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Stefan Pierer/KTM: «Haben eine starke MotoGP-Truppe»

Von Günther Wiesinger
Stefan Pierer mit Pol Espargaró

Stefan Pierer mit Pol Espargaró

KTM-Firmenchef Stefan Pierer über den Rückzug aus der Moto2, die Schlagkraft des MotoGP-Teams, die Lehren aus der Coronakrise und die tadellose Zusammenarbeit mit der Dorna.

KTM kämpft in diesem Jahr mit Albert Arenas um den Moto3-WM-Titel, mit der Zweitmarke Husqvarna wurde in Misano durch Romano Fenati erstmals ein Moto3-WM-Lauf gewonnen, dazu wurden mit Brad Binder und Miguel Oliveira in Brünn und Spielberg-2 die ersten zwei MotoGP-WM-Triumphe eingeheimst, und auch bei GasGas, der jüngsten Errungenschaft des Konzerns Pierer Mobility AG wurde Geschichte geschrieben: Erster Cross-WM-Lauf-Sieg durch Glenn Coldenhoff bei Kegums-1.

Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender der Pierer Mobility AG, freut sich auch im Kerngeschäft über erfreuliche Zahlen, trotz der Coronakrise. Im zweiten Halbjahr 2020 wird mit einer Umsatzsteigerung auf mehr als 800 Millionen Euro. Das entspricht einem signifikantem Wachstum gegenüber den Vorjahr, denn 2019 wurden in diesem Zeitraum 765,3 Millionen Euro umgesetzt.

Red Bull-KTM hat zwar das Budget wegen Corona und der geringenen Anzahl von Rennen für 2020 reduziert, aber die Oberösterreicher haben mehr getestet als alle anderen Teams, und Dani Pedrosa testet auch heute nach Möglichkeit noch vor jedem Grand Prix. Dadurch konnte der Rückstand zu den Siegerteams aufgeholt werden. Auch Teamleader Pol Espargaró zeigte etliche starke Leistungen – er kassierte zwei dritte Ränge ab und sicherte KTM in Spielberg die erste Pole-Position in der «premier class».

«Wir hatten vor dieser Saison in der MotoGP-WM mit Pol Espargaró, Brad Binder und Miguel Oliveira erstmals drei ernsthafte Top-Ten-Kandidaten», rechnet Stefan Pierer vor.
Dass ausgerechnet Brad Binder als Rookie den ersten MotoGP-Sieg für die Mattighofener heimgebracht hat, kam auch für Stefan Pierer überraschend. «Wir kennen Brad aus den kleinen Klassen. Er ist ein ‚Renntier‘, im Rennen zieht er es durch.»

«Wir verfolgen jetzt in der MotoGP eine langfristige Planung, auf jeden Fall bis Ende 2026», bestätigte Pierer gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wir sind sehr motiviert und haben auch in der Corona-Zeit ein MotoGP-Budget, das man schön darstellen kann. Wir haben auch Reserven, damit wir die Entwicklung ordentlich vorantreiben können.»

Nach den vier Podestplätzen gehen bekanntlich für 2021 die Vorteile des «concessions teams» verloren. KTM muss also 2021 wie Yamaha, Honda, Suzuki und Ducati mit sieben statt neun Motoren pro Fahrer durchkommen, wenn es eine komplette Saison gibt. In diesem Jahr stehen den Siegerteams wegen der geringeren Anzahl von Rennen fünf und den «concession teams» (bisher Aprilia und KTM) sieben Motoren zu Verfügung. Die Motorenentwicklung bleibt bis Ende 2021 eingefroren. Nur Aprilia darf nach dem Katar-GP (oder dem Saisonauftakt) 2021 wieder Motor-Updates bringen.

Honda hat zwar 2020 noch keinen Podestplatz, aber im Corona-Jahr kann kein Hersteller den «concession team»-Status neu erringen.

KTM hat in der laufenden Saison durch die zwei MotoGP-Siege (je 3 Punkte) und die beiden dritten Plätze (je 1 Punkt) bereits acht Konzessionspunkte einkassiert. Deshalb dürfen die Stammfahrer seit dem Oliveira-Sieg beim Steiermark-GP nicht mehr privat testen. Dieses Privileg ging mit sofortiger Wirkung verloren.

KTM hat im August 2019 den Rückzug als Chassis-Hersteller in der Moto2-WM verlautbart, weil im ersten Halbjahr 2019 die Erfolge in dieser Klasse ausblieben. Brad Binder wurde trotzdem noch Vizeweltmeister, und jetzt fährt das Red-Bull-Ajo-KTM-Team in derselben Lackierung wie 2019 mit Kalex-Maschinen. Tetsuta Nagashima und Jorge Martin haben bereits WM-Rennen gewonnen.

«Wir fahren jetzt mit Kalex-Chassis, das Branding mit Red Bull und KTM ist unverändert geblieben», hält Stefan Pierer fest. «Wenn ich ganz ehrlich bin: Die engsten Freunde gratulieren mir zu den Erfolgen. Die merken gar nicht, dass kein KTM-Chassis mehr dahintersteckt. Durch den Rückzug als Chassis-Lieferant sparen wir 2 bis 3 Millionen, die wir in die Jugendarbeit stecken können. Und mit den zehn Moto2-Technikern konnten wir das MotoGP-Projekt verstärken. Dadurch sind wir in dieser Kategorie noch stabiler geworden. Wir haben jetzt eine wirklich starke MotoGP-Truppe. Mit der Beteiligung als Hersteller an allen drei GP-Klassen war einfach zu viel am Tisch.»

Stefan Pierer ist gelernter Firmen-Sanierer, deshalb behält er in Krisenzeiten die Übersicht. So hat er auch sein Unternehmen 2020 vorbildlich durch die Krise manövriert. Mitte März wurde Kurzarbeit verordnet, dann wurden die Werkferien von Juli/August auf März/April vorverlegt und das Werk zwei Monate zugesperrt. Ab 16. Mai wurde die Motorradproduktion wieder mit Vollgas hochgefahren.

«Die Situation im März und April hat mich an die Finanzkrise 2008 und 2009 erinnert», sagt Pierer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Damals war das Geschäft auch zäh und hart. Die Erfahrung von damals hat uns zweifellos geholfen; das ist sicher. Und es gibt immer Licht am Ende des Tunnels. Wichtig ist in solchen Phasen, präsent zu sein, die Leute mitzunehmen, Entscheidungen zu treffen, sensibel auf die kleinsten Anlässe zu reagieren. Die ausgefallenen Grand Prix haben uns geholfen, im MotoGP-Budget Einsparungen zu treffen.»

Stefan Pierer lobt im Zusammenhang mit der MotoGP-WM auch die Umsicht von Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta. «Wir waren während des Lockdowns im Frühjahr in enger Abstimmung mit ihm. Carmelo ist ein Pragmatiker und wirklich ein sehr guter Mann. Wenn ich mir im Vergleich die Formel 1 anschaue…»

Pierer sieht in der Krise auch eine Chance für die Zweiradbranche. «Der Absatz bei den Elektro-Fahrrädern aufwärts bis zum Motorrad ist trotz Corona immens stark zurückgekommen. Wir haben in der Division allein mit den E-Bicycles von R-Raymon und Husqvarna bereits im ersten Halbjahr 2020 ca. 70 Millionen Umsatz erzielt. Wir fahren in der Motorradproduktion seit 16. Mai mit voller Kapazität und stellen seither zusätzliche Mitarbeitende ein. Wir müssen nachliefern, in Amerika sind die Lager bei KTM teilweise fast leer gewesen. Wir haben schon zum Halbjahr wieder einen Gewinn ausgewiesen. Die Prognose für die zweite Halbjahr ist noch besser. Es schaut gut aus.»

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