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Verstappen-Hamilton: Wer kann Psychospielchen besser?

Von Andreas Reiners
Max Verstappen in Monza

Max Verstappen in Monza

Im Formel-1-Titelkampf spielt auch der Kopf eine große Rolle. Wir haben mit dem Sportpsychologen und Mentaltrainer Matthias Herzog über die beiden Protagonisten gesprochen.

In der Formel 1 geht es im Titelkampf zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton hin und her, auch Psychospielchen werden gespielt.

Der Sportpsychologe und Mentaltrainer Matthias Herzog (44), der unter anderem mit den Handballern des THW Kiel oder dem ehemaligen Fußball-Bundesligisten Hannover 96 zusamengearbeitet hat weiß, wie entscheidend der Kopf im Profisport ist. Vor allem in der Formel 1.

Matthias Herzog, wie wichtig ist der Kopf im Profisport?

Das Mentale macht 70 bis 80 Prozent aus. Im Spitzensport, auf allerhöchstem Niveau, kann der Kopf alles entscheiden. Die Fähigkeiten sind vorhanden, die Frage ist: Kann ich es abrufen oder nicht? Und das ist reine Kopfsache.

Wie sehr kann die Psyche die Leistung beeinflussen?

Im Profisport herrscht Druck, und das Gefühl, das dadurch entsteht, ist die Angst. Und sie ist einer der größten Erfolgskiller, die es gibt, sie kann lähmen. Andererseits kann Angst auch Energie freisetzen. Das Problem fängt damit an, dass sich viele diese Angst gar nicht eingestehen, es ist vielen daher gar nicht bewusst, warum sie scheitern. Es ist die Angst vor den Konsequenzen, dass ich mich blamiere, dass das Spiel verloren oder der Titel nicht geholt wird. Die Kunst des mentalen Trainings besteht deshalb darin, die volle Kontrolle über den Körper zu bekommen, um Spitzenleistungen abzurufen.

Wie kann man die Psyche trainieren?

Positive Selbstgespräche sind eine Möglichkeit. Eine positive Selbstbeeinflussung, die dafür sorgt, dass der Körper positiv denkt. Negative Bilder werden sofort unterbrochen, neue, positive Bilder entstehen im Kopf. Und unser Gehirn kann nicht unterscheiden zwischen einer intensiv vorgestellten oder einer gemachten Erfahrung. Heißt: Durch positive Selbstgespräche entstehen positive Gedanken, die erzeugen wiederum positive Gefühle, die wiederum zu positiven Handlungen und positiven Ergebnissen führen.

Und das funktioniert so einfach?

Es ist ein Unterschied, ob ich mir vorstelle, dass ich beim Elfmeter stehe und der Torhüter den Ball hält oder ob er in den Winkel einschlägt. Je nachdem, welche Bilder ich mir vorstelle, wird der Körper unterbewusst alles dafür tun, dass genau das eintritt. Man kennt das aus dem Alltag: Man kauft sich ein neues Hemd und sagt sich: „Es darf bloß kein Fleck auf das Hemd.“ Und was passiert dann? Genau: Es gibt einen Fleck auf dem Hemd. Das ist das Gesetz der Anziehung. Ich muss also sagen oder mir vorstellen, was ich will und nicht das, was ich nicht will. Ich brauche positive Bilder. 

In der Formel 1 gibt es in dieser Saison das enge Titelduell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton: Wie entscheidend ist da die Psyche?

Das ist im Grunde nur Psyche. Die Jungs müssen körperlich fit sein, aber auch ihre Konzentration halten, müssen mutig sein, stehen unter Dauerspannung und unter Druck. Der kleinste Fehler kann große Auswirkungen haben. Verstappen und Hamilton sind mental komplett schmerzfrei, das sind „Killer“. So wie Michael Schumacher früher. Die sagen: „Ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung treffen werde.“ Bei Sebastian Vettel sieht man zum Beispiel, dass sich die Prioritäten klar verschoben haben. Der ist nicht mehr der, der er früher war.

Liegt das bei Vettel tatsächlich nur an der Psyche?

Körperliche Faktoren spielen auch eine Rolle. Aber eine extreme Rolle spielt der Fokus. Wenn ich Familie habe, mache ich mir mehr Gedanken, was passieren könnte. Das kann schnell eine Zehntelsekunde ausmachen. Außerdem: Wie groß ist die Gier noch? Schumacher wollte immer wieder Weltmeister werden. Das Gierige hatte zum Beispiel Nico Rosberg gar nicht, er wollte einmal Weltmeister werden. Er wäre danach nicht mehr das Risiko gegangen, hätte sich nicht mehr motivieren können. Das spielt im Alter eine immer größere Rolle.

Lenkt sich Vettel mit seinen Aktivitäten rund um den Umweltschutz oder mit der Kritik am System Formel 1 zu sehr selbst ab?

Ja, das sind zu viele Baustellen. Das sind schöne Sachen und es ist auch gut, dass er es macht. Aber das nimmt ganz klar den Fokus. Selbst wenn es nur fünf Prozent ausmacht.

Wer ist denn der psychisch Stärkere im Titelkampf?

Hamilton hat den Vorteil, dass er weiß, wie man Titel gewinnt. Verstappen muss das erst noch beweisen. Er ist auch derjenige, der vom Naturell her das größere Risiko geht. Er hat dafür den Vorteil, dass er wenig nachdenkt, denn Denken ist auch in der Formel 1 hinderlich.

Wie wirkungsvoll sind denn die Psychospielchen zwischen den beiden? Wenn zum Beispiel Verstappen nach dem Unfall in Monza einfach weggeht, ohne zu schauen, wie es seinem Rivalen geht?

Bei ihnen ist es immer schwer zu sagen, ob es Strategie ist oder ob ihnen auf der Beziehungsebene etwas fehlt. Vor allem bei Verstappen habe ich das Gefühl, dass er sich kaum für Menschen interessiert, sondern nur für sich. Das muss deshalb gar nicht Taktik sein, vielleicht ist er einfach so. Aber klar: So etwas kann man gezielt einsetzen, um den anderen extrem zu schwächen. Solche Aktionen können aber auch das Gegenteil auslösen. Wenn man hohe negative Energie umwandelt, kommt eine hohe positive Energie zustande, die mit nichts zu vergleichen ist. Und dann erreicht man mit den Spielchen, dass der Gegner mit Höchstleistungen antwortet.

Kann Verstappen die Spielchen also besser?

Ich denke schon. Viele können ihn nicht leiden. Und er geht in seinen jungen Jahren sehr locker mit der Ablehnung um und steckt sie gut weg. Das macht es für ihn leichter, es für sich zu nutzen, und vielleicht lässt er sich sogar noch davon anstacheln.

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