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Kalex: Zuerst belächelt, jetzt unschlagbar

Von Günther Wiesinger
Zuerst war es nur die Schnapsidee zweier Motorradverrückter, die sich gern auf der Rennstrecke austobten. Inzwischen ist Kalex vom belächelten Aussenseiter zum Moto2-Monopolisten geworden.

Zu Besuch bei Kalex engineering in Bobingen. Der erste Gedanke, wenn man die Räumlichkeiten des derzeit erfolgreichsten deutschen Rennmotorradherstellers betritt: «Small is beautiful.»

Wenn man sich dem Betrieb der Holzer Gruppe nähert, aus dem sich Kalex wie ein «spin off» herausgeschält hat, sucht man vergeblich eine eigene Empfangshalle und eigene Parkplätze oder Hinweisschilder, die zur Kalex-Rennabteilung führen.

Man meldet sich bei Holzer an und stapft dann zuerst durch die Fertigungshallen von Holzer Motorsport, wo ein Opel Adam nach dem andern für den Rallye-Cup startklar gemacht wird. In einer entlegenen Ecke steht noch ein DTM-Opel, denn Holzer hat einst nicht nur für Opel die Rallye-DM-Einsätze absolviert, sondern auch die DTM-Werksautos aufgebaut. Auch für das in Köln ansässig gewesene Toyota-Formel-1-Team wurden viele Entwicklungsaufträge abgewickelt.

Auch die Luftfahrt gehört zu den Geschäftsfeldern von Holzer. Die Holzer-Brüder haben einst selbst Rallyes bestritten. Günther Holzer war auch auf zwei Rädern erfolgreich – 1972 gewann er die deutsche Enduro-Meisterschaft auf Hercules.

Noch heute treibt der 62-jährige Günther Holzer bei winterlichen Enduro-Trainings mit «Bike Promotion» im Süden Spanien sein Unwesen, auch wenn es inzwischen etwas gemächlicher zugeht.

Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn waren bei Holzer in der Automobilbranche beschäftigt, ihr Herz schlug aber für den Motorradsport.

Mit einem Satz: Es hatten sich hinter den Kulissen einer Automobil-Engineeringfirma ein paar Motorradverrückte zusammengefunden.

Denn auch Klaus Hirsekorn hat eine rennsportliche Motorrad-Vergangenheit. Er war im OMK-Pokal unterwegs. Alex Baumgärtel nahm ebenfalls an Motorradrennen teil. «Ich bin früher im Motocross-OMK-Pokal auf Amateur-Ebene gefahren», schildert der Kalex-Designer.

Auch heute hat er fünf Meter neben seinem Büro noch eine Honda CBR 600RR im Supersport-Renntrimm stehen, die Startnummer 25 ist ein Hinweis auf den Geburtstag – 25. März. Auch zwei neue Trial-Bikes stehen dort rum. «Bisher sind wir nicht zum Fahren gekommen.»

«Wir sind letztes Jahr auch auf der Rennstrecke in Aragón gefahren. Da haben wir uns ordentlich gematcht. Auch Michael Thier und unser Ex-Schweisser Lukas waren dabei. Sie sind inzwischen schneller als ich», räumt Hirsekorn ein.

Wir nehmen Platz im gemeinsamen Büro von Klaus Hirsekorn und Alex Baumgärtel, der an diesem Freitag wegen einer hartnäckigen Grippe darnieder liegt.

«Als wir hier in dieses Büro eingezogen sind, hat Alex gesagt, er wird hier nicht rauchen», erinnert sich Hirsekorn. «Nach 20 Minuten hat er sich die erste Kippe reingezogen.»

Von den Büros und anderen Kalex-Räumlichkeiten, die alle im hinteren Winkel der Holzer-Halle angeordnet sind, geniesst man einen Blick auf die Fertigungshalle von Holzer, wo die Opel Adam Rallye-tauglich gemacht werden.

Alex Baumgärtel war zu Opels DTM-Zeiten 2000 bis 2005 als Fahrwerks-Ingenieur tätig, Klaus kümmerte sich um die Antriebsstränge und war in einer weiteren Funktion dafür verantwortlich, «dass die Rennautos zum richtigen Zeitpunkt aus der Halle rollten».

1997 begann die Zusammenarbeit bei Holzer, damals wurde die ersten Öltanks und Kühler gefertigt. Hirsekorn hat dann beim Aufbau der Fertigung federführend mitgewirkt. «Ich hatte quasi drei Jobs gleichzeitig. Weil das Geld knapp war, habe ich die 15 km von meinem Wohnort im Sommer und Winter mit meinem Fahrrad nach Bobingen zurückgelegt. Manchmal fuhr ich um 2 Uhr nachts heim und um 6 Uhr daheim wieder los. Es ist auch vorgekommen, dass ich dann in der Finsternis mal auf dem Glatteis gestürzt bin.»

Irgendwann wurde der Arbeitsaufwand unerträglich. «Als ich Schwungräder für Sachs gebaut habe, habe ich ein Burn-out erwischt. Es kam manchmal zu Erosionen; die Qualitätskontrolle von Sachs war unerbittlich.»

Was bisher niemand ausserhalb der Kalex-Werkhallen wusste: Die Chassis und Schwingen werden vorwiegend von einer Frau geschweisst – von Sylvia Kugler. «Wir begleiten viele Fahrer, die Koriphäen sind und haben auch hier in der Firma welche», stellt Hirsekorn mit sichtlichem Stolz fest. «Sylvia ist unsere beste Schweisserin. Früher konnte ich selbst noch beim Schweissen helfen. Jetzt beschränke ich mich darauf, beschädigte Rahmen an der Rennstrecke zu reparieren.»

Der hartnäckige Motorrad-Virus

Die Nachtschichten sind seltener geworden, aber in der heissen Phase vor den ersten November-Tests haben Baumgärtel und Hirsekorn wie üblich 7-Tagen-Wochen hinter sich gebracht.

Das Geldverdienen stand nie im Vordergrund. In den ersten Moto2-Jahren haben sich die beiden Kalex-Chefs nur 3000 Euro im Monat ausbezahlt.

Doch der Erfolg (drei Marken-WM-Titel von 2013 bis 2015, dazu 52 Moto2-Siege, drei Moto3-GP-Siege) verleiht viel Energie, an Enthusiasmus hat es ohnedies nie gemangelt.

Trotzdem sehnt sich Hirsekorn manchmal nach einer gemütlichen Aufgabe. «Ich hätte einmal bei Opel Irmscher Crew-Chief und Werkstattleiter von Ronnie Melkus werden können. Manchmal frage ich mich, ob ich vielleicht dieses Angebot annehmen hätte sollen.»

Aber der Motorrad-Virus erwies sich als hartnäckig. Es fand sich kein wirksames Gegenmttel – er gewann die Oberhand.

Die Idee zum Motorradbau entstand bereits 1999. Da rückten Baumgärtel und Hirsekorn auf dem Sachsenring gemeinsam bei einem Racing for-Fun-Event aus. Baumgärtel vertraute auf ein rares und eher unsportliches französisches Voxan-V2-Motorrad mit 996-ccm-Motor.

«Ich habe dem Alex gleich gesagt, dieses Motorrad passt eher in die Landwirtschaft, das hat auf der Rennstrecke nichts verloren», erinnert sich Hirsekorn. «Da brauchen wir etwas Sportliches. Klaus hat entgegnet, er wolle schon lange ein eigenes Motorrad bauen. Das passt gut zu meinen Vorstellungen. Ich habe gesagt: Wenn du dich um die Konstruktion und die CAD-Entwürfe kümmerst, mache ich den Rest. So haben wir dann die AV1 mit dem Rotax-V2-Motor, dem Stahlrohrrahmen und der Aluschwinge gebaut.»

A stand für Anfang, V für den V-Motor, 1 für erste Version.

«Bei diesem Projekt haben wir unsere ersten Lehrstunden im Motorradbau gezogen», blickt Hirsekorn zurück.

Als sich Opel Ende 2005 aus der DTM zurückzog und es bei Holzer Motorsport vorübergehend etwas ruhiger wurde, entstand diese AV1, die dann von Damian Cudlin gestestet und bei einzelnen «Battle of Twins»-Rennen in Assen und Schleiz eingesetzt wurde.
Die Rückmeldungen von Cudlin waren ermutigend.

Als ungefähr zu dieser Zeit in der Motorrad-Weltmeisterschaft das Thema Moto2-WM mit dem neuen Konzept als Nachfolge der 250er-WM diskutiert wurde, wurden Baumgärtel und Hirsekorn hellhörig.

«Wir waren uns einig, dieses Konzept würde tipp-topp zu uns passen», erzählt Klaus Hirsekorn.

Aber wie sollte so ein Projekt von zwei angestellten Technikern finanziell geschaukelt werden? Stefan Kiefer kündigte an, man könne sich mit 20.000 Euro beteiligen, Dietmar Franzen (er betrieb ein IDM-Supersport-Team mit Arne Tode) wollte 10.000 Euro beisteuern.

Aber mit solchen Summen war kein Staat zu machen. Schliesslich würde man es in der Moto2-WM mit renommierten Herstellern wie FTR, Moriwaki, Suter und Bimota zu tun bekommen. Auch Aprilia plante zuerst noch einen Moto2-Werkseinsatz.

Schliesslich beteiligte sich Holzer an dem Kalex-Projekt. Die neue Moto2-Abteilung bekam ausreichende Räumlichkeiten zugewiesen, es konnte und kann bis heute die gesamte Infrastruktur von Holzer genützt werden. Man schätzt und respektiert sich.

Günther Holzer schoss auch mal zusätzlich Geld zu, wenn es eng wurde. Aber was 2010 mit den beiden Pons-Kalex-Fahrern Sergio Gadea (Platz 2 in Mugello) und Axel Pons bescheiden begann und 2011 durch den Titelgewinn von Stefan Bradl gehörig Fahrt aufnahm, wurde bald zu einer beispielhaften Erfolgsstory.

Als wir unser Projekt 2009 beim Le-Mans-GP den Teams vorgestellt haben, hat uns niemand ernst genommen», erzählt Hirsekorn. «Man sah in erster Linie unsere Automobil-Vergangenheit. Dabei hatten wir bereits eine fertige Computer-Zeichnung, also eine fertige Konstruktion. Sito Pons kam dann mit seinem Cheftechniker Santi Mulero nach Bobingen. Sie waren beeindruckt von unseren Plänen und unserer Infrastruktur. Sie hatten vorher in der 250er-WM schon mit Chassis-Hersteller JJ-Cobas auf ähnliche Art und Weise zusammengearbeitet. Sie haben aber auch ihr Bimota-Angebot für 2010 mitgebracht. Da mussten wir finanziell noch einmal ganz schön die Hosen runterlassen, um ins Geschäft zu kommen.»

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