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Klaus Hirsekorn (Kalex): Totalschäden und Champions

Von Günther Wiesinger
Die Moto2-WM 2016 stellt für den deutschen Motorradhersteller Kalex eine besondere Herausforderung dar. 26 der 31 Stammfahrer werden mit Bikes aus Bobingen beliefert.

Die deutsche Firma Kalex engineering aus Bobingen steht vor der nächsten grossen Bewährungsprobe: Nicht weniger als 26 WM-Fahrer werden für die Moto2-Weltmeisterschaft 2016 mit Material beliefert.

Kein Wunder, wenn es in der Kalex-Werkstätte bei Holzer Motorsport im Industriegebiet von Bobingen in den letzten Tagen stressig wurde.

«Ich bin froh, wenn ich mich mit Kai Reichenberger in den Mercedes Sprinter setzen und zum ersten IRTA-Test nach Jerez fahren kann», erklärte Kalex-Teilhaber Klaus Hirsekorn im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Dann kommen mal 24 Stunden lang keine telefonischen Bestellungen rein, ich lese keine E-Mails, wir können entspannen.»

Die rund 2800 km werden aber nicht nonstopp gefahren. «In Barcelona machen wir immer eine Pause.»

Der Sprinter ist vollgeladen mit Ersatzteilen, mit Chassis, Schwingen, Verkleidungen, Kabelbäumen, Kleinteilen und so weiter. Ebenfalls mit im Gepäck: Die neuen Merchandising-Produkte von Kalex, zum Beispiel warme Jacken und Wintermützen, sie werden bei den Frühjahrstests oft bitter benötigt. Nicht nur die Kalex-Konkurrenz muss sich warm anziehen.

Viele Ersatzteile wurden von den Rennställen in letzter Minute geordert. Das Technomag-Team hat zum Beispiel kurz vor der Abfahrt noch einen Kabelbaum bestellt für den Jerez-Test vom 2. bis 4. März.

Manche Teams haben der Kalex-Truppe nach den Februar-Tests auch sturzbeschädigte Chassis zur Reparatur und zum Vermessen mit nach Deutschland mitgegeben, die jetzt teilweise wieder ausgeliefert werden.

Das Chassis von Miguel Oliveiras Kapitalcrash in Jerez vor zwei Wochen war freilich nicht mehr zu retten. Hirsekorn über den Totalschaden: «Da hat es den Motor unten aus dem Rahmen gerissen...»

So ein Rückschlag stellt für ein Team wie Leopard-Kiefer bei der Teilebestellung- und Lagerung so kurz vor dem Saisonstart eine logistische Herausforderung dar, zumal jetzt in kurzer Zeit die zwei IRTA-Tests in Jerez und Katar und dann drei Übersee-Rennen auf dem Programm stehen.

Manche Teams kümmern sich freilich weniger um die Frage, ob vielleicht ein Chassis krumm ist oder nicht. Als Forward 2014 im Februar überhastet von FTR auf Kalex umstieg und damals das Material von Blusens BQR Racing aufkaufte, kamen sie in den Besitz eines Rahmens, der 2012 schon bei Kiefer unter Max Neukirchner im Einsatz war und nicht weniger als 23 Stürze hinter sich hatte. Mattia Pasini setzte ihn in der WM 2014 ein.

Und wenn manche Teams und Fahrer über minimale Details fachsimpeln oder über die Vorzüge der 2016- gegenüber den 2015-Chassis, dann erinnert sich Klaus Hirsekorn gern an den Mugello-GP 2011.

«Damals ist Randy Krummenacher im Warm-up schwer gestürzt. Das Grand Prix Team Switzerland hat alles repariert, nur für die Kontrolle des Chassis reichte die kurze Zeit bis zum Rennstart nicht aus», erinnert sich Hirsekorn. «Wir haben dann das Chassis mit nach Deutschland genommen. Alex Baumgärtel fiel auf, dass sich die Schwinge sehr schwer ins Chassis einfädeln liess. Er meinte, da müssen wir uns für die Zukunft eine bessere Lösung einfallen lassen. Als wir nachher daheim alles vermessen haben, hat sich herausgestellt, dass der Rahmen zum Lenkkopf um 4 Grad krumm war. Als wir Randy dann fragten, ob er im Rennen nichts gemerkt habe, hat er geantwortet: 'Es war schon komisch zu fahren. Aber ich habe halt gepusht.' Er ist im Rennen 13. geworden... Es gibt halt feinfühlige Fahrer und weniger feinfühlige.»

Im Vorjahr waren Fahrer wie Johann Zarco, Xavier Siméon und Tom Lüthi mit 2014-Kalex unterwegs, weil ihre Teams neue Kalex-Kunden waren und die 2015-Bikes den treuen Kunden wie Pons, Marc VDS und Italtrans vorbehalten blieben. Die drei erwähnten Moto2-Fahrer haben den Weltmeistertitel und neun von 18 Rennen gewonnen. Das zeigt: Bei der Chassis-Entwicklung werden heute keine Riesenfortschritte mehr erzielt.

«Quantensprünge passieren keine mehr», ist sich Klaus Hirsekorn bewusst. «Manchmal erzielen wir Verbesserungen. Aber die Luft wird dünner. Und es gibt Fahrer wie Mika Kallio, die trauern sowieso immer dem alten, bewährten Material nach. Erst wenn die Konkurrenz mit den neuen Motorrädern dauernd schneller ist, werden sie hellhörig. Man erlebt das auch bei den Einheitsreifen von Dunlop. Zarco, Rins, Rabat und Lowes hatten 2015 dieselben Reifen wie alle andern. Aber manche Fahrer meinten, sie könnten sich durch das ständige Jammern über die neuen Reifen-Konstruktionen vom Ergebniszwang befreien.»

Kalex hat zuletzt dreimal hintereinander die Konstrukteurs-WM gewonnen und in den letzten fünf Jahren (für den ersten Kalex-Sieg sorgte Stefan Bradl 2011 in Katar) insgesamt nicht weniger als 52 Moto2-GP-Siege errungen. Dazu kommen drei Moto3-GP-Siege 2012 in Indy, Brünn und Aragón mit Luis Salom, Jonas Folger und wieder Salom. Der Spanier wurde damals auch Moto3-Vizeweltmeister.

Die Kalex-Gründer Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn (aus ihren Vornamen setzt sich der Firmenname zusammen) haben schon viele Spitzenfahrer betreut – von Bradl über Pol Espargaró und Rabat bis zu Vinales, Rins und Zarco.

«Es gibt gute Fahrer und sehr gute. Und dann gibt es noch die wahren Champions», hat Hirsekorn beobachtet. «Und die sind rar.»

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