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Jerez: Bestnoten für Vettel, Räikkönen, Button

Von Mathias Brunner
Kimi Räikkönen: Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?

Kimi Räikkönen: Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?

Viel Lob auch für die Mittelfeld-Teams Sauber und Force India. Undurchsichtige Bilanz bei Ferrari und Mercedes.

Was nehmen wir aus diesem Test mit?

Wie aussagekräftig sind die Bestenlisten vom Freitag-Abend?

Haben wir einen ersten Hinweis darauf erhalten, was uns beim Saisonauftakt in Australien erwartet?

SPEEDWEEK-Technikexperte Gary Anderson lacht: «Das sind alles Fragen, die ich mir selber auch stelle! Die Wahrheit ist – wir haben gewissermassen ein paar flüchtige Blicke hinter die Kulissen werfen dürfen, aber das grössere Bild können wir noch nicht erfassen.»

Der frühere Cheftechniker von Jaguar und Jordan glaubt: «Die Zeit von Jerez als Teststrecke ist möglicherweise abgelaufen. Das liegt nicht etwa am Layout, sondern vielmehr am Asphalt. Er ist einfach zu rauh, um schlüssige Erkenntnisse über die Reifen zu erlauben. Das hat viele Rennställe und auch die Pirelli-Leute verärgert. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir 2014 nicht mehr hier in Andalusien testen.»

Pirelli-Rennchef Paul Hembery bestätigt: «Es ist viel schlimmer als noch vor einem Jahr. Die Strecke ist in keinem guten Zustand, und wir habe nicht das gelernt, was wir hier eigentlich über die neuen Mischungen lernen wollten. Das ist schade, weil wir hier vier Tage lang konstant schönes Wetter gehabt haben. Das ist bei Wintertests ja auch nicht selbstverständlich.»

Aber zurück zu den Fragen eingangs.

Gary Anderson nimmt den Faden auf: «Die Teams werden es nicht leicht haben, die Ergebnisse aus Jerez zu analysieren. Eben weil der Belag das Bild verfälscht. Gleichzeitig hat die folgende Aussage Bestand – ein Auto, das auf dem «Circuit de Catalunya» in Barcelona funktioniert, sollte auf jeder Art Strecke funktionieren. Von daher werden die Rennställe froh sein, dass die weiteren zwei Wintertests dort stattfinden.»

Im Gespräch mit Gary Anderson, mit Marc Surer, mit Franz Tost, mit Rennfahrern, mit Technikern, lässt sich folgendes Bild skizzieren.

Lotus besitzt ein Fahrzeug, das die Qualitäten des 2012er Renners geerbt zu haben scheint. Die Fahrer können es nach Belieben herumwerfen, es lenkt knackig ein, liegt gut, besitzt eine gesunde Traktion. Gary Anderson: «Hier stelle ich mir einfach die Frage, ob Lotus den Entwicklungs-Rhythmus von Rennställen wie McLaren und Red Bull Racing mitgehen kann. Die Basis aber stimmt – das Fahrzeug ist hervorragend ausbalanciert, und das ist immer ein gutes Zeichen.»

Ferrari ist ein Sorgenkind – das sagt allein die Körpersprache von Felipe Massa am Donnerstag-Abend aus, und dies wohlgemerkt, nachdem der Brasilianer die Bestzeit aufgestellt hatte! Kein Wagen springt so hoch über die Randsteine. Auf die Frage, ob es denn notwendig sei, den Renner so steif abzustimmen, gibt der Brasilianer erstaunlicherweise zur Antwort: «Wir fahren doch gar nicht so steif.»

Am ersten Eindruck von Marc Surer hat sich wenig geändert: «Die Ferrari-Fahrer müssen ständig korrigieren, um den Ferrari auf der Ideallinie zu haben. Ein gutes Zeichen ist das nicht.»

Gary Anderson ergänzt: «Die Faustregel gilt – je weicher der Reifen, desto mehr Untersteuern hast du. Da der Ferrari grundsätzlich übersteuert, gleicht das der weiche Pirelli aus, und daher mundet dem Ferrari die weiche Mischung. Das ist schön für eine Runde, nützt einem im Dauerlauf aber herzlich wenig.»

Der Getriebeschaden mit kurzem Feuer bei Testpilot Pedro de la Rosa hat die Laune bei den Roten nicht verbessert.

Im Gegensatz dazu zieht der neue Wagen von Weltmeister Sebastian Vettel auf einer unsichtbaren Schiene um die Kurven. Gary Anderson: «Es ist offensichtlich, dass das neue Modell von Red Bull Racing zünftig Abtrieb aufbaut. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen – RBR hat zehn Prozent mehr Abtrieb als jedes andere Auto!»

Anderer Hinweis auf gute Laune bei Sebastian Vettel: Der Weltmeister ist jeweils mit hartem Gummi unterwegs gewesen, die Fahrer um ihn herum in der Zeitenliste jedoch mit weicheren Walzen. Und die müssten theortisch bis zu einer Sekunde pro Runde ausmachen.

Welcher neue Kniff mag sich Technikchef Adrian Newey ausgedacht haben? Kein Auto wird jeweils von den Mechanikern so hektisch hinter die Stellwände geschoben wie der neue Red Bull Racing …

Und McLaren?

Gary Anderson fährt fort: «Je länger der Test hier dauerte, desto eindrucksvoller wurden die 1:18,8 min von Jenson Button am Dienstag, auf schmutziger Strecke. Ich finde auch, dass der Wagen nicht übel liegt, vielleicht noch immer mit zu viel Untersteuern. McLaren ist für mich ein Titelanwärter, naturgemäss eher mit dem regelmässigen Jenson Button als mit dem jungen Sergio Pérez.»

Wo steht Mercedes?

«Wir haben ja festgehalten, dass der Ferrari übersteuert», antwortet Gary Anderson. «Bei Mercedes ist es umgekehrt. Er untersteuert. Also funktioniert er folgerichtig auch mit der härteren Mischung besser. Mercedes macht keinen schlechten Eindruck, und die Probleme an den ersten beiden Tagen sollten kein Problem sein – bei den Testfahrten ist genügend Zeit, um Kleinigkeiten auszusortieren. Vom Fahrzeug her ist man mit dem neuen Frontflügel auf dem richtigen Weg.»

Sorgen macht Mercedes der Reifenverschleiss, aber auch hier wird Barcelona ein kraftvollerer Indikator sein als Jerez.

Wie ist Sauber einzuschätzen?

Gary Anderson lobt: «Nico Hülkenberg hat bestätigt, was entlang der Bahn zu sehen ist – der Wagen hat seine 2012er Charakteristik eines guten Handlings in schnellen Kurven behalten. Das Konzept mit den extrem schmalen Seitenkästen scheint aufzugehen. Ich habe jedenfalls nichts von Schwierigkeiten mit diesem Layout gehört oder gesehen.»

Tendenz im Mittelfeld mit den potentiellen Gegnern von Sauber: Der Force India ist schnell und standfest. Schon gestern hatte Gary Anderson festgehalten: «Ich sehe zwar keinen Geniestreich, ich kann aber auch keinen Fehler erkennen. Hier konzentriert man sich aufs Wesentliche, und das ist genau das Richtige für dieses Team.»

Toro-Rosso-Technikchef James Key gestern, vor der Abreise aus Jerez: «Gebt nicht zu viel auf unsere Zeiten. Wir wollen einfach eine gute Basis schaffen, auf Zeitenjagd gehen wir dann später.» Sein Chef Franz Tost bestätigt im SPEEDWEEK-Interview: «Die Grundrichtung stimmt.»

Und was ist mit Caterham sowie Marussia? Gary Anderson ist skeptisch: «Ich sehe bislang nicht, wo ein Sprung nach vorne ins Mittelfeld herkommen soll.»

Williams ist gewissermassen ausser Konkurrenz gefahren – als einziges Team mit dem Vorjahresmodell.

 

Die Testzeiten in Jerez von Freitag, 8. Februar

1. Kimi Räikkönen (SF), Lotus E21-Renault, 1:18,148 (82)

2. Jules Bianchi (F), Force India VJM06-Mercedes, 1:18,175 (56)

3. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:18,565 (96)

4. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C32-Ferrari, 1:18,669 (142)

5. Jean-Eric Vergne (F), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:18,760 (92)

6. Lewis Hamilton (GB), Mercedes F1 W04, 1:18,905 (145)

7. Sergio Pérez (MEX), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:18,944 (97)

8. Valtteri Bottas (SF), Williams FW35-Renault (2012), 1:19,851 (90)

9. Pedro de la Rosa (E), Ferrari F138, 1:20,316 (50)

10. Charles Pic (F), Caterham CT03-Renault, 1:21,105 (109)

11. Luiz Razia (BR), Marussia MR02-Cosworth, 1:21,226 (81)

12. Paul Di Resta (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:23,435 (49)


Testzeiten Jerez von Dienstag bis Freitag
01. Felipe Massa (BR), Ferrari F138, 1:17,879 (Donnerstag)
02. Kimi Räikkönen (SF), Lotus E21-Renault, 1:18,148 (Freitag)
03. Jules Bianchi (F), Force India VJM06-Mercedes, 1:18,175 (Freitag)
04. Romain Grosjean (F), Lotus E21-Renault, 1:18,218 (Mittwoch)
05. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:18,565 (Freitag)
06. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C32-Ferrari, 1:18,669 (Freitag)
07. Jean-Eric Vergne (F), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:18,760 (Freitag)
08. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W04, 1:18,766 (Donnerstag)
09. Jenson Button (GB), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:18,861 (Dienstag)
10. Lewis Hamilton (GB), Mercedes F1 W04, 1:18,905 (Freitag)
11. Sergio Pérez (MEX), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:18,944 (Freitag)
12. Paul Di Resta (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:19,003 (Mittwoch)
13. Daniel Ricciardo (AUS), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:19,134 (Mittwoch)
14. James Rossiter (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:19,303 (Donnerstag)
15. Mark Webber (AUS), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:19,338 (Mittwoch)
16. Nico Hülkenberg (D), Sauber C32-Ferrari, 1:19,502 (Mittwoch)
17. Valtteri Bottas (SF), Williams FW35-Renault (2012), 1:19,851 (Freitag)
18. Pedro de la Rosa (E), Ferrari F138, 1:20,316 (Freitag)
19. Pastor Maldonado (YV), Williams FW35-Renault (2012), 1:20,693 (Mittwoch)
20. Charles Pic (F), Caterham CT03-Renault, 1:21,105 (Freitag)
21. Luiz Razia (BR), Marussia MR02-Cosworth, 1:21,226 (Freitag)
22. Giedo van der Garde (NL), Caterham CT03-Renault, 1:21,311 (Mittwoch)
23. Max Chilton (GB), Marussia MR02-Cosworth, 1:21,454 (Donnerstag)

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