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Kanada-GP in Montreal: Rekorde, Kuriositäten, Dramen

Kolumne von Mathias Brunner
​Der Grosse Preis von Kanada auf dem «Circuit Gilles Villeneuve» von Montreal erfreut sich unter Piloten und Fans gröster Beliebtheit – das liegt auch an den Kuriositäten dieser ungewöhnlichen Rennstrecke.

Wenn die Formel-1-Piloten jeweils gebeten werden, ihre Favoriten unter den GP-Austragungsorten zu nennen, dann ist alles mit M ein sicherer Wert: Melbourne, Monza, Monte Carlo – und Montreal. Warum die Fahrer den Boxenstopp in der kanadischen Metropole so schätzen, steht in unserer kurzen Liste von Rekorden, Kuriositäten und Dramen.

Die künstliche Insel Île Notre-Dame im Sankt-Lorenz-Strom wurde zur Weltausstellung «Expo 67» in Montreal aufgeschüttet. Heute bilden einige Bauten des damaligen Ausstellungsgeländes eine unvergleichliche Kulisse fürs Autorennen – wie die Kugel der US-amerikanischen Biosphäre oder der ehemalige französische Pavillon, der heute als Spielcasino dient. Markant auch die architektonisch mutige Betonwürfelsammlung der Siedlung Habitat 67. Und woher stammte das Material, um die künstliche Insel zu erzeugen? Von den Tunnelarbeiten für die U-Bahn von Montreal.

Montreal ist eine von nur drei GP-Strecken im gegenwärtigen, 21 Rennen reichen WM-Kalender, die nach einem Formel-1-Piloten benannt sind: 1983 erhielt der zuvor Circuit Île Notre-Dame genannte Kurs den Namen des 1982 tödlich verunglückten Ferrari-Stars Gilles Villeneuve; die Rennstrecke von Interlagos (Brasilien) ist nach Carlos Pace benannt, das Autódromo Hermanos Rodríguez bezieht sich auf die mexikanischen Rennbrüder Pedro und Ricardo Rodríguez.

Kanada darf sich «längstes Rennen in der WM-Historie» nennen – der Grand Prix 2011 dauerte offiziell 4 Stunden, 4 Minuten sowie 39,537 Sekunden. Zwischendurch musste das Rennen wegen heftiger Niederschläge unterbrochen werden, die Uhr lief aber weiter. Als Folge wurde das Formel-1-Sportgesetz angepasst – vier Stunden gelten nun als maximale Zeit bei mit roter Flagge neutralisiertem Grand Prix.

Die Mauer in Fahrtrichtung rechts eingangs Start/Ziel wird ironischerweise «Wall of Champions» genannt. Grund: Beim Versuch, diese Rechts-Links möglichst schnell zu meistern, landeten die Weltmeister Michael Schumacher, Damon Hill und Jacques Villeneuve 1999 alle unsanft im Beton – um nur einige Opfer dieser tückischen Stelle zu nennen. Die Fahrer schätzen die Herausforderung Montreal, denn wie in Monaco werden Fehler oft sogleich bestraft. Und damit hängt auch der folgende Punkt zusammen.

Safety-Car-Phasen sind in Montreal sehr wahrscheinlich: Nur in Singapur, Monaco und Brasilien kommt der Erfahrung zufolge Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer auf mehr Einsätze, das Regenrennen von 2011 bedeutete für den Deutschen sogar, dass er gleich sechs Mal auf die Bahn musste, auch dies ein Rekord.

Die üblichen Bewohner des Rennstreckengeländes sind vom Rennen nicht immer angetan – Murmeltiere. Die putzigen Fellknäuel haben schon so manchem GP-Ass eine Schrecksekunde beschert.

So beliebt Rennstrecke und Stadt sind, so gab es auch schwarze Stunden: 1982 starb hier der junge Italiener Riccardo Paletti – er war mit seinem Osella beim Start Pole-Mann Didier Pironi ins Heck gerast und erlitt schwerste innere Verletzungen. 2013 wurde der Streckenposten Mark Robinson (38) nach dem Rennen von einem Kranwagen überrollt.

Zwei überdurchschnittlich talentierte GP-Piloten, die jedoch in ihrer Karriere nur einen Grand Prix gewinnen konnten, eroberten diesen Erfolg in Montreal: Jean Alesi mit Ferrari 1995 sowie Robert Kubica mit BMW-Sauber 2008.

Sechs Fahrer konnten in Montreal ihren ersten Grand Prix gewinnen: Gilles Villeneuve 1978, Thierry Boutsen 1989, Jean Alesi 1995, Lewis Hamilton 2007, Robert Kubica 2008 sowie Daniel Ricciardo 2014.

2001 bescherte der Kanada-GP dem Formel-1-Sport etwas ganz Neues: Doppelsieg eines Bruderpaars – Ralf Schumacher im Williams-BMW vor Michael Schumacher im Ferrari.

Die kanadische Rennstrecke ist die einzige Formel-1-Bahn, auf welcher offiziell ein Gruss an einen Piloten auf die Bahn gepinselt steht: «Salut Gilles» bei Start und Ziel bezieht sich natürlich auf Gilles Villeneuve.

Die Rennpremiere 1978 endete mit dem ersten GP-Sieg von Gilles Villeneuve, und dies beim wohl kältesten Grand Prix der WM-Historie: Je nach Nachschlagewerk betrug die Höchsttemperatur nur vier oder fünf Grad.

Montreal ist die einzige Rennstrecke mit eigenem Ruderbecken, anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1976 angelegt. Die Formel-1-Truppe nutzt das Becken noch heute – um in einer ruhigen Minute die Angel ins Wasser zu halten.

1987 guckten die Fans in die Röhre: Das Rennen musste aus einem skurrilen Grund abgesagt werden – die beiden Brauereikonzerne Labatt und Molson stritten sich um das Sponsoring. Die Organisatoren, nicht dumm, nutzten den Ausfall, um die Boxenanlage von einem Ende des Olympischen Ruderbeckens ans andere zu verlegen. 2016 soll das aus Platzgründen teilweise ins Ruderbecken hinaus gebaute Fahrerlager endlich vergrössert werden, auch neue Boxen sind geplant.

Die Geschwindigkeitsunterschiede auf dem Circuit Gilles Villeneuve sind beträchtlich: In der Haarnadel sind die Rennwagen weniger als 60 km/h schnell, auf der Geraden hin zur letzten Schikane vor Start und Ziel hingegen wird eine Höchstgeschwindigkeit von fast 340 km/h erreicht.

Nur auf fünf GP-Rennstrecken sind mehr Formel-1-WM-Läufe ausgetragen worden als in Montreal, wo zum 37. Mal gefahren wird: In Monza (65 WM-Läufe), Monaco (63), Silverstone (49), Spa-Francorchamps (48) sowie auf dem Nürburgring (40).

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