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Ralf Waldmann: Private Erinnerungen an ein Urgestein

Kolumne von Johannes Orasche
Der ehemalige Eurosport-Kollege Ralf Waldmann sorgte für viele gemeinsame Erlebnisse, die unvergessen bleiben. Private Erinnerungen an einen ganz besonderen Menschen.

Die Nachricht hat uns alle wie ein Keulenschlag getroffen. Im ersten Moment hoffte ich noch verzweifelt auf eine Falschmeldung, ein Missverständnis. Doch wenig später ging es mir wie allen, die diesen Mann persönlich kannten.

Wo soll man bei Waldi eigentlich beginnen? In guter Erinnerung sind mir unsere ersten Begegnungen, als er völlig unprätentiös mit schmutzigen Fingern für seinen Alpha-Technik-BMW-Schützling Markus Reiterberger im Superstock-1000-Cup schraubte. Schon damals haben wir uns im Schatten des Lkw von Reiti über Rundenzeiten unterhalten. Ich ahnte niemals, dass wir fünf, sechs Jahre später gemeinsam die Welt bereisen würden.

Waldi fand sich überall zurecht. Egal, ob zwischen den Fans bei Bier und Würsten auf dem Sachsenring oder bei Edel-Oldtimer-Events, bei denen er für Audi Showfahrten unternahm.

Als sein Name Anfang 2016 bei Eurosport auf den Tisch kam, war ich begeistert und ermutigte alle, den Plan durchzuziehen.

Schliesslich findet man im deutschsprachigen Raum kaum einen Rennfahrer mit mehr Erfolgen, der noch dazu beim Publikum als Kultfigur gilt.

Beim Casting war Waldi noch ein wenig unsicher, aber er fand sich bald sehr gut zurecht und alle waren happy. Ich habe ihn ermutigt, auch vor der Kamera Klartext zu reden. Ein 20-facher GP-Sieger darf das mehr als die meisten. Er hat sich dann in seiner Rolle wirklich wohl gefühlt.

Staunen liess mich Waldi damals über eine typische – nennen wir es – Waldi-Aktion: Unmittelbar nach unserem Casting tauchten im Foyer bei Discovery Channel in München zwei seiner Kumpel auf, denen er fein säuberlich verpackte, von ihm getunte Kreidler-Motorenteile übergab. Für ein paar Momente tauchte er in seine Tüftler-Welt ab. Das Tuning alter Kreidler-Motoren war Waldis grosses Hobby; er galt hier in Insider-Kreisen als Koryphäe.

Waldi war sich auch nie zu schade, im Eurosport-Team die Rolle als Mietwagen-Chauffeur zu übernehmen, wenn mal Not am Mann war.

Vor einem hektischen Rennsonntag hätte ein Mensch wie er frühmorgens auch niemals in der Intact-Hospitality den ersten Kaffee servieren müssen, wenn in unserem Hotel noch keiner zu bekommen war – Waldi tat es sichtlich gerne.

Genauso gerne diskutierten wir oft stundenlang über die Bedeutung des Rennsports in unseren Breiten sowie die Leistungen und Potenziale der deutschsprachigen Fahrer. Auch der Vergleich Folger mit Reiterberger war oft Thema. In Diskussionen über unsere kleinen Problemchen blieb Waldi stets cool. Ich vermute, dass ein Mann wie er, der dem Tod schon mehrfach ins Auge geblickt hatte, über eine ganz andere Stressresistenz verfügt. Einzig bei internen Fußballspielen in der Eurosport-Crew zwischen der deutschen und österreichischen Fraktion vergrub sich Waldi in der Rolle des neutralen Zuschauers.

Besonders amüsant waren seine Erzählungen aus der Zeit als Steuerflüchtling im mondänen Monaco und von Erlebnissen mit Mick Doohan sowie die goldenen Zeiten mit Teamprinzipal Dieter Stappert, den Waldi «Stapps» nannte. Stappert war wie ich Kärntner, vielleicht half mir das.

Auch bei den Erzählungen über Stefan Preins teuren Porsche Anfang der 1990er-Jahre hielten wir uns vor Lachen die Bäuche.

Der Grund: Waldis Vater hielt die ziemlich experimentale schlammgrüne Farbgebung des Geschosses lediglich für die Grundierung des Wagens. Prein und Waldi titulierten sich übrigens gegenseitig als «Busenfreunde». Apropos: Es gab natürlich auch die ein oder andere nicht ganz jugendfreie Story.

Als wir am letzten Abend in Doha 2016 in der Hotelbar über mein Handy per WhatsApp zu seinem alten Rivalen Max Biaggi Kontakt aufnahmen, war Ralf happy und hüpfte euphorisch wie ein kleines Kind. Er speicherte sofort die Nummer, wollte von Max alles wissen und ob dieser verlässlich nach Mugello kommen würde.

Sein verschmitztes Lächeln packte Waldi zum Beispiel auch aus, wenn er sich mit Paddock-Haudegen Carlo Pernat im Vorbeigehen gegenseitig mit Augenzwinkern ein «Grande Mafioso» zurief. Wir lachten auch oft über die legendäre GW-Schlagzeile: «Bettelarmes Team gewinnt EM-Lauf!» und vieles mehr. Sein Spruch über alte HB- und Marlboro-Tage lautete: «Damals floss das Wasser den Berg hoch!»

Lob und Anerkennung taten Waldi nach privat wie beruflich harten Jahren mit seiner Scheidung und der Beendigung seiner Karriere gut, auch wenn er es sich nicht anmerken liess. In Erinnerung bleibt da sein 50. Geburtstag, den er 2016 just am Sachsenring-Wochenende feierte. Seine Partnerin Heike hatte für den Donnerstag eine Überraschungsparty im ADAC-Tower organisiert. Waldi war gerührt und freute sich besonders über die Anwesenheit seines Reiti.

Auch seine Aufnahme in die Liste der MotoGP-Legenden war für ihn etwas Besonderes. Wenn das Video mit seinen GP-Anekdoten in putzigem Englisch über die Dorna-Schirme im Pressecenter flimmerte, war Waldi sichtlich stolz.

Als im Drama rund um Jonas Folger klar war, dass der Deutsche im Oktober 2017 in Übersee nicht fahren würde, fragte Waldi für Markus Reiterberger nochmals per SMS bei seinem alten Freund Hervé Poncharal an. Reiterberger hatte kurz davor den viel beachteten KTM-MotoGP-Test in Aragón absolviert, für den er schon seit Austin bei Mike Leitner gebohrt hatte. Poncharal war damals interessiert an Reiti, erhielt aber von Yamaha andere Vorgaben.

Übrigens: Als ich Poncharal dann anrief, sprach er mich wohl wegen meiner österreichischen Handy-Nummer mit Pit (Beirer) an und beklagte sich kryptisch über träge Entscheidungen der Japaner. Ehe ich Hervé über sein Missverständnis aufklären konnte, schilderte er mir schon voller Begeisterung sein Interesse an einer künftigen Zusammenarbeit mit den Orangen. Als ich ihn endlich aufklären konnte, lachten wir beide und ich versprach ihm später per SMS, es nicht an die grosse Glocke zu hängen. Jetzt ist es ja ohnehin offiziell, also können wir darüber reden.

Zurück zu Waldi, der mit seiner Heike – für ihn war sie stets «Teschi» – auch privat wieder happy war und vor allem die gemeinsamen Auszeiten in warmen Gefilden sehr genoss. Nachdem Terrell Thien Gastronom geworden war, fand auch Waldi wieder Lust daran. Seine ehemaligen Kneipe in Ennepetal stand ja leer.

Sein ganz grosser geheimer Plan war aber ein rein deutsches MotoGP-Team mit Sponsorgeld eines multinationalen Logistik- und Elektronik-Konzerns, zu welchem er bereits Kontakt hielt. Auch auf die exquisite Fahrerpaarung Reiterberger/Bradl hatten wir uns schon längst geeinigt. Doch dann kam leider vieles so ganz anders. Leb wohl, «Grande Waldi!»

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