Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Mercedes-Technik: Mehr Daten als bei NASA-Missionen!

Von Rob La Salle
Lewis Hamilton und Toto Wolff beim Datenstudium

Lewis Hamilton und Toto Wolff beim Datenstudium

​Die Datenerfassung bei einem modernen GP-Renner wie derm Silberpfeil ist atemraubend: Alleine die Sensoren am Unterboden senden mehr Daten als die bei einer Apollo-Mondmission der NASA.

Die Datenerfassung wird in der Formel 1 nur selten thematisiert, dabei tragen die Daten einen riesigen Teil zur Entwicklung und dem Einsatz von modernen Formel-1-Autos bei.

Vor 30 Jahren steckte die Datenerfassung im GP-Sport noch in den Kinderschuhen. Der erste Datenrekorder hatte damals gerade einmal acht Kanäle und konnte nur eine einzige Runde mit niedriger Datenrate aufzeichnen. Ein Datentransfer war nur für wenige Sekunden möglich.

Deshalb versuchten die Teams, bei jeder Vorbeifahrt an der Boxenmauer so viele Daten wie möglich zu sammeln. Heutzutage befinden sich hunderte von Sensoren an der Antriebseinheit, dem Getriebe, der Aufhängung und der Verkleidung. Sie senden auf tausenden von Kanälen und zeichnen eine komplette Runde auf nahezu allen Strecken im Rennkalender auf. Das Gesamtverständnis, welches das Team vom Auto erhält, hat sich vertausendfacht. Zum Vergleich: Die Datenrate, die das Team heutzutage alleine von Messsensoren an einem kleinen Bereich des Unterbodens empfängt, ist zehnmal grösser als bei den Apollo-Weltraummissionen!

In der Vergangenheit haben die Teams zwischen den Rennen zwei oder drei Testtage absolviert. Aktuell sind nur acht Testtage vor dem Saisonstart und vier während der Saison erlaubt. Das zwingt die Teams dazu, die Rennwochenenden für ihre Entwicklungsprogramme zu nutzen. Die Zeit auf der Rennstrecke wird jetzt nicht mehr nur dazu genutzt, um bei diesem Rennen das Beste aus dem Auto herauszuholen. Stattdessen gilt die Aufmerksamkeit auch zukünftigen Weiterentwicklungen.

Ein Grossteil der modernen Formel-1-Entwicklung wird durch Simulationen vorangetrieben. Die Teams modellieren das Auto in der virtuellen Welt und erstellen erst danach physische Teile oder Systeme. Um jedoch effektiv zu sein, müssen diese Werkzeuge so nah wie möglich an der Realität dran sein. Der einzige Weg, um diese Modelle exakt zu kalibrieren, sind echte Daten von der Rennstrecke. Aber wie geht das?

Einige Daten werden mittels eines Hochfrequenz-Telemetriesystems in Echtzeit gesendet. Dieses System übermittelt die Daten aus dem fahrenden Auto an die Box. Es sind allerdings viel mehr Daten vorhanden, als über diesen Weg übermittelt werden können. Die restlichen Daten werden traditionell mittels einer Kabelverbindung heruntergeladen, sobald das Auto zurück an der Box ist.

Der grösste spürbare Vorteil ist das Verstehen der Reifen durch ein Infrarot-Kamerasystem. Genau genommen ist es die Geschwindigkeit, mit welcher diese Informationen verarbeitet werden können. Früher sah es so aus: Sobald das Auto an die Box kam, musste das Team die Kameras anschliessen und binnen weniger Sekunden so viele Daten wie möglich herunterladen. Dann ging das Auto schon wieder auf die Strecke. Es war einfach nicht genügend Zeit, um den kompletten Datensatz während einer Session herunterzuladen. Damit verlor das Team den Vorteil einer Echtzeitübermittlung der Daten. Die Technologie von Mercedes-Partner Qualcomm erlaubt es dem Team, diese Informationen viel schneller auszulesen. So lange das Auto rückwärts in die Box geschoben wird, haben die Ingenieure die Informationen bereits kabellos empfangen.

Ebenso ist es möglich, die Informationen auszulesen und mittels des Telemetriesystems live an die Box zu streamen. So können die Ingenieure sehen, was der Fahrer in einer Kurve macht, noch bevor er die nächste überhaupt erreicht hat. Dank dieser Informationen befindet sich das Team in einer besseren Position, um die Fahrzeugabstimmung zu optimieren. Auch kann es den Fahrer zu Beginn jedes Laufs mit mehr Informationen versorgen. Dadurch muss der Pilot die Fahrzeugbalance während einer Runde weniger häufig verstellen. So kann er sich mehr darauf konzentrieren, alles aus dem Auto herauszuholen.

Der Rennstall leistet dabei auch einen Beitrag zum für die Hersteller wichtigen Thema Serienrelevanz: Seit vielen Jahren halten immer mehr Technologien in Pkw Einzug, die in der Formel 1 entwickelt wurden. In der Ära der neuen Hybrid-Antriebseinheiten hat dieser Technologietransfer einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Formel 1 setzt die Massstäbe für das Effizienzpotenzial eines Antriebs, dessen Basis ein Verbrennungsmotor darstellt. Die Formel 1 ist auf Daten angewiesen, um die Performance zu analysieren und Probleme zu diagnostizieren. Diese Entwicklung wird sich auch auf den alltäglichen Straßenverkehr ausweiten.

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