Kanaldeckel in Las Vegas: Droht ein Fiasko wie 2023?
Die Formel-1-Fahrer sind genervt. Viele von ihnen konnten am ersten Trainingstag das geplante Programm nicht durchziehen oder keine schnelle Runde fahren – denn es gab Probleme mit einem losen Kanaldeckel.
Die FIA dazu: «Ein Streckenposten hatte einen möglicherweise losen Kanaldeckel gemeldet, bei Kurve 17. Die Rennleitung konnte das anhand der Überwachungs-Kameras nicht klar erkennen. Also wurde die rote Flagge gezeigt, um sich diese Stelle aus der Nähe anzusehen.»
Die Uhr tickte gnadenlos herunter, nach 16 Minuten Pause ging es weiter. Dann wieder rote Flagge: wegen des gleichen losen Kanaldeckels. Damit war das Training zu Ende.
Die FIA: «Nach der ersten Unterbrechung blieb Personal der Rennleitung vor Ort. Es wurde erkannt, dass sich der Deckel weiter bewegt, wenn Autos drüberfahren. Daher die zweite rote Flagge.»
Moment mal, Las Vegas und Kanaldeckel, da war doch was?
Genau, im ersten Training 2023 fuhr der Spanier Carlos Sainz mit seinem Ferrari über eine kaputte Ummantelung eines Wasserschachts. Ergebnis nach funkensprühender Kollision – Chassis, Motor, Unterboden, Batterie, alles hin. Das Training musste nach nicht mal zehn Minuten abgebrochen werden. Auch der Wagen von Esteban Ocon war beschädigt worden, Chassis-Wechsel daher ebenfalls bei Alpine.
Erstes Training abgebrochen, zweites Training erst um 2.30 Uhr früh gestartet und ohne Zuschauer auf den Tribünen. Das hatte weder Glitzer noch Glamour. Die Stadt, die niemals schläft, das war eigentlich anders gemeint.
Weil es über Stunden unklar war, ob überhaupt nochmals gefahren werden kann, verliessen viele Besucher die Rennstrecke. Tausende jedoch harrten aus, aber als es rund zweieinhalb Stunden später wirklich weiterging (Lokalzeit inzwischen unfassbar 2.30 Uhr), waren die Tribünen leer – die Fans waren von der Polizei nach Hause geschickt worden!
Las Vegas-GP-Geschäftsführerin Renee Wilm: «Alle Fachkräfte an der Strecke waren zu diesem Zeitpunkt schon sehr lange an der Arbeit. Darunter Fahrer, welche die Gäste zu ihren Hotels zurückbringen. Als das Training verschoben werden musste, war das mit der gesetzlich vorgeschrieben Dienstzeit dieser Fahrer nicht mehr zu vereinbaren. Ferner brauchen die Fachkräfte in den Fan-Bereichen Zeit, um die Anlage nach dem Besuch der Zuschauer zu reinigen und für den nächsten Tag fit zu machen.»
Las Vegas 2025 und Las Vegas 2023 sind keine Einzelfälle. auch das erste freie Training zum Grand Prix von Aserbaidschan 2019 in Baku musste nach dem Unfall von George Russell abgebrochen werden. Lose Kanaldeckel bleiben im Motorsport eine tödliche Gefahr.
Nachdem George Russell über einen losen Kanaldeckel gefahren war und sein Williams schwer beschädigt wurde, konnte das erste freie Training zum Aserbaidschan-GP nicht wieder aufgenommen werden.
Fachkräfte schwärmten auch damals aus, um die Kanaldeckel zu sichern. Das klingt einfach, ist es aber nicht – rund um den Kurs des Baku City Circuit gibt es 320 solcher Kanaldeckel!
Die Historie der Königsklasse zeigt: So ungewöhnlich ist es nicht in der Formel 1, dass Drainagen zur tödlichen Gefahr werden.
2018 ist in Monaco Ähnliches passiert. Nur einer konnte damals am Trainings-Donnerstag in Monte Carlo die Red Bull Racing-Piloten stoppen – ein Kanaldeckel. Max Verstappen befand sich auf einer extrem flotten Runde, als im zweiten freien Training die rote Flagge gezeigt wurde. Wie sich herausstellte, gab es ein Problem an einem Gully-Deckel ausgangs Casino-Platz Richtung Mirabeau.
Der frühere Rennleiter Charlie Whiting (im März 2019 verstorben) begab sich vor Ort. Wie aus dem Nichts tauchte ein Lieferwagen mit Schweissgeräten und Fachpersonal auf. Die Monegassen sind in solchen Fällen extrem fit, denn es gab auch dort nicht zum ersten Mal Ärger mit Kanaldeckeln.
Am ersten Monaco-Trainingstag 2016 wurde vom Mercedes von Nico Rosberg ein Kanaldeckel aus seiner Verankerung gehoben, der nachher den McLaren-Honda von Jenson Button traf. Nach dem Zwischenfall wurde ein Ersatzdeckel beschafft und erneut mit dem Schweissbrenner festgemacht.
Grundsätzlich werden alle Kanaldeckel vor einem Rennwochenende auf dem Strassenkurs besonders verschweisst oder gesichert. Doch beim betreffenden Deckel reichte das offenbar nicht.
Aber wieso nicht? Wie sich herausstellte: In der 25 auf 25 Zentimeter grossen Platte hatte sich ein Riss gebildet. Als immer und immer wieder Formel-1-Renner darüberfuhren, brach der Deckel – obschon er an vier Punkten verschweisst worden war. Es handelt sich übrigens um eine massive Platte, kein Gitter, das Gitter befindet sich dahinter.
Die FIA-Regelhüter baten daraufhin die Rennorganisatoren, sämtliche Kanaldeckel noch einmal zu überprüfen. Was am Donnerstagabend bis in die Nacht hinein erledigt wurde. Eine ähnliche Inspektion gab es nach dem Zwischenfall 2018.
2010 crashte Rubens Barrichello oben am Casino schwer. Wie sich später herausstellte, hatte sich der Brasilianer offenbar an einem Kanaldeckel den Reifen aufgeschlitzt. Die Williams-Techniker glauben, dass damals der Vorderreifen des Renners den Deckel herausgesaugt hat, daraufhin wurde der Hinterreifen lädiert. In Runde 31 platzte der Reifen und bei Tempo 260 war «Rubinho» nur noch Passagier.
Ärger gab es nicht nur in Monaco, Baku und Las Vegas, sondern auch auf dem Sepang International Circuit von Malaysia.
Ein kurioser Crash hatte 2017 in Malaysia für eine vorzeitiges Ende des zweiten freien Trainings gesorgt – und für einen stark beschädigten Haas-Boliden. Romain Grosjean wurde Opfer eines losen Gully-Deckels, der seinen rechten Hinterreifen explodieren liess.
In Baku 2016 löste sich in der Boxengasse ein Abflussdeckel, als der damalige Williams-Fahrer Valtteri Bottas ein wenig nahe an der Boxenmauer entlangfuhr. Der Deckel wurde auf die Bahn geschleudert, zum Glück traf das Metallbruchstück niemanden.
Der Genfer hatte Glück im Unglück und blieb beim Unfall unverletzt. Für den Schaden von rund 750.000 Dollar kamen die malaysischen Rennorganisatoren auf. Für solche Fälle sind sich versichert.
2005 fuhr der frühere McLaren-Pilot Juan Pablo Montoya in Shanghai über einen Kanaldeckel, der sich wie eine wütende Schlange aufgestellt hatte. Unterboden und Kühler wurden ramponiert.
1990 fuhr der Spanier Jesús Pareja beim Sportwagen-WM-Lauf auf dem Circuit Gilles Villeneuve von Montreal über einen losen Kanaldeckel, der Tank seines Porsche 962 wurde aufgeschlitzt, der Gruppe-C-Renner begann lichterloh zu brennen.
Pareja kam zum Glück rechtzeitig aus seinem Auto.










