Paolo Ciabatti zum Fall Yamaha: «Ein Präzedenzfall»
Paolo Ciabatti (Mitte) in der Ducati-Box
Weil Yamaha beim Saisonauftakt in Jerez (17. bis 19. Juli) alle vier MotoGP-Fahrer (Rossi, Viñales, Quartararo und Morbidelli) mit illegalen Ventilen auf die Rennstrecke geschickt hat, wurden dem japanischen Hersteller am Donnerstag 50 Punkte in der Marken-WM abgezogen. Zudem verlieren das Yamaha-Werksteam und Petronas SRT die in Jerez erworbenen Punkte in der Team-WM.
Natürlich stellt sich nun die Frage, warum die nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten keine Auswirkung auf die Fahrer-WM haben. Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti äußert sich im Interview zum Fall Yamaha.
Wie steht Ducati zur Entscheidung des FIM MotoGP Stewards Panels gegen Yamaha? Immerhin belegte der WM-Fünfte Andrea Dovizioso im besagten Spanien-GP hinter zwei Yamaha-Piloten Platz 3.
Ciabatti: Diese Situation zieht sich im Grunde seit Jerez, dem ersten Rennen der Weltmeisterschaft. Es gab mehrere Meetings in der Herstellervereinigung MSMA. Denn wie ihr wisst, hat Yamaha um die Erlaubnis gebeten, die Ventile tauschen zu dürfen. Dann haben wir mehr Informationen verlangt und sie haben den Antrag zurückgezogen. Es war aber klar, dass es ein Problem gab. Diese Angelegenheit zieht sich also schon lange hin. Jetzt, da es Belege gab, dass zwei Lose der Ventile nicht dieselben waren, sind wir am Ende der Weltmeisterschaft angelangt, es sind nur noch drei Rennen zu fahren.
Wir hatten am Donnerstag ein Treffen mit den anderen Herstellern und wir haben all die Informationen bekommen, die uns mittgeteilt werden konnten – natürlich nicht die vollen Details der technischen Analyse, die von einer Universität durchgeführt wurde. Aber es war klar, dass die Ventile anders waren. Daher entsprachen die Motoren, die dort verwendet wurden, nicht dem Regelwerk. Diese Motoren entsprachen auch nicht den Mustermotoren, die Yamaha bei der FIM hinterlegt hatte.
Ich glaube, vor allem aufgrund der Tatsache, dass das alles so lange gedauert hat und es im Laufe dieses Prozesses so viele Unklarheiten gab, haben wir uns darauf geeinigt, dass wir – wir als Hersteller – eine Strafe erwarten. Wir sind natürlich nicht die, die urteilen. Aber wir Hersteller sind die, an die man sich prinzipiell wenden sollte, bevor man die Ventile tauscht. Wir wurden aber informiert, nachdem die Ventile schon getauscht worden waren. Wir haben nur einstimmig gesagt, dass es einen Penalty geben muss und die Mindeststrafe sein muss, dass der Hersteller und die betroffenen Teams Punkte verlieren. Das war unsere Position. Wir haben dann gesagt, wir überlassen es dem FIM Stewards Panel, zu entscheiden, was die angemessene Strafe ist.
War es richtig, dass die Fahrer-WM bei den Punktabzügen ausgeklammert wurde?
Wir haben entschieden, dass wir die Entscheidung der Stewards akzeptieren würden, ohne Berufung einzulegen. Daran halten wir uns. Die Entscheidung lag dann bei den FIM Stewards, denn wir können den Job nicht machen. Wir können nur sagen, dass wir keine Situation schaffen wollen, wo es einen Protest gibt, der sich womöglich bis zum oder bis nach Ende der Saison ziehen würde. Die Verantwortung für die Entscheidung tragen aber Bill Cumbow, Freddie Spencer und Raffaele De Fabritiis, die drei Stewards, die die Entscheidung getroffen haben.
Grundsätzlich ist es ein Präzedenzfall.
Ein gefährlicher Präzedenzfall?
Gefährlich ist vielleicht nicht ganz korrekt, aber es ist sicher sehr hart an der Grenze, gefährlich zu sein. Denn das Prinzip ist: Das Motorrad entspricht nicht dem, was eingefroren und homologiert wurde. Damit ist es illegal. Und wenn es illegal ist – unabhängig davon, ob es die Performance verbessert oder nicht – dann verlieren die Teams, der Hersteller und die Fahrer die Punkte. Ich glaube, im Motorradrennsport war es immer so.
Ich habe schon erklärt, warum diese Situation in gewisser Hinsicht anders war, weil es so lange gedauert hat und so weiter.
Aber klar: So begibst du dich in einen Bereich, wo du als FIM-Richter interpretieren musst, ob es ein Fehler war, ob in gutem Glauben gehandelt wurde, ob es ein Versehen war oder ob es mit Absicht getan wurde.
Damit wird es zu einer Ermessensentscheidung. Und darüber lässt sich immer diskutieren.
Es ist es eine kritische Situation auch für die Zukunft, weil das Urteil nicht mehr auf Basis der Tatsachen fällt, sondern auf den Rechtfertigungen, die einer vorbringt: «Sorry, wir haben einen Fehler gemacht, aber es war keine Absicht, weil wir dachten, dass es erlaubt war.»
Möglicherweise sollten die Regeln künftig klarer geschrieben werden, aber in diesem Fall waren sie ausreichend klar: Identisch in Form, Behandlung, Gewicht und Material. Wenn eines dieser Dinge nicht identisch ist, dann ist es nicht identisch.