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Barcelona: Alonso Letzter, Vettel rätselt

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel zeigt Profil

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Regen, niedrige Temperaturen und heftiger Wind bei den Tests: Was die Ingenieure hassen, lieben die Fans.
Der Tenor im Fahrerlager am Circuit de Catalunya ist überall der Gleiche: Zu nass, zu kalt, zu windig – die Ingenieure der elf Rennställe ärgern sich, so lässt sich auf dem Circuit de Catalunya einfach zu wenig lernen. Da war es auch kaum ein Trost, dass nachmittags, man staune, endlich mal auf trockener Bahn gefahren werden konnte.

Barcelona an diesem trüben Tag: Etwas mehr als 10 Grad Lufttemperatur, der Boden mit knapp 12 Grad kaum wärmer.

Zum Vergleich: in der Wüste Sakhir von Bahrain angenehme 25 Grad, in Abu Dhabi warme 29 Grad, natürlich knallt an beiden Orten die Sonne vom Himmel. Kein Wunder, werden bei Pirelli und auch bei einigen Teams die Stimmen lauter, mindestens einer von drei Wintertests sollte in einem Jahr unter den klimatisch gesicherten Verhältnissen am Golf gefahren werden.

Was Ingenieure zum Verzweifeln bringt, passt den Fans wunderbar ins Konzept: Je weniger die Teams hier lernen, desto grösser ist das Element der Unwägbarkeit bei den ersten WM-Läufen der Saison.

Das miese Wetter ist für alle gleich, aber die Ausgangslage der Teams ist ungleich: Mangelnde Standfestigkeit und Nachholbedarf beim Ausloten neuer Teile ritzen vielen Teammitgliedern Sorgenfalten ins Gesicht.

Beispiel Williams: Probleme mit den Batterien der Energie-Rückgewinnung, das System musste abgehängt werden.

Beispiel Mercedes: Plötzlicher Einsatz von Feuerlöschern als es im Heck des Silberpfeils von Nico Rosberg etwas heiss wurde.

Beispiel Ferrari: Die Italiener haben die Auspuff-Ausrichtung geändert und den Unterboden optimiert. Immer wieder wurde das Heck von Alonsos Renner mit dem zähflüssigen Flow-Viz eingeseift. Dazu versuchte der Spanier einen neuen Frontflügel (andere Endplatten). Die Ergebnisse beider Kniffe sind noch nicht schlüssig. Der neue Flügel jedenfalls war bald wieder weg, was nicht für das neue Bauteil spricht. Ein neuer Heckflügel kommt morgen.

Beispiel Red Bull Racing: Die Erkenntnisse mit dem passiven DRS stellen die Techniker vor enorme Herausforderungen. Das System zum (nicht vom Fahrer ausgelösten, daher passiven) Strömungsabriss am Flügel funktioniert ab einer bestimmten Geschwindigkeit oder wenn ein gewisses Mass an Staudruck erreicht ist, worauf sich ein Ventil öffnet. Der Strömungsabriss verringert den Luftwiderstand und erhöht damit den Speed. Die Abstimmung dieses Systems ist hochkomplex. Lotus experimentiert damit schon eine ganze Weile herum. Andere Teams, wie McLaren, haben den nur noch 2013 erlaubten Kniff zur Seite gelegt. Ob und bei welchen Rennen das Weltmeister-Team Red Bull Racing das System einsetzt, ist noch nicht klar.

Der BBC- und SPEEDWEEK-Technikexperte Gary Anderson: «Wenn es ein Team gibt, welches das auf die Reihe bekommt, dann ist es Red Bull Racing.»

McLaren experimentiert erneut mit Luftleitern an der Oberseite der Seitenkästen sowie mit vereinfachten Luftleit-Elementen unter der Fahrzeugnase.

Toro Rosso fährt jetzt ebenfalls mit stark geschlitzten Endplatten am Heckflügel. Die Schlitze wirken der Luftwirbelbildung an den Flügelkanten entgegen. Der neue Heckflügel von Lotus ist mit ungewöhnlichen Luftleitkanten an der Aussenseite der Endplatte verziert.

Williams hat die Radmuttern hohl und als Luftleiter gestaltet. Die kanalisierte Luft wird dazu verwendet, den Luftwiderstand durch die Zone hinter dem Rad zu verringern. Eine sehr clevere, eigenwillige Lösung.

Fazit von Gary Anderson nach einem Spaziergang entlang der Strecke: «In Sachen Handling scheint sich seit Beginn der Testfahrten in Jerez nicht viel geändert zu haben. Ich finde noch immer, das Auto von Red Bull Racing liegt am besten auf der Strasse, danach folgt der Lotus. McLaren und Sauber kämpfen mit Untersteuern. Aber ich bin sicher, das lässt sich mit Detail-Arbeit an der Abstimmung ausmerzen. Der Ferrari scheint mir zu wenig Traktion aus den Kurven heraus zu haben. Die Italiener haben noch viel Arbeit.»

Das zeigte sich auch gegen Abend: Fernando Alonso am Schluss der Tabelle, ein seltener Anblick. Der Spanier war auf einer Rennsimulation mit harten Reifen unterwegs, die Rundenzeiten sind kein Vergleich mit jenen von Grosjean und Webber. Kein Wunder – bei so kaltem Wetter ist mit der harten Reifenmischung kaum aus dem gefürchteten Körnen zu kommen (wenn sich auf der Reifenoberfläche kleine Gummirubbel bilden). Zur Verzweiflung der spanischen Fans und der italienischen Berichterstatter fand sich Alonso auch auf dem letzten Platz wieder. Welche Schande …

Da spielte es auch keine Rolle mehr, dass es 25 Minuten vor Tages-Schluss wieder zu nieseln begann.

Ab Morgen Samstag soll es endlich zwei Tage lang trocken bleiben, und die Sonne soll sich mehr zeigen.

Die Ingenieure wird’s freuen.

Fernando Alonso auch.

Die Testzeiten von Freitag, 1. März

1. Romain Grosjean (F), Lotus E21-Renault, 1:22,716 (88) weich

2. Jenson Button (GB), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:23,181 (72) mittel

3. Pastor Maldonado (YV), Williams FW35-Renault, 1:23,628 (74) weich

4. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:23,743 (65) mittel

5. Nico Hülkenberg (D), Sauber C32-Ferrari, 1:23,744 (79) mittel

6. Adrian Sutil (D), Force India VJM06-Mercedes, 1:24,215 (62) mittel

7. Daniel Ricciardo (AUS), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:25,483 (61) weich

8. Max Chilton (GB), Marussia MR02-Cosworth, 1:25,598 (75) weich

9. Giedo van der Garde (NL), Caterham CT03-Renault, 1:26,316 (48) mittel

10. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W04, 1:26,655 (120) mittel

11. Fernando Alonso (E), Ferrari F138, 1:27,878 (102) mittel

(In Klammern die Anzahl gefahrener Runden)


Zum Vergleich die Zeiten von gestern:


1. Mark Webber (AUS), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:22,693 (90) weich

2. Lewis Hamilton (GB), Mercedes F1 W04, 1:24,348 (113) mittel

3. Jean-Eric Vergne (F), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:25,017 (59) mittel

4. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW35-Renault, 1:26,458 (85) weich

5. Sergio Pérez (MEX), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:26,538 (100) hart

6. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C32-Ferrari, 1:26,574 (92) weich

7. Paul Di Resta (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:27,107 (57) mittel

8. Felipe Massa (BR), Ferrari F138, 1:27,541 (112) mittel

9. Max Chilton (GB), Marussia MR02-Cosworth, 1:28,166 (78) mittel

10. Charles Pic (F), Caterham CT03-Renault, 1:28,644 (83) mittel

11. Romain Grosjean (F), Lotus E21-Renault, 1:34,928 (52) mittel

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