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Technik-Serie: KERS, Schnapsidee oder grün-genial?

Von Mathias Brunner
Auch das ist KERS: Die Mechaniker schützen sich mit Handschuhen vor Stromschlag

Auch das ist KERS: Die Mechaniker schützen sich mit Handschuhen vor Stromschlag

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Auf welchem Gebiet die Energie-Rückgewinnung in der Formel 1 sinnvoll ist.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:


KERS

Eigentlich war die Umsetzung der Energie-Rückgewinnung der zündende Gedanke für diese Serie: FIA-Chef Jean Todt, beseelt vom Gedanken einer grünen Formel 1, fand es eine wunderbare Idee, würden die Formel-1-Renner künftig lediglich mit elektrischer Energie durch die Boxengasse säuseln.
Den Team-Managern standen sofort die Haare zu Berge. Ein langjähriges Mitglied des Formel-1-Zirkus: «Die Mechaniker hören im ganzen Lärm von der Strecke ja jetzt schon kaum, wenn ein Auto zum Reifenwechsel daherflitzt. Sollte ein Renner nur elektrisch betrieben, also fast geräuschlos heranrollen, dann sind Unfälle programmiert. Denn der Lärm von der Rennbahn, der bleibt ja gleich.»
Die FIA hatte ein Einsehen, der Vorschlag ist um einige Jahre verschoben worden. Was nicht damit zu verwechseln ist, dass er vom Tisch wäre …
Der Grundgedanke von KERS (der Rückgewinnung kinetischer Energie) geht zwar nicht auf Todt, sondern auf dessen Vorgänger Max Mosley zurück, ist aber in der Umsetzung ebenfalls verfehlt: Im Gegensatz zum Strassenfahrzeug wird die Hybrid-Technik nicht zur Verminderung des Verbrauchs genutzt, im F1-Renner wird die beim Bremsen gewonnene Energie vielmehr in zusätzlichen Schub von rund 80 PS umgewandelt, für gut sechseinhalb Sekunden pro Runde. Ob das wirklich dem grünen Gedanken entspricht?
Und überhaupt: Wie viele Fans interessieren sich wirklich dafür, ob ein KERS im Renner steckt oder nicht? Lässt sich mit Fug und Recht behaupten, der Sport sei dadurch attraktiver geworden? Oder nur komplizierter und teurer?
Die Zukunft heisst übrigens nur ERS – denn ab 2014 soll die Energie verschiedener Quellen genutzt werden, auch beispielsweise thermische Energie aus dem Turbolader (zur Erinnerung: 2014 werden in der Formel 1 1,6-Liter-V6-Turbomotoren verwendet). Gesamthaft soll ERS dann über einen Zeitraum von knapp 30 Sekunden pro Runde gut einen Drittel der Motorleistung hervorbringen können. Diese Kraft wird auch nicht mehr über einen Knopf abgerufen werden, sondern via Gaspedal zur Verfügung stehen, gesteuert von einer hochgestochenen Elektronik für Motor und Antriebsstrang.
Genau dieser Technik-Schub macht KERS, pardon ERS, für die Autohersteller attraktiv. Denn der Motorsport im Allgemeinen und die Formel 1 ganz besonders zwingen die Motorenbauer zu besonders leichten (ein Mercedes-KERS wiegt nur noch knapp 23 Kilo), kompakten und effizienter arbeitenden Systemen. Und davon kann der Serien-Automobilbau eigentlich nur profitieren.
Hm, vielleicht ist die Energie-Rückgewinnung in der Formel 1 ja doch keine Schnapsidee …

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