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Coronakrise: Wie schlimm kann es noch werden?

Von Günther Wiesinger
Circuit Barcelona-Catalunya: Hier konnte die MotoGP-WM eventuell im Juni beginnen

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Jeder möchte gern wissen, wie lange die Notmaßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 in Kraft bleiben. Vor Juni wird keine Normalität einkehren, das lässt sich heute vorhersagen.

Wie oft habe ich in den letzten Wochen den Namen Marc Márquez oder Valentino Rossi geschrieben? Je einmal, glaube ich. Üblicherweise schreibe ich ihre Namen um diese Zeit bis zu 20 Mal am Tag, besonders an GP-Wochenenden. Jetzt schreibe ich dauernd Begriffe, die sonst im Motorsport nichts verloren haben. Durchseuchungsgrad, Social Distancing, darwinistische Strategien, Herden-Immunität, Pandemie-Forschung.

Immer noch gibt es ein paar Unverbesserliche, die sich dem Irrglauben hingegen, diese Bedrohung durch den Coronavirus werde sich spätestens zu Ostern in Wohlgefallen auflösen, diese Covid-19-Pandemie sei ja viel weniger schlimm als eine Grippe.
Wer das immer noch glaubt, der sollte mal im Internet nach Filmen aus italienischen Krankenhäusern suchen, die beklemmend sind und uns zu Tränen rühren.

«Der SARS-CoV-2-Virus bewirkt keine Grippe, sondern eine Lungenentzündung», erklärte ein italienischer Intensiv-Mediziner in einem völlig überlasteten Spital in Bergamo gegenüber dem TV-Sender «Sky News». Er warnte, Großbritannien werde ähnlich katastrophale Zustände erleben wie Italien, weil dort viel zu spät reagiert wurde und dort bei «nur» 3983 Infizierten die Anzahl der Toten innerhalb von drei Tagen von 35 auf 177 gestiegen ist.

Zum Vergleich: Singapur lang anfangs bei den an Covid-19 erkrankten Personen an zweiter Stelle hinter China und hat bisher keinen Toten beklagt. Japan hat 127 Millionen Einwohner, meldet bisher nur 1007 bestätigte Corona-Fälle – und keinen Toten.

Wie schnell sich die Situation von problemlos zu besorgniserregend ändern kann, haben wir in Österreich in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg erlebt.

In Tirol gab es am 8. März vier Corona-Fälle, jetzt mehr als 500.

Deutscher Leichtsinn

In Deutschland wurde vor zehn Tagen noch fröhlich vor vollem Haus Champions League gespielt, als in den Nachbarländern längst Versammlungsverbote herrschten. Deshalb sehen wir jetzt in Deutschland 18.300 infizierte Personen und 52 Tote. Allein von Mittwoch auf Donnerstag nahm die Anzahl der Erkrankten um 24 Prozent auf 25.305 zu. In einer Woche wird wegen der exponentiellen Verbreitung (ein Infizierter steckt in sieben Tagen bis zu 140 Personen an, wenn kein «Lock down» verordnet wird) mit 88.000 Infizierten gerechnet, in vier Wochen mit 404.000.

Dass dann die Spitäler und das medizinische Personal  restlos überlastet sein werden, kann man sich ausmalen.

Trotzdem haben in unseren Breitengraden viele Menschen den Ernst der Lage nicht begriffen.

Da Berlin offenbar den Ernst der Lage nicht erkannt hat, kann man den deutschen Freunden nur empfehlen: Schaut euch in den Nachbarstaaten um, wo großteils strenge Maßnahmen herrschen, die teilweise bereits eine Trendwende bewirkt haben oder erkennen lassen. Eine freiwillige Selbstbeschränkung erscheint mir sinnvoll. Denn damit lassen sich Zustände wie in Italien vermeiden, wo seit zwei Wochen das ganze Land als «rote Zone» gilt.

In Spanien und Italien hat sich gezeigt: Manche Dummköpfe begreifen erst, worum es geht, wenn ihnen die Polizei in die Geldtasche greift.

Seit gestern greift die Polizei auch in der Schweiz durch. Wenn sich eine Gruppe von fünf Personen zusammenrottet, die nicht im selben Haushalt wohnen, wird jeder einzelne mit 100 Franken bestraft.

Mit Ausgangsbeschränkungen können wir gut leben. Beim Hausarrest hört sich der Spaß auf! Er wird uns aber drohen, wenn zu viele Menschen zu leichtsinnig weitermachen.

Wir erleben auch unverantwortliche Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten weiter auf engstem Raum rackern lassen, als würde die Bedrohung durch den Virus gar nicht existieren.

Die Niederlande, wo man zu lange an das Modell der unkontrollierten Infektion glaubte, werden wegen der zögerlich verhängten Beschränkungen inzwischen auch als Hochrisikogebiet betrachtet.

Wie lange dauert der «lock down»?

In allen Ländern tüfteln Task Forces an Konzepten, es werden Hochrechnungen angestellt. Man überlegt, wann die strengen Vorschriften wieder gelockert werden können, es wird jeden Tag neu evaluiert. Fakt ist: Die Schulen werden früher wieder geöffnet als die Grenzen.

Aber es wird befürchtet: Wenn ein «Lock down» schon nach dem ersten positiven Anzeichen und einer mutmaßlichen Trendwende gelockert wird, kann es zu Rückschlagen kommen.

Positiv ist, dass viele branchenfremde Unternehmen in ihren Betrieben jetzt auf die Herstellung von Atemschutzmasken, Desinfektionsmitteln und anderen lebenswichtigen Produkten umgestellt haben.

Die EU-Mitgliedsstaaten alimentieren jetzt die Forscher in der Pharmafirmen mit Millionenbeträgen, damit sie schneller wirksame Medikamente und Impfstoffe gegen Covid-19 entwickeln können. Danach sollen sie durch einen «accelerated pathway» rascher für den Verkauf zugelassen werden.

Doch in Italien ist die Situation längst außer Kontrolle. 627 Tote an einem Tag. Zu Beginn der Woche lag die Opferzahl noch bei 300.

Daraus müssen alle anderen Staaten ihre Lehren ziehen. Es empfiehlt sich dringend eine Blaupause der in China, Singapur und Südkorea verhängten Sanktionen, sofern sie in einer Demokratie umsetzbar sind.

In Amerika wurde in einzelnen Staaten relativ früh der Notstand ausgerufen, um einschneidende Maßnahmen ergreifen zu können.

Und was macht Deutschland? Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen.

Täusche ich mich, oder mausert sich der umsichtige Markus Söder in Bayern gerade zum Kanzler-Kandidaten der CDU-CSU-Union?

Zuletzt der eindringliche Appell: Bleibt zu Hause, befolgt alle Vorschriften, haltet einen Meter Abstand, wascht euch mehrmals am Tag die Hände 30 Sekunden lang.

Dann wird in absehbarer Zeit Normalität einkehren. Vor Juni oder Juli ist sowieso nicht damit zu rechnen.

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