Der talentierte Ai Ogura: MotoGP-WM statt Nakagami?
Längst vergangen sind die Tage, als die japanischen GP-Fahrer nicht nur die kleinen WM-Klassen (125 und 250 ccm) beherrschten, sondern auch in der Königsklasse (500 ccm) für Furore sorgten. Wir erinnern uns an Helden wie Norick Abe, Tadayuki Okoda, Haruchika Aoki, Takuma Aoki, Tohru Ukawa, Daijiro Katoh, Katsuyuki Nakasuga und Hiroshi Aoyama, der sich jedoch in der MotoGP-WM nach seinem 250-ccm-Titelgewinn mit Honda von 2009 im Interwetten-Honda-500-Team von Daniel Epp in der Saison 2010 auf der Honda RC213V nicht überragend zurechtfand und dann wegen Brustwirbelbrüchen lange pausieren musste.
Aber seit den ersten Moto2-Erfolgen von Ai Ogura 2021 ist es bei den HRC-Managern ein offenes Geheimnis, dass der aktuelle Moto2-WM-Zweite der nächste MotoGP-Rennfahrer aus Japan sein könnte.
Nach den jüngsten Erfolgen von Ogura im Idemitsu Honda Team Asia des erfolgreichen Teammanagers Hiroshi Aoyama könnte die MotoGP-WM für Ogura rascher ein konkretes Thema werden als noch vor dem Saisonstart erwartet wurde. Denn der 21-jährige Japaner hat die Saison mit zwei sechsten Plätzen, einem dritten Platz in Termas de Río Hondo und Platz 2 in Texas stärker als erwartet begonnen.
Gleichzeitig bleibt der japanische Idemitsu-LCR-Honda-Werkspilot Takaaki Nakagami in dieser Saison viel schuldig. LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello hat in den letzten mehr als vier Jahren viel Geduld mit Nakagami bewiesen. Er hat diesen Wackelkandidaten immer wieder kritisiert, zum Beispiel wegen der zu schwachen Anfangsphasen in den Rennen.
Taka blieb in mehr als vier MotoGP-Jahren bisher ein Podestplatz verwehrt. Drei vierte Plätze in Jerez 2020, in Valencia 2020 und in Jerez 2021 sind die einzigen Lichtblicke. Dazu kommt eine Pole-Position 2020 in Aragón, doch damals stürzte Nakagami bereits nach wenigen Kurven.
Die Frage, ob Ogura von HRC schon 2023 in die «premier class» transferiert werden soll, beschäftigt die unter Druck stehenden HRC-Manager seit einigen Wochen stark.
Denn selbst der Ausnahmekönner Casey Stoner ist für 2006 in die Königsklasse ohne vorherigen Titelgewinn aufgestiegen, Fabio Quartararo tat es ihm 2019 nach. Für die Saison 2021 haben das auch Oguras ehemalige Gegner Raúl Fernández, Di Giannantonio, Bezzecchi und Darryn Binder getan, nach der Saison 2020 bereits Luca Marini.
Taka Nakagami: Schwache Bilanz
Ai Ogura ließ bereits 2019 als 19-Jähriger mit Platz 2 in Aragón der der Moto3-WM aufhorchen. 2020 gelangen ihm in der 250-ccm-Viertakt-Klasse gleich fünf dritte und ein zweiter Rang. Er wurde WM-Dritter und dann von Teamchef Hiroshi Aoyama in die Moto2-Klasse befördert.
Hier hat Ogura mit seinen 21 Jahren bei bisher 21 Grand Prix schon zwei Podestplätzen eingefahren, insgesamt sind es zehn.
Die japanischen Honda-Manager wissen natürlich genau: Nakagami hat die Moto2-WM von 2012 bis Ende 2017 sechs Jahre lang bestritten, immer in Spitzenteams wie Italtrans und Honda Asia, aber er in all diesen Jahren nur zwei Siege errungen – in Assen 2016 und Silverstone 2017. In der Moto2-WM-Gesamtwertung schaffte er nur die Ränge 15, 8, 22, 8, 6 und 7.
Auch die MotoGP-Bilanz seit 2018 sieht nicht überragend aus. Bisher stehen die WM-Ränge 20, 13, 10 und 15 zu Buche, aktuell liegt Taka in der MotoGP-WM an 16. Position, mit zwölf kargen Punkten aus vier Rennen.
Ogura war 2021 in der Moto2-WM hinter dem überragenden achtfachen Saisonsieger Raúl Fernández der zweitbeste von sieben Rookies, obwohl er sich im vorletzten Rennen einen Bruch am linken Fuß zuzog und deshalb das Finale in Valencia verpasste.
Der begnadete Japaner eroberte in seinem ersten Jahr in der zweithöchsten Klasse auf der Kalex zwölf Top-10-Ergebnisse und stand im zweiten Spielberg-Rennen erstmals auf dem Podest – als Zweiter. In der Endabrechnung landete der Kalex-Pilot aus dem Honda Team Asia auf WM-Rang 8.
«Das Vorjahr war schwierig, es war meine erste Moto2-Saison und ich war ein bisschen besorgt, weil ich zuvor keinerlei Erfahrung auf größeren Motorrädern hatte», blickt Ogura zurück. «Nach ein paar Rennen war das Gefühl aber gut, ich schaffte den Podestplatz in Österreich und wurde Gesamtachter. Es war also eine gute Saison.»
«Mein Ziel für dieses Jahr ist ein Gesamtrang in den Top-3 sein», meinte Ogura vor dem Saisonstart.
Der aus Tokyo stammende Ogura nannte vor dem Saisonstart in Katar zwei Titelanwärter. «Einer ist Augusto Fernandez aus dem Red Bull KTM Ajo Team und der andere Aron Canet, der von Boscoscuro auf Kalex gewechselt ist. Aus meiner Sicht werden es in der Moto2 hauptsächlich diese zwei Jungs sein – und ich werde versuchen, bei ihnen vorne mitzumischen», ergänzte Ogura, dessen Honda Asia-Rennstall in der Team-WM auf Platz 1 liegt.
Übrigens: Vor seiner GP-Laufbahn hat Ogura eine künstlerische Ader entfaltet und bei seinem Helmhersteller Arai Helme designt und kunstvoll lackiert.
Ist der Schritt in die Königsklasse für den 21-jährigen Honda Team Asia-Fahrer jetzt schon ein Thema geworden? «Es ist natürlich nicht super weit weg, denn Leute wie Di Giannantonio, Raúl, Remy, Bezzecchi fuhren im Vorjahr alle noch mit mir», antwortete Ogura auf die Frage von SPEEDWEEK.com. «Ich weiß aber, dass es noch nicht reicht. Ich arbeite weiter und möchte eines Tages in die MotoGP, das ist mein Ziel.»
Ai Ogura weiß, dass die HRC-Manager sehr loyal sind und sich Nakagami bei seinen drei Siegen beim prestigeträchtigen Acht-Stunden-Langstrecken-WM-Rennen von Suzuka für Honda wertvolle Verdienste erworben hat. Aber vielleicht wäre Nakagami im Honda-SBK-Werksteam ohnedies besser aufgehoben.
Und wenn HRC zu lange zögert, könnte Ai Ogura flugs bei einem anderen Hersteller landen, zum Beispiel beim WithU-RNF-Yamaha-Team, das mit Darryn Binder und Andrea Dovizioso bisher weit hinter den Erwartungen geblieben ist.
Anderseits ist sich Honda-Urgestein Nakagami durchaus bewusst, dass Honda endlich neue Talente für das Repsol-Honda-Team aufbauen muss. Denn Marc Márquez geht auf die 30 zu, Pol Espargaró wird im Juni 31 Jahre alt.
Und aus Nakagami ist in der Moto2-WM nie ein Titelanwärter geworden, in der MotoGP wird er es mit 30 Jahren auch nicht mehr.
Moto2-Ergebnis, Austin, Rennen (10. April):
1. Tony Arbolino, Kalex, 18 Runden, 39:06,552 min (152,2 km/h)
2. Ai Ogura, Kalex, + 3,439 sec
3. Jake Dixon, Kalex, + 4,787
4. Marcel Schrötter, Kalex, + 14,529
5. Jorge Navarro, Kalex, + 16,347
6. Jeremy Alcoba, Kalex, + 17,388
7. Bo Bendsneyder, Kalex, + 17,631
8. Joe Roberts, Kalex, + 19,784
9. Augusto Fernandez, Kalex, + 24,595
10. Barry Baltus, Kalex, + 30,291
11. Albert Arenas, Kalex, + 33,475
12. Marcos Ramirez, MV Agusta, + 34,785
13. Manuel Gonzalez, Kalex, + 34,988
14. Filip Salac, Kalex, + 37,786
15. Romano Fenati, Boscoscuro, + 38,408
Fahrer-WM-Stand nach 4 von 21 Rennen:
1. Vietti 70 Punkte. 2. Ogura 56. 3. Arbolino 54. 4. Canet 49. 5. Chantra 45. 6. Lowes 35. 7. Dixon 32. 8. Fernandez 31 9. Roberts 24. 10. Schrötter 23. 11. Navarro 23. 12. Arenas 22. 13. Acosta 20. 14. Bendsneyder 17. 15.Beaubier 16. 16. Alcoba 14. 17. Aldeguer 9. 18. Baltus 6. 19. Ramirez 5. 20. Gonzalez 5. 21. Salac 2. 22. Fenati 1.
Konstrukteurs-WM:
1. Kalex 100 Punkte. 2. Boscoscuro 11. 3. MV Agusta 5
Team-WM:
1. Idemitsu Honda Team Asia 101 Punkte. 2. Elf Marc VDS Racing 89. 3. Flexbox HP40 72. 4. Mooney VR46 Racing 70. 5. Shimoko GASGAS Aspar 54. 6. Red Bull KTM Ajo 51. Liqui Moly Intact GP 37. 8. Italtrans Racing 24. 9. Pertamina Mandalika SAG 17. 10. American Racing 16. 11. MB Conveyors Speed up 11. 12. RW Racing GP 6. 13. MV Agusta Forward 5. 14. Yamaha VR46 Master Camp 5. 15. Gresini Racing Moto2 2.