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Mahindra-Dilemma: Es ist alles noch viel schlimmer

Von Günther Wiesinger
Francesco «Pecco» Bagnaia: Bei Mahindra nach 2015 vom Regen in die Traufe gekommen

Francesco «Pecco» Bagnaia: Bei Mahindra nach 2015 vom Regen in die Traufe gekommen

Eigentlich wollte Mahindra in der Moto3-WM die dritte Kraft neben KTM und Honda werden. Aber der indische Konzern schlittert ins technische Debakel. Teams, Fahrer und Sponsoren steigen auf die Barrikaden.

In der Moto3-Weltmeisterschaft knirscht es im Gebälk bei den Kundenteams von Mahindra Racing und beim Peugeot-Werksteam, das baugleiche MGP3O-Motorräder einsetzt.

Mapfre-Teambesitzer Jorge «Aspar» Martinez (Fahrer: Pecco Bagnaia, Jorge Martin) platzt gerade der Kragen, denn er hat sich für drei Jahre mit Mahindra verbündet und erlebt mit seinem Aspar- Mahindra Moto3-Team eine Enttäuschung nach der anderen. Dabei sollte er das offizielle Werksteam bilden – und gegen KTM und Honda um den Titel kämpfen.

Aber Bagnaia hat in drei Rennen nur 18 Punkte eingesammelt.
Auch bei den Mahindra-Kundenteams CIP-Unicom Starker von Alain Bronec (Fahrer: Tatsuki Suzuki und Fabio Spiranelli), beim 3570 Team Italia (Fahrer: Lorenzo Petrarca, Stefano Valtulini) sowie das Platinum Bay Real Estate-Team von Fiorenzo Caponera (Fahrer: Darryn Binder, Karel Hanika) wächst die Unzufriedenheit von Tag zu Tag.

Auffallend: In den Kundenteams befinden sich bereits 2016 überwiegend namenlose Fahrer; die vielversprechenden Piloten suchten sich nach Möglichkeit ein Honda- oder KTM-Team für die Saison 2016.

Inzwischen muss man kein Prophet mehr sein, um vorherzusagen: Wenn das technische Dilemma so weitergeht und der ständige Abwärtstrend anhält, wird Mahindra 2017 überhaupt kein Kundenteam mehr finden. Und auf eine Werks-Peugeot wird sich auch kein Rennfahrer mehr setzen, der seine sechs Sinne beisammen hat, schon gar nicht im finanziell gebeutelten deutschen Peugeot-MC-Saxoprint-Rennstall.

«Der technische Support bei Honda und KTM an der Rennstrecke ist kompetent und vorbildlich», sagt ein Mahindra-Teamchef, der auch die andre Seite kennt. «Die Mahindra-Techniker haben von Tuten und Blasen keine Ahnung.»

Inzwischen haben die Teams, Techniker und Fahrer ihre Zuversicht auf bessere Zeiten bei Mahindra/Peugeot eingebüsst. Sie haben nach den Reinfällen in Doha, Las Termas und Austin recherchiert und absonderliche Zustände zutage gefördert.

So kam jetzt ans Tageslicht, dass Mahindra im September 2015 beim 250-ccm-MGP3O-Motor offenbar eine Änderung des Bohrung-Hub-Verhältnisses in Auftrag gegeben hat. Vier Jahre nach KTM und zwei Jahre nach Honda entschlossen sich die Inder, die Bohrung von 78 auf 81 mm zu ändern, wie es KTM bereits im ersten Moto3-Jahr erfolgreich vorexerziert hat.

Dieser Auftrag wurde an die Suter Racing Technology (SRT) in Turbenthal/Schweiz vergeben. Teamchef Jorge Martinez und sein Sportdirektor Gino Borsoi hatten im Herbst kompromisslos und mit Nachdruck gefordert, Suter Racing wieder in die Entwicklung einzubinden. Das Aspar-Mapfre-Duo hatte sogar für 2016 mit KTM und Honda verhandelt und gar kein Geheimnis daraus gemacht.

Der Haken an der Geschichte: Für den neuen Moto3-Motor mit 81 mm Bohrung wurde ein zu kurzer Entwicklungszeitraum einkalkuliert und offenbar auch kein ausreichendes Entwicklungsbudget, es ist von nur rund 250.000 Euro die Rede.

Inzwischen haben die Teams erfahren, dass das neue Triebwerk zwar bei SRT von Alex Giussani gezeichnet wurde. Danach wurden  für die Teams die Teile für 2016 bestellt, die nach dem engen Zeitplan für die ersten Februar-Tests nicht verfügbar waren.

Das heisst: Die Teams von Mahindra und Peugeot fahren völlig neue Motoren, die vor der Auslieferung für die Wintertests keine nennenswerten Testfahrten erlebten und auch nicht weiterentwickelt und von ihren Kinderkrankheiten geheilt wurden. Die Teams bekamen praktisch eine unerprobte Beta-Version...

Vor dem Katar-GP mussten dann bereits zwei Triebwerke pro Fahrer homologiert und verplombt werden, die Weiterentwicklung ist währen der Saison eingefroren. Das heisst: Die Fahrer und Teams müssen noch eine Weile mit diesen Sorgen leben.

Neuer Motor: Ohne Entwicklung auf die Piste

«Beim neuen Motor hat keine Minute Entwicklung stattgefunden», bedauert ein Mahindra-Geschädigter. «Er wurde vom Zeichenbrett runter zum Einsatz gebracht.» Es gab nach der Fertigstellung nur ein bisschen Dauerlauf auf dem Prüfstand, für Entwicklung fehlte die Zeit und reichte das veranschlagte Budget nicht. Ausserdem mussten unter Zeitdruck Komponenten und Teile für die insgesamt zehn WM-Piloten von Mahindra (acht) und Peugeot (zwei) bestellt werden.

Einige Teamtechniker sagen, der Motor leiste zwar 1 bis 1,5 PS mehr als der letztjährige, doch ein Teil dieser Leistung werde durch eine in Besozzo in Italien entwickelte neue Airbox wieder zunichte gemacht.

Mahindra Racing hat sein Hauptquartier im vorletzten Winter nach Besozzo/Italien verlagert, dort führt unter dem umstrittenen Mahinfra-Rennchef Mufaddal Choonia seither Davide Borghesi das technische Regime. Der Italiener wird von den Betroffenen als ahnungslos und unbedarft beschrieben, er wirkt überfordert, trifft aber seit dem Saisonstart 2015 alle technsichen Entscheidungen. In der Saison 2015 war Suter nicht mehr für die Weiterentwicklung verantwortlich, das Resultat ist bekannt. Die Teams vermuten, dass nur die Häfte der Beschwerden überhaupt beim «Big Boss» Choonia ankommen.

Deshalb verlangten Martinez und Borsoi, Suter-Ingenieur Alessandro «Alex» Giussani solle für 2016 wieder die Entwicklung übernehmen. Aber der Italiener hat nur den Motor konzipiert. In Texas erfuhren die Teams, dass der Entwicklungsauftrag von Mahindra bei Suter am 31. März 2016 ausgelaufen ist.

«Wenn sich Mahindra wirklich erst im September für eine Bohrung von 81 mm entschieden hat, dann ist dieser Entschluss ein halbes Jahr zu spät gefallen», wundert sich ein gegnerischer Moto3-Konstrukteur. «Diesen Motor hätte man in Ruhe entwickeln und für 2017 homologieren müssen.»

Peugeot-MC-Saxoprint-Teammanager Terrell Thien und seine Leidensgenossen wetterten nach dem Texas-GP lauter als je zuvor über die seit eineinhalb Jahren untauglichen Mahindra-Getriebe, die unseren Informationen nach seit Beginn der Saison 2015 unter Borghesi-Regie in Italien gebaut werden.

Mitunter nimmt das Mahindra-Debakel kabarettistische Züge an. In Katar wurde den Teams weis gemacht, es sei eine neue grossartige Verkleidung entwickelt worden, die demnächst auch die anderen Fahrer neben Bagnaia haben könnten. In Austin ist durchgesickert: Die Verkleidung stammt aus dem Jahr 2014, das Martinez-Team hatte sie ausgegraben und neu homologieren lassen.

Alex Giussani und Eskil Suter wollten sich schon 2015 nicht zur hoffnungslosen Situation von Mahindra äussern. Natürlich bedauern sie den Niedergang des indischen Fabrikats in der WM, seit Suter Racing bei diesem Projekt keine technische Entscheidungskraft mehr hat. «Ich erledige nur Aufträge von Mahindra Racing», stellte Giussani im September 2015 lapidar fest. Mehr lässt sich der ehemalige Mahindra-Konstrukteur nicht entlocken.

Giussani und Suter kommt kein böses Wort über Mahindra über die Lippen. Klar: Die Resultate sprechen ja Bände.

Miguel Oliveira war 2013 im ersten Mahindra-Suter-Jahr WM-Sechster, Bagnaia kam im Vorjahr als bester Mahindra-Plot über den 14. WM-Gesamtrang nicht hinaus.

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