Valentino Rossi sucht das Glück

Sieger Maverick Viñales: «Ich fühle mich gesegnet»

Von Günther Wiesinger
Erstmals seit 2017 Auftakt-GP-Sieger in Doha, WM-Leader, frisch verheiratet und bald Vater einer Tochter – Maverick Viñales schwebt im siebten Himmel.

Maverick Viñales hat in den ersten vier Yamaha-Jahren die Erwartungen oft nicht erfüllt. Immer wieder wurde er von Fahrern aus den Yamaha-Kunden-Teams übertroffen: 2017 von Folger und Zarco von Tech3-Yamaha, dann 2018 wieder von Zarco, dazu von Rossi und später immer wieder von Quartararo und Morbidelli. Er änderte die Startnummer von 25 auf 12 und tauschte Crew-Chief Ramon Forcada (jetzt bei Morbidelli) gegen Esteban Garecia aus, mit dem er 2013 bei Calvo-KTM die Moto3-WM gewonnen und dann auch bei Suzuki erfolgreich zusammengearbeitet hat.

Doch immer wieder drängte sich der Eindruck auf, Viñales kümmere sich viel zu stark um eine einzelne schnelle Runde als um die Rennperformance. Das brauchte er offenbar für sein nicht allzu stark ausgeprägtes Selbstvertrauen. Bei Platz 13 am Freitag wirkte er depressiv, Teamkollege Rossi zermürbte ihn oft mit seiner ewig guten Laune.

Oft verpatzte der Yamaha-Star den Start, im Feld konnte er dann seinen überragenden Kurvenspeed nicht demonstrieren, er verlor in den ersten Runden zu viel Zeit.

Auch 2020 verpatzte Viñales die Riesenchance, aus der Abwesenheit seines Erzrivalen Marc Márquez ordentlich Kapital zu schlagen.

Maverick begann die Saison mit zwei zweiten Plätzen in Jerez bravourös, aber dann folgten Abstürze, seltsame Reifenentscheidungen und mittelmäßige fahrerische Darbietungen. Während die Privatfahrer Quartararo und Morbidelli 2020 je drei MotoGP-Siege feierten, schaffte er nur einen – in Misano.

Yamaha trug ebenfalls Anteil an dieser verpfuschten Saison. Denn nach einem Motorschaden im Jerez-Training hatte Viñales nur noch vier Motoren zur Verfügung. Er musste dann einen sechsten einsetzen, deshalb einmal aus der Boxengasse starten und vorher etliche Motoren weit über ihre Lebensdauer hinaus strapazieren.

Viñales: «Yamaha ist zurück»

Am Sonntag in Doha wirkte Viñales wie verwandelt. Er blieb geduldig und wartete auf seine Chance, als die Ducati-Stars der Reihe nach ihr Pulver verschossen hatten.

Aber wie lange wird die Euphorie andauern? Im vergangenen Sommer heimste der Spanier in den drei Grand Prix nach Jerez nur acht Punkte ein, der WM-Zug war somit abgefahren.

«Wir konnten im Rennen endlich wieder unseren berühmten Kurvenspeed nutzen», strahlte der Yamaha-Werksfahrer und WM-Leader. «Diesen bauchen wir, um uns gegen die anderen Hersteller zur Wehr zu setzen, gegen Suzuki, Ducati und so weiter.»

Viñales profitierte von der verhältnismäßig langsamen Rennpace im Feld. Die Pace fiel sogar auf hohe 1:55er-Rundenzeiten, während Pecco Bagnaia mit der Ducati im Quali mit 1:52,772 min aufgetrumpft hatte.

«Als ich Jack überholt habe, bin ich eine 1:54,6-min-Runde gefahren», erinnert sich Viñales. «Da habe ich mich im Rennen zum ersten Mal ans Limit gepusht. Dadurch konnte ich den Abstand zur Spitze deutlich verringern. Ich trichterte mir ein: ‚Bleib ruhig, Maverick! Überhol einfach die Fahrer, werde nicht zu enthusiastisch, verheiz‘ die Reifen nicht. Deine Gelegenheiten kommen noch.‘ Als ich an Pecco Bagnaia vorbei war, habe ich beim ‚engine mapping’ auf maximale Power geschaltet. Dann bin ich drei, vier Runden richtig Vollgas gefahren. Wie im Quali. Nachher habe ich wieder auf die Reifen aufgepasst für den Fall, dass Johann oder Pecco am Schluss noch einmal angreifen.»

Unglaublich: Der 26-jährige Katar-Sieger hat bereits 173 Grand Prix bestritten, davon 106 in der MotoGP, aber er hat mit dem Auftakterfolg zu Beginn seiner siebten Saison in der Königsklasse erst neun MotoGP-Triumphe in der Tasche, der zwei Jahre ältere Marc Márquez hingegen 56.

«Ich habe mich am Sonntag sehr wohl gefühlt auf dem Motorrad. Ich habe gesehen, dass wir beim Vorderreifen ein sehr starkes Potenzial haben. Wir sind zurück, und das ist am Wichtigsten.»

Viñales bezeichnete die Saison 2020 einmal als die schlimmste seiner GP-Karriere; er beendete sie nur als Gesamtsechster.

Deshalb hütet sich der WM-Spitzenreiter jetzt vor hochtrabenden Prognosen. «Ich werde jetzt nicht behaupten, ich sei der Mann, der Weltmeister wird. Unser Plan ist es, jedes Rennen und jeden Tag gesondert zu betrachten. Wir möchten uns täglich verbessern, wir möchten das Bike noch schlagkräftiger machen. Wir müssen auch in der zweiten Saisonhälfte gewinnen. Es wird der Tag kommen, an dem die Strecke nicht zu uns passt. Wir müssen aber auch dort auf das Podest fahren. Wir dürfen also nicht locker lassen, damit wir auch am Ende der Meisterschaft stark sind.»

Viñales ist seit Februar mit Raquel verheiratet, sie erwarten eine Tochter. Dazu ist er WM-Leader. Viel besser kann das Leben momentan für ihn nicht werden.

«Ich fühle mich gesegnet», hält der Losail-Sieger dankbar fest. «Ich bin für alles dankbar, was gerade in unserer Familie passiert.»

Katar-GP, MotoGP-Ergebnis, 28. März:

1. Viñales, Yamaha, 42:28,663 min
2. Zarco, Ducati, + 1,092 sec
3. Bagnaia, Ducati, + 1,129
4. Mir, Suzuki, + 1,222
5. Quartararo, Yamaha, + 3,030
6. Rins, Suzuki, + 3,357
7. Aleix Espargaró, Aprilia, + 5,934
8. Pol Espargaró, Honda, + 5,990
9. Miller, Ducati, + 7,058
10. Bastianini, Ducati, + 9,288
11. Bradl, Honda, + 10,299
12. Rossi, Yamaha, + 10,742
13. Oliveira, KTM, + 11,457
14. Binder, KTM, + 14,100
15. Martin, Ducati, + 16,422
16. Marini, Ducati, + 20,916
17. Lecuona, KTM, + 21,026
18. Morbidelli, Yamaha, + 23,892
19. Savadori, Aprilia, + 46,346

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