Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Ausstieg Red Bull: Bravo, Formel 1, nur weiter so!

Kolumne von Mathias Brunner
Rote Flagge für den Sport: Die Formel 1 steckt in tiefer Krise, und alle schauen nur zu

Rote Flagge für den Sport: Die Formel 1 steckt in tiefer Krise, und alle schauen nur zu

​Im Fahrerlager von Sotschi überschlagen sich die Gerüchte, aber an der Ausgangslage ändert sich nichts: Red Bull steht für 2016 ohne Motoren da, ein Ausstieg wird immer wahrscheinlicher.

Fast im Stundentakt werden im Fahrerlager von Sotschi neue Gerüchte feilgeboten. Hier eine kleine Auswahl:

Toro Rosso habe eine Motorenofferte von Ferrari für kommende Saison, allerdings handle es sich um 2015er Aggregate.

Red Bull Racing bleibe nun doch bei Renault.

Nein, Red Bull Racing werde von Renault übernommen, weil das für die Franzosen eher ein Abkürzung zum Erfolg sei als Lotus zu kaufen.

Mercedes-Chef Dieter Zetsche interveniere auf höchster Ebene, überstimme Mercedes-Rennchef Toto Wolff und vermittle Motoren für Red Bull Racing – um die Formel 1 davor zu bewahren, Red Bull und damit auf einen Schlag vier Autos zu verlieren.

Optimisten verbreiten: Bernie Ecclestone stelle die Weichen, und alles werde gut.

Pessimisten verbreiten: Red Bull steige aus der Formel 1 aus, und Renault kaufe auch nicht Lotus, womit dem Sport sechs Autos verloren gingen. Damit hätten wir 2016 ein Feld aus 16 Rennwagen, was den Einsatz dritter Autos erfordern würde.

Keine Sorge, lieber Leser, es geht noch wahnwitziger: Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner übernehme wie Ross Brawn damals den Rennstall. Was die Gerüchtespinner dabei leider vergessen: Honda übergab seinen Werksrennstall Ende 2008 für ein symbolisches Pfund an Ross Brawn und finanzierte das Jahr 2009 mit einem dreifachen Millionenbetrag. Das ist ein Szenario, das sich kaum wiederholen wird.

Jetzt einmal tief durchatmen und Ruhe bewahren!

Fakt ist: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz hat klipp und klar gesagt – ohne konkurrenzfähige Motoren macht ein Formel-1-Engagement keinen Sinn mehr.

Fakt ist auch: Wenn Red Bull geht, dann mit beiden Teams. Wieso sollte man Toro Rosso als Ausbildungsstätte grosser Talente wie Vettel, Ricciardo, Verstappen und Sainz behalten? Um diese Rohdiamanten für gegnerische Top-Teams auszubilden?

Fakt ist ferner: Allem Gerede im Fahrerlager zum Trotz gibt es derzeit keine Motoren für Toro Rosso und Red Bull Racing.

Fakt ist auch: Allen Gerüchten zum Trotz hat Dietrich Mateschitz wiederholt betont, dass es keine Option sei, einen eigenen Motor zu bauen.

Fakt ist schliesslich: Natürlich kann man Red Bull vorwerfen, ein schlechter Verlierer zu sein, und von Dietrich Mateschitz verlangen, eine Durststrecke müsse man eben aussitzen. Das hätten Rennställe wie McLaren und Williams früher auch getan. Aber wieso sollte der erfolgreiche Unternehmer das tun? Der entscheidende Unterschied zwischen Red Bull und Williams ist eben, dass der Rennwagenbau für Williams das Kerngeschäft ist. Für Red Bull besteht das Kerngeschäft darin, Energy-Drinks zu verkaufen.

Wer voller Hoffnung glaubt, dass Red Bull Racing in der Not mit Renault weitermache, der verkennt: Die Franzosen haben einen beträchtlichen Rückstand auf Mercedes und Ferrari. Wieso sollte Red Bull mit Renault brechen, um dann einen Rückzieher zu machen? Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner meinte vor kurzem, es könnte zwei bis drei Jahre dauern, bis Renault auf dem Niveau von Mercedes und Ferrari sei. Der Vertrag wurde aus gutem Grund gekündigt.

Horner sagt Freitagmorgen in Sotschi: «Es gibt viele Gespräche, aber es gibt nichts Handfestes. Stand ist noch immer, dass wir für nächstes Jahr keine Motoren haben.»

Sky-Formel-1-Experte Martin Brundle: «Red Bull hat nur noch eine Möglichkeit – entweder man rauft sich wieder mit Renault zusammen oder man geht.»

Formel 1: Das System versagt auf ganzer Linie

Das Übel bei der verfahrenen Motorensituation gründet im Schritt der Formel 1 in die neue Turbo-Ära.

Für diesen Schritt zur Saison 2014 hin hatten sich die Autohersteller Renault und Mercedes stark gemacht – um mit Hybridtechnik mehr Serienrelevanz zu zeigen.

FIA-Präsident Jean Todt fand es ebenfalls prima, der Formel 1 einen grünen Anstrich zu geben. Leider versäumte es der Automobilverband, den Motorenherstellern bezahlbare Triebwerkspreise vorzuschreiben. Die Folge: Viele kleinere Rennställe sind entweder kollabiert (Caterham, Marussia) oder am balancieren am Rande des Abgrunds (Sauber, Lotus).

Mercedes machte dann die Hausaufgaben besser als alle anderen, daher die Dominanz heute. Renault hat den Schritt in die Turbo-Ära verschlafen. Das birgt eine gewisse Ironie, schliesslich machten sich die Franzosen am lautesten für eine neue Motorgeneration stark.

Seither wirken die Mächtigen im Sport mut- und ratlos.

Wo bleibt denn in dieser Krisensituation FIA-Präsident Jean Todt?

Bernie Ecclestone gibt vor, er könne niemanden zwingen, jemand anders mit Motoren zu beliefern. Viele im Fahrerlager sehen das als Bankrotterklärung des Formel-1-Baumeisters: Früher, so meinen sie, hätte ein paar Anrufe des englischen Zirkusdirektoren genügt, und alle wären stramm gestanden.

Heute, so macht es den Anschein, als bestimmten letztlich Mercedes und Ferrari darüber, ob Red Bull Racing und Toro Rosso 2016 noch in der Formel 1 vertreten sind; wer aktuelle und wer Vorjahresmotoren erhält.

Soll so vielleicht eine gesunde Königsklasse funktionieren?

Verschwörungstheoretiker wittern zynisch: Das anhaltende Schlechtreden des eigenen Sports und die scheinbare Machtlosigkeit in der Motorenkrise, das habe bei Bernie Ecclestone alles System. Denn er versuche, wieder die Mehrheitsanteile am Sport zu übernehmen, da komme es ihm durchaus entgegen, wenn eine Formel 1 in der Krise an Wert verliere.

Bei Ferrari und Mercedes wird intern argumentiert: Warum Red Bull Racing mit gleichwertigen Motoren ausrüsten, um dann von RBR geschlagen zu werden? Da rüstet Mercedes lieber die tapfere kleine Manor-Marussia-Truppe um. Formel-1-Star Fernando Alonso spottet: «Man könnte denen ein Düsentriebwerk geben, sie würden noch immer hinterherfahren.»

Der Eindruck beim Fan ist ernüchternd: Jeder in der Formel 1 denkt primär nur an sich selber, bis zum bitteren Ende. An das grössere Bild, an das Wohl des Sports denkt keiner.

Ist es den Verantwortlichen egal, dass sich langjährige Formel-1-Anhänger vor diesem Hintergrund vom Sport abwenden?

Durchaus denkbar, dass bei einigen Teams die Denke ist: Fallen einige Rennställe weg, haben wir nicht nur weniger Gegner auf der Bahn, es kommt auch mehr Geld in den Preisgeldtopf, das neu verteilt wird.

Aber was sind Siege von Mercedes oder Ferrari denn noch wert, wenn sie gegen die Sauber und Manor dieser Welt errungen werden?

Es ist wirklich traurig: Gier und Selbstsucht richten den Sport zugrunde, und alle schauen nur zu.

Bravo, Formel 1, nur weiter so!

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