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Valentino Rossi: Akribie, Leidenschaft & viel Talent

Von Günther Wiesinger
MotoGP ist, wenn 23 Fahrer im Kreis fahren – und Valentino Rossi gewinnt. Das geschieht zwar nicht mehr so oft wie früher – aber wenn, dann sind die Fans aus dem Häuschen.

Was soll man zu Valentino Rossi noch sagen? Natürlich hat der italienische Superstar viele Neider und Hater, aber eines lässt sich nicht leugnen: Rossi stellt Legenden wie Giacomo Agostini, Mike Hailwood, Angel Nieto & Co. mühelos in den Schatten.

Er hat am 18. August 1996 auf der Aprilia 125 in Brünn seinen ersten GP-Sieg gefeiert, es liegen also 7616 Tage zwischen dem ersten und dem jüngsten Sieg. «The Doctor» hat mit 38 Jahren und 130 Tagen seinen 115. GP-Triumph eingeheimst. Er hat mehrere Generationen von Rennfahrern überdauert, er hat in der Weltmeisterschaft mit 125 ccm, 250 ccm, 500 ccm, 990 ccm, 800 ccm und 1000 ccm gewonnen.

Rossi fuhr Reifen von Dunlop, Michelin, Bridgestone, dann wieder Michelin, er ritt für Aprilia, Honda, Yamaha und Ducati, dann wieder für Yamaha, er wechselte vom Zweitakter auf den Viertakter, von der Einzylinder auf den Zweizylinder und dann auf die Vierzylinder-Honda NSR 500, ehe er bei Honda die Fünfzylinder-990-ccm-MotoGP-Rakete übernahm. Seit 2004 begnügt er sich wieder mit Viertakt-Vierzylinder-Bikes, bei Yamaha mit Reihenmotoren (im zwölften Jahr), bei Ducati (2011 und 2012) trieb er sich mit V4-Triebwerken herum.

Kein GP-Fahrer hat sich auf mehr unterschiedlichen Pisten abgerackert wie Rossi, von Indonesien bis in die Türkei, von China bis Brasilien.

Selbst den Red Bull Ring, der 2016 nach 19 Jahren wieder ins GP-Programm kam, kannte Rossi – natürlich als einziger Fahrer – von 1996 und 1997!

Rossi: Martinez und Alzamora waren seine Gegner

Valentino Rossi bestritt seinen ersten Grand Prix, als das Wort Elektronik noch gar nicht richtig erfunden war; heute nützt er die Vorzüge des elektronischen Gasgriffs meisterhaft aus.

1996 in Brünn hat VR den vierfachen Weltmeister Jorge Martinez besiegt, der heute längst wohlgenährter Teambesitzer agiert und in der 125er-WM als Teamchef mit Bautista, Talmacsi, Simón und Terol vier weitere Titel gewonnen hat.

Auch Emilio Alzamora gehörte 1996 zu den Gegnern von Rossi. Der ehemalige 125-ccm-Weltmeister hat dann Marc Márquez entdeckt, ist bis heute dessen Manager und betreibt das Moto3-Honda-Team mit Assen-Sieger Arin Canet und Enea Bastianini.

Rossi hat auch in der 500-ccm- und MotoGP-Klasse alle Gegner überlebt und überstrahlt – von Biaggi über Melandri bis zu Gibernau, Stoner und Lorenzo, auch wenn er nach dessen Ankunft bei Yamaha nur noch zwei Titel (2008, 2009) gewonnen hat.

Aber Rossi war auch 2015 knapp dran. 2016 spürte Lorenzo als Weltmeister bei Yamaha wenig Zuneigung, alle hätten Rossi als Weltmeister 2015 bevorzugt, aber es stand der berühmte Sepang-Clash im Weg. Der Italiener musste nach der Kollision mit Marc Márquez in Malaysia beim Finale in Valencia vom letzten Platz losfahren – Lorenzo wurde der Titel auf dem Silbertablett serviert.

Jetzt sieht es so aus, als hätte Rossi auch diesen Psychokrieg gewonnen – bei Ducati richtet Lorenzo bisher kein Unheil an, er ist WM-Achter, Dovizioso und Petrucci überstrahlen ihn.

Natürlich hat auch Rossi seine weniger lobenswerten Seiten, aber selbst die größten Fans von Ducati oder Honda oder Marc Márquez, der ein überragender Fahrkünstler ist, müssen eingestehen: Die Lebensleistung von Valentino Rossi ist grandios. Sie ist unnachahmlich.

Vale stellt nicht umsonst auf sämtlichen sozialen Medien von Twitter über Instagram bis Facecook selbst die größten italienischen Fußballgötter in den Schatten.

Rossi ist nicht nur schnell, er kann auch ein Motorrad entwickeln, er gibt bei den Reifen vielfach den Trend vor, er nützt seine Popularität auch aus, um einmal in der Safety Commission seine Macht auszuspielen und auf den Tisch zu hauen, um eine Piste sicherer zu machen – wie zuletzt in Barcelona, als er den letzten Sektor von Freitag auf Samstag wieder umbauen ließ.

Statistik: 225 Podestplätze bei 356 Grand Prix

Allein ein Blick auf die Statistik ist eindrucksvoll. Neun Weltmeistertitel, sieben in der Königsklasse, 115. GP-Siege, davon 89 in der «premier class» (500 ccm, MotoGP), das ist Rekord. 64 Pole-Positons, 95 schnellste Rennrunden und unfassbare 225 Podestplätze in 356 GP-Einsätzen, je zehn GP-Siege allein in Barcelona und in Assen, einmal sieben MotoGP-Siege in Mugello hintereinander von 2002 bis 2008.

Valentino Rossi hat immer ein Feindbild gebraucht, um sich neu zu motivieren, zuerst war es Biaggi, dann Gibernau, nachher Lorenzo, später Stoner und Márquez. Jetzt ist er moderater und ein bisschen altersweise geworden. Er ist abgebrüht genug, um den aufstrebenden Teamkollegen Maverick Viñales (schon drei Saisonsiege, aber auch zwei Rennstürze) durch seine Nervenstärke und Erfahrung zu entzaubern.

Außerdem braucht Rossi heute seine Energie auch für andere Aufgaben. Er betreibt die Merchandisingfirma VR46 Apparel mit Millionenumsätzen, er betreibt den SKY VR 46-Rennstall in den Klassen Moto3 und Moto2, er hat rund ein Dutzend begabter Fahrer in der VR46 Academy unter Vertrag. Nach seinem Rücktritt wird das Imperium mit Sicherheit um einen MotoGP-Rennstall erweitert.

Eigentlich kann man Rossi nichts vorwerfen: In einem Alter, in dem manche seiner Artgenossen schon seit zehn Jahren Teamchefs oder Ridings Coaches sind und 20 kg mehr auf den Rippen haben, ist er zuletzt dreimal hintereinander Vizeweltmeister geworden.

Rossis dauerhafte Erfolge kommen nicht von ungefähr. Sein Können und sein Talent sind unbestritten. Aber er ist siegeshungriger als alle anderen, wissbegieriger, fleissiger, leidenschaftlicher und überlegter.

Erst einmal war der Yamaha-Star ernsthaft verletzt: Schien- und Wadenbeinbruch Samstagfrüh im dritten Mugello-Training 2010.

Sechs Wochen später donnerte er beim deutschen WM-Lauf auf Platz 4!

Rossi gilt auch als unermüdlicher Tüftler, nicht nur an seiner M1-Yamaha, auch bei der Helmfirma AGV und beim Lederhersteller Dainese strebt er pausenlos nach Verbesserungen, wie einst Radstar Lance Armstrong bei TREK, Oakley, Shimano, Giro und so weiter.

Was soll den guten Valentino jetzt noch erschüttern?

Ach ja, gut, sein letzter Titelgewinn liegt acht Jahre zurück. Ein ärgerlicher Schönheitsfehler.

Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend.

Auf jeden Fall sind die Worte von Repsol-Honda-Teamprinzipal Livio Suppo längst überholt. «Die neue Sharon Stone ist nicht Sharon Stone», hatte Suppo im Mai 2012 posaunt, als Casey Stoner seinen Rückzug bei Honda ankündigte und ein neuer Siegfahrer gesucht wurde.

Sollte heißen: Rossi hat keine Zukunft. Er kommt nicht in Frage.

Naja, für Yamaha und die ganze GP-Szene ist der gute Rossi sicher zehnmal so wertvoll wie Dani Pedrosa, der im Honda-Werksteam seit zwölf Jahren am WM-Titel vorbeischrammt.

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