Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Jochen Rindt: Ein Mann wie eine Naturgewalt

Von Mathias Brunner
Nur wenige Rennfahrer faszinieren die Fans so lange über ihren Tod hinaus wie Jochen Rindt: Der in Mainz geborene Österreicher war eine schillernde Figur, wie das Buch von Dr. Erich Glavitza vertieft.

Am 5. September 1970 verlor die Formel 1 ihren damals wohl schnellsten Piloten, den in Deutschland geborenen und in Österreich aufgewachsenen Jochen Rindt. Nicht einmal seine überirdischen Reflexe konnten ihn retten, als am Lotus 72 bei der Anfahrt zur Parabolica-Kurve von Monza die Halbwelle brach.

Nach dem Grossen Preis der USA Anfang Oktober 1970 in Watkins Glen stand fest: Auch Ferrari-Star Jacky Ickx würde Rindt in der WM nicht mehr überholen können – Jochen wurde bis heute zum einzigen Formel-1-Fahrer, der posthum zum Weltmeister erklärt wurde.

Dr. Erich Glavitza – Journalist, Autor, Renn- und Stuntfahrer und obendrein promovierter Philosoph – geht der Faszination für diesen aussergewöhnlichen, facettenreichen Mann nach. Wir begleiten Jochen Rindt durch eine wohlbehütete Kindheit bei den Grosseltern, nachdem er seine Eltern im Krieg verloren hatte. Wir sitzen gewissermassen auf dem Beifahrersitz beim Aufstieg von Rindt im Tourenwagen, wir bleiben hautnah dran, als Jochen seine Berufung im Einsitzer erkennt.

Alles war ihm in die Wege gelegt worden für eine grosse Karriere: Unfassbare Reflexe, Geradlinigkeit, Willenskraft, inneres Feuer, eine gute Nase für die Ideallinie auf der Rennstrecke und im Geschäftsleben, Selbstsicherheit, die oberflächlich als Arroganz missverstanden werden konnte, doch bei Freunden zeigte sich dieser bemerkenswerte Mann auch von seiner verletztlichen Seite, sich immer wieder hinterfragend. Jochen Rindt gehörte zu jenen Piloten, die ein mittelmässiges Auto zum Sieg fahren konnten. Ein Mann wie eine Naturgewalt.

Glavitza erzählt packend vom rasante Aufstieg, von Bergrennen auf die Rundstrecke, zunächst im Formel Junior, dann schon im Formel-2-Auto und schliesslich in der Königsklasse. In der Formel 1 galt Jochen Rindt sofort als sauschnell, aber zunächst auch als ungestüm und etwas glücklos. Sein grösser Erfolg in frühen Jahren: Triumph in Le Mans 1965, an der Seite von Masten Gregory für das North American Racing Team (NART), in einem Ferrari 275 LM.

Vielleicht gründete das Charisma von Jochen Rindt nicht zuletzt in der Tatsache, dass er die Fans mit auf die Strecke nehmen konnte, bei seinen Geschichten aus dem Grenzbereich hingen die Menschen an seinen Lippen.

Es mag wie ein Widerspruch klingen, dass ausgerechnet Jochen Rindt, der Mann scheinbar ohne Angst, zusammen mit seinem Freund Jackie Stewart hartnäckig um mehr Sicherheit auf den Rennstrecken kämpfte. Es mag auch ein Widerspruch sein, dass er den neuen Sicherheitsgurten misstraute und sie nicht komplett schloss. Zahlreiche Weggefährten starben damals im Feuer, jeder Rennfahrer wollte sicher sein, nach einem Unfall möglichst schnell aus dem Wagen zu kommen. Die dramatischen Vorkommnisse Anfang September in Monza werden ausführlich beleuchtet.

Erich Glavitza erzählt die Geschichte eines Extremisten fundiert und einfühlsam, doch ohne Scheu vor Kritik, die immer respektvoll bleibt. Jochen Rindt hat durchaus polarisiert: Wer so seine Ziele so ehrgeizig anstrebt, der eckt an. Wie jeder Spitzenrennfahrer war Jochen Rindt ein Egoist, und Geduld zählte gewiss nicht zu seinen Stärken.

Wir tauchen mit Glavitza ein in einer andere Welt. Die Stars waren nahbar, die Strecken waren mörderisch, der Sport hatte noch eine gewisse Unschuld, die ihm mit zunehmender Kommerzialisierung verloren gegangen ist. Vielleicht hätte Jochen Rindt selber dazu beigetragen, denn mit seinem Freund Bernie Ecclestone hatte er grosse Pläne, was alles aus dieser Formel 1 gemacht werden kann.

«Jochen Rindt – Ikone mit verborgenen Tiefen» bietet stundenlanges Lesevergnügen über eine schillernde Persönlichkeit, mit Geschichten, die einen immer wieder verwundert den Kopf schütteln lassen, mit Vorkommnissen, die in unserer heutigen, politisch korrekten Welt überhaupt kaum noch vorstellbar sind.

Alles an diesem grandiosen Buch überzeugt: Ein mitreissender Text über verblüffende Begebenheiten, ein liebevoll gestaltetes Layout, das den vielen teils noch nie gezeigten Bildern (auch aus dem Archiv des unvergleichlichen Alois Rottensteiner) den gebührenden Rahmen schenkt, ein edles Papier, eine sichtbar aufwändige Produktion – ein toller Wurf von McKlein Publishing, der mit dem «Motorworld Buchpreis 2021» ausgezeichnet wurde, als Biographie des Jahres.

Das Wichtigste in Kürze

Dr. Erich Glavitza: Jochen Rindt – Ikone mit verborgenen Tiefen
Mit Vorworten von Bernie Ecclestone und Uwe Eisleben
Von McKlein Publishing
ISBN: 978-3-947156-26-9
400 Seiten, mehr als 400 Fotos und Grafiken
Zweisprachiger Text (Deutsch, Englisch)
Format 29 x 29 cm
Hardcover im Schuber
Für 99,90 Euro im Fachhandel oder direkt bei www.rallyandracing.com


Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Schon gesehen?

Siehe auch

Kommentare

Dr. Helmut Marko: «Wir wissen, was zu tun ist»

Von Dr. Helmut Marko
Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko blickt in seiner SPEEDWEEK.com-Kolumne auf die Saison zurück und erklärt, wie sich Max Verstappen weiter verbessern konnte. Und er sagt, warum wir uns auf 2025 freuen dürfen.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • So. 22.12., 18:15, Motorvision TV
    King of the Roads
  • So. 22.12., 19:13, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • So. 22.12., 20:30, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • So. 22.12., 20:55, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • So. 22.12., 21:15, Hamburg 1
    car port
  • So. 22.12., 21:20, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
  • Mo. 23.12., 00:00, Eurosport 2
    Motorsport: 24-Stunden-Rennen von Le Mans
  • Mo. 23.12., 01:30, Hamburg 1
    car port
  • Mo. 23.12., 01:45, Motorvision TV
    Car History
  • Mo. 23.12., 03:55, Motorvision TV
    On Tour
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C2212054515 | 9