnern wie Senna, Schumacher und Alonso um? Wie waren diese Ausnahmekönner in der täglichen Wechselbeziehung zwischen Rennfahrer und Renningenieur? In welchen Belangen waren sie vergleichbar?

Pat Symonds holte ein wenig aus: «Ein guter Renningenieur sollte mit jedem Piloten arbeiten können, und vielleicht ist gerade dies eine der herausragenden Fähigkeiten eines überdurchschnittlichen Renningenieurs. Wie Ingenieur und Fahrer miteinander umgehen, das hat mich immer fasziniert, denn man sollte sich nahestehen ohne sich zu nahe zu kommen. Ich erkläre das: Du musst dem Piloten so nahe sein, dass du fast erahnen kannst, was der andere denkt. Als ich etwa mit Michael Schumacher gearbeitet habe, da erreichten wir dieses Niveau – ein Verständnis fast ohne Worte, es war an der Grenze zur Gedankenübertragung.»

«Aber, und das ist für einen Renningenieur ganz wichtig, du musst immer im Hinterkopf behalten, dass du für einen Rennstall arbeitest, nicht für einen Piloten. Der Fahrer ist nur ein weiterer Angestellter des Teams.»

«Ingenieure sind sehr logisch denkende Menschen, die alles in einer ganz bestimmten Weise und auf hohem Qualitätsniveau erledigt haben wollen. Also tendieren sie dazu, lieber mit Fahrern zu arbeiten, die ähnlich denken. Wenn du dann als Renningenieur auf einmal beispielsweise mit lateinischem Temperament umgehen musst, dann ist das nicht ganz einfach. Einige Piloten können schon schwierig sein. Aber ein guter Renningenieur ist anpassungsfähig.»

«Als ich damals bei Toleman mit Ayrton Senna arbeitete, hatte er definitiv noch ein paar Defizite – bei der Fitness oder bei der Detailarbeit. Ayrton hatte wahrscheinlich mehr Talent als Michael. Und auch bei Fernando gab es noch ein paar Kleinigkeiten, die ausgebügelt werden mussten.»

«Was mich an Senna so fasziniert hat – wie er die Menschen in seinen Bann zog. Es war unglaublich. Jedes Land hat seine Rennfahrer-Helden, doch die Brasilianer sind speziell leidenschaftlich, und Senna war der ultimative Held für sie. Sie flippten regelrecht aus, wenn es um ihn ging.»

«Ich kann mich noch gut an das Rennen von 1994 erinnern, seinen letzten Heim-GP vor seinem tragischen Tod. Die Saison war noch jung, als wir nach Interlagos reisten, es war erst der erste WM-Lauf des Jahres. Ayrton drehte sich von der Strecke – und die Tribünen leerten sich gleich darauf. Jeder ging einfach nach Hause! Die Fans waren nicht gekommen, um ein Rennen zu sehen, sie waren gekommen, um Senna zu erleben. Als er nicht mehr auf der Bahn war, interessierte es die Fans nicht mehr. Es war unglaublich, wie die Brasilianer ihn vergöttert haben.»

«Die überragenden Fahrer wie Senna, Schumacher oder Alonso sind überragend darin, ein Rennen sozusagen zu lesen. Sie können sich vom reinen Fahren mental abkoppeln und haben Reserven, um über den Rennverlauf nachzudenken. Ich kann mich an ein Rennen in Kanada erinnern, als Fernando fast eine ganze Runde lang über Funk am Reden war – und das war seine schnellste Rennrunde! Also, wenn ich im Auto bin und einen Anruf erhalte, dann fahre ich zunächst mal gewiss langsamer. Ihn schien das nicht weiter zu stören. Dieses Plus an geistiger Kapazität hebt sie von den Gegnern ab. Sie erinnerten sich auch an alles.»

Ich wollte von Pat wissen: Sprechen wir hier von einer Art photographischem Gedächtnis? Symonds antwortete: «Nein, das meine ich nicht. Ein Mensch mit photographischem Gedächtnis kann alles abrufen, was er aufgenommen hat, aber das bedeutet noch nicht, dass er aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse zieht. Sowohl Fernando als auch Michael hatten sehr viele Daten zur Verfügung, sie wussten mit diesen Informationen umzugehen, zu sortieren – das ist wichtig, das ist nicht so relevant – und dann zogen sich die korrekten Schlüsse daraus, in welche Richtung zu gehen ist. Das Analysieren ist das Wichtige, nicht das Erinnern.»

«Ein Mensch mit photographischem Gedächtnis wird später wissen, dass dieser Tisch hier weiss ist und wie die Blumen aussahen, die darauf standen. Fernando und Michael würden dir erklären, warum der Tisch weiss ist und aus welchen Gründen diese Sorte von Blumen ausgesucht worden waren.»

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