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Randy Mamola: «Ich bekomme immer noch Gänsehaut»

Von Günther Wiesinger
Auch nach 25 Jahren überkommen dem ehemaligen 500-ccm-GP-Star Randy Mamola die Emotionen, wenn er an den verhängnisvollen Unfall von Wayne Rainey in Misano 1993 denkt.

Am 5. September 2018 war es 25 Jahre her, dass der dreifache 500-ccm-Weltmeister Wayne Rainey beim Misano-GP ausgangs der ersten Kurve (damals wurde gegen den Uhrzeigersinn gefahren) stürzte und eine Querschnittlähmung erlitt. 13 Jahre lang wurde danach in Misano Adriatico kein Grand Prix ausgetragen, erst 2007 kehrte die WM an die Adriaküste zurück.

Der 59-jährige Kalifornier Randy Mamola, 13-facher 500-ccm-GP-Sieger und vierfacher Vizeweltmeister war damals hautnah dabei. «Ich bin zwar keine Rennen mehr gefahren, aber ich war im Yamaha-Werksteam von Kenny Roberts als Testfahrer engagiert, also Teamkollege von Wayne», schildert Randy. «Wayne hat die 500er-WM 1992 mit Michelin gewonnen. Dann hat sich das Team zum Umstieg auf Dunlop entschieden. Ich war als Testfahrer sehr stark mit der Reifenentwicklung beschäftigt. Ich war verpflichtet, Wayne das bestmögliche Produkt zu geben. Ich war ein wichtiger Bestandteil des Teams. Während wir zwei hier über diese spannende Zeit reden, bekomme ich Gänsehaut…»

«Die Saison 1993 war hart, Wayne hat gegen Kevin Schwantz auf der Suzuki um den Titel gekämpft, die Konkurrenz war stark», erinnert sich Mamola, der heute noch bei einzelnen Grand Prix den Twin Seater von Ducati fährt. «Fünf Wochen vor dem Misano-GP hatte Wayne Rainey in Donington am Samstag einen üblen Crash.» Der heute 57-jährige Rainey klagte danach über Doppelsichtigkeit, der sechste Rückenwirbel war gequetscht. Trotzdem fuhr er am Sonntag beim British Grand Prix hinter seinem Yamaha-Teamkollegen Luca Cadalora auf Platz 2. Drei Wochen später siegte er in Brünn und kam mit elf Punkten Vorsprung auf Schwantz nach Misano. Der vierte 500-ccm-WM-Titel nach 1990, 1991 und 1992 lag in Reichweite.

«Wayne hat dann den Misano-GP angeführt, Kevin lag nur knapp 2 Sekunden hinter ihm, das Gefecht um den Titel spitzte sich zu», blendet Randy Mamola zurück. «Wayne ist dann in Runde 10 gestürzt. Der Sturz war bei weitem nicht der Schlimmste, den wir je gesehen haben. Aber er hatte verheerende Folgen. Im ersten Augenblick dachten wir alle, Wayne sei okay. Dank einer On-board-Kamera konnten wir den Großteil des Sturzes beobachten. Aber die Art und Weise, wie Wayne stürzte… Niemand weiß, ob ihn das Motorrad getroffen hat. Mich erinnert der damalige Sturz sehr stark an den Crash von Pol Espargaró 2018 im Warm-up in Brünn. Als Pol in das Kiesbett eintauchte, sah man, wie sein Körper zusammenklappte, weil sein Kopf so wuchtig in den Kies eingetaucht ist. Ich denke, bei Wayne muss es ähnlich gewesen sein. Deshalb ist seine Wirbelsäule beschädigt worden.»

Mamola: «Ich erinnere mich noch, ich saß in der Yamaha-Box, als die ersten Informationen eintrafen. Kenny Roberts senior wurde gesagt, dass Wayne kein Gefühl in den Beinen habe. Das war ein schlimmes Signal. Kenny ist aschfahl geworden, er war geschockt. Und ich zittere am ganzen Körper, wenn ich mich entsinne, was damals geschehen ist. Denn wir alle konnten es nicht glauben. Wir hofften alle inständig, dass sich diese erste Diagnose nicht bewahrheitet. Aber irgendwann mussten wir uns mit der Tatsache trösten, dass Wayne noch am Leben war. Uns war bewusst: Es hätte noch schlimmer enden können.»

«Als ich als MotoGP-Legende in die virtuelle Hall of Fame aufgenommen wurde, habe ich in meiner Ansprache einen vier Seiten langen Brief erwähnt, den ich damals an Wayne geschrieben habe… Das war ein Drama, wie es in unserem Sport manchmal vorkommt.» Im Nachhinein waren sich alle Beteiligten im Klaren: Die Rückenwirbelverletzung von Donington war beim heftigen Einschlag in Runde 10 in Misano eine Sollbruchstelle. Raineys deutscher Physiotherapeut Gerd Borghoff hatte davor gewarnt und dringend eine Rennpause empfohlen. Als Rainey nicht gehorchte, legte Borghoff seinen Job nieder. WM-Favorit Rainey strotzte vor Pflichtbewusstsein. «Ich muss Kevin schlagen», lautete seine Devise.

Randy Mamola nimmt Wayne in Schutz. Er lächelt, wenn er diese Geschichte hört. «Sag' einem Rennfahrer, dass er kein Rennen fahren darf… Wir haben das oft genug erlebt. Wir haben Fahrer mit gebrochenen Händen fahren gesehen, mit kurz vorher gebrochenen Beinen. Jorge ist in Assen 2013 zwei Tage nach einem Schlüsselbeinbruch im Rennen auf Platz 5 gelandet. Das ist Alltag bei diesen Toppiloten. Wayne war einer dieser großartigen Champions, wie Kenny, wie Eddie, wie Mick Doohan, sie haben alle die gleiche Mentalität. Mick Doohan wäre 1992 beinahe der Unterschenkel amputiert worden. Aber er ist trotzdem bald wieder gefahren. Er sagte: ‚Ich trete zum Rennen an, egal ob die Hölle kommt oder Hochwasser.’ Und das hat er gemacht.»

Mamola erzählt, die Rivalität zwischen Rainey und Schwantz sei schon in der US-Meisterschaft entstanden. Man habe sich immer bekämpft. «Man hat sich respektiert, man war auch auf gewisse Art befreundet, aber auf der Piste waren sie harte Kontrahenten. Wayne hat Kevin immer als 'Q-tip' bezeichnet, weil er so lang und dünn wie ein Ohrenstäbchen war», schildert Randy. «Kevin hat Wayne immer wegen dessen hübscher Schwester Rene aufgezogen. Ich weiß nicht, ob sie ihm wirklich gefallen hat oder ob er Wayne nur ärgern wollte... Wayne ist jedenfalls immer in Saft gegangen; er wollte seine Schwester beschützen.»

Mamola wird ärgerlich, wenn manche Leute behaupten, Kevin Schwantz habe den WM-Titel 1993 auf Suzuki nur wegen der Verletzung von Rainey gewonnen. «Niemand wird durch Glück Weltmeister. In der 500er-WM schon gar nicht», gibt er zu bedenken. Randy Mamola bricht heute noch in Begeisterung aus, wenn er über die Kämpfe Rainey gegen Schwantz spricht. Er packt sein Smartphone aus und ruft auf «Youtube» die Szene vom Hockenheim-GP 1991 auf, als Rainey in der letzten Runde vor dem Eingang zum Motodrom von Kevin ausgebremst wurde, dessen Suzuki unkontrollierbar ins Schlingern geriet. Aber Schwantz blieb vorne und gewann das Rennen.

«Ich weiß nicht, wie oft ich mir diese Szene schon angeschaut habe», sagt Randy ehrfürchtig. «Wir müssen dankbar sein, dass wir solche Champions auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit erleben durften. Fahrer wie Wayne und Kevin haben diesen Sport populär gemacht, sie haben ihn auf ein neues Niveau gehoben. Und jetzt kümmert sich Wayne um die US-Superbike-Meisterschaft MotoAmerica, er bildet dort Talente aus und hat diese Meisterschaft wieder in Rampenlicht gerückt. Wayne war und ist ein vorbildlicher Champion.»

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