MotoGP: Große Veränderungen bei KTM

Ducati: Was passiert mit Bastianini, Miller & Zarco?

Von Günther Wiesinger
Spätestens nach dem Catalunya-GP (5. Juni) entscheidet Ducati, ob Enea Bastianini statt Miller ins Werksteam kommt. Wenn Miller statt zu KTM zu Pramac geht, könnte Zarco bei Gresini landen, sagt Sportdirektor Ciabatti.

Ducati Corse hat in der MotoGP-Saison bereits vier von sieben Rennen gewonnen, die Italiener führen in der Konstrukteurs-WM und belegen mit Ducati Lenovo (Bagnaia, Miller) Platz 4 in der Team-WM. Vier Desmosedici-Fahrer halten sich vor dem wichtigen Heim-GP in Mugello in der Fahrer-WM unter den Top-7.

Doch die Ducati-Verantwortlichen wie CEO Claudio Domenicali, Ducati Corse-General Manager Gigi Dall’Igna und Sportdirektor Paolo Ciabatti haben mit dem beständigen WM-Leader Fabio Quartararo (Yamaha), dem starken Suzuki-Werksteam und dem WM-Zweiten Aleix Espargaró (Aprilia) einige Gegner, die Kopfzerbrechen verursachen.

Gleichzeitig müssen jetzt weitreichende und schwierige Entscheidungen getroffen werden: Wie werden die vier Ducati-MotoGP-Teams für 2023 besetzt? Der Vertrag mit Enea Bastianini, dem dreifache Saisonsieger, wurde jetzt bis Ende 2024 verlängert. In welchem Team er fahren wird, ist noch offen. Zu 70 Prozent werde er im Werksteam den Platz von Miller übernehmen, war zuletzt bei Ducati zu hören. Ducati will vor der endgültigen Entscheidung noch die beiden Grand Prix in Mugello (29. Mai) und Catalunya (5. Juni) abwarten. SPEEDWEEK.com hat bei Paolo Ciabatti vor dem Mugello-GP nachgefragt.

Paolo, wenn wir vermuten, dass Bastianini für 2023 ins Ducati Lenovo-Team transferiert wird, liegen wir nicht falsch. Oder?

Es ist eine Möglichkeit. Aber es steht noch nicht zu 100 Prozent fest. Die Aussichten für Enea sind auf jeden Fall gut.

Nach welchen Merkmalen wird entschieden? Bastianini hat eine steile Lernkurve, seine Rennperformance ist unglaublich, er ist jünger als Miller, er hat schon drei Saisonsiege errungen, Miller keinen. Und Jorge Martin hat 2022 fünf Rennstürze fabriziert. Es spricht also nichts gegen Enea.

Wir müssen verschiedene Aspekte berücksichtigen, auch die Erwartungen unserer Sponsoren. Jorge Martin ist ein fantastischer Fahrer, aber er hat bei den ersten sieben Rennen fünf Stürze gehabt.

Wir haben keine Eile. Wir warten deshalb ab, bis wir entscheiden, wer in welches Team geht. Wir wollen uns alles gut überlegen.

Die Fakten sind klar: Enea hat als einziger Fahrer in diesem Jahr drei Siege errungen. Er ist als bester Ducati-Pilot WM-Dritter, er liegt in der WM nur acht Punkte hinter Spitzenreiter Quartararo.

Sein Kontrahent Jorge Martin hingegen hat bisher einen zweiten und einen achten Platz vorzuweisen. Er liegt 74 Punkte hinter Quartararo.

Ja, Jorge ist fünfmal punktelos geblieben. Man muss aber erwähnen, dass der Sturz in Katar nicht seine Schuld war. Dort ist er von Bagnaia abgeräumt worden.

Jorge ist auf jeden Fall superschnell. Er hat 2022 bereits zwei Pole-Positions errungen, zweimal stand er auf dem zweiten Startplatz.
Deshalb ist unsere Entscheidung nicht einfach.

Aus diesem Grund möchten wir zuerst die Optionen auf die Fahrer einlösen und dann entscheiden, in welchem Team sie 2023 fahren werden.

Jack Miller hat 2021 in Jerez und Le Mans in acht Tagen zwei Rennen gewonnen. Wenn er jetzt zweimal hintereinander gewinnt, wird bei Ducati die Qual der Wahl noch größer.

Ich weiß, ich weiß. Aber was sollen wir tun? Sollten wir nicht froh sein, dass wir so viele schnelle Fahrer auf unseren Motorrädern haben?

Es ist ein Luxusproblem.

Ducati rüstet in der MotoGP-WM acht Fahrer aus. Sechs sind Italiener oder Spanier, dazu kommen Miller und Zarco. Ist Südeuropa im Fahreraufgebot für eine Weltmarke nicht zu stark vertreten?

Zuerst muss man berücksichtigen, dass wir zum Beispiel beim Mooney VR46-Team bei der Fahrerwahl kein Mitspracherecht haben. Das ist ein unabhängiges Team. Sie haben die Strategie, ihre Fahrer aus der VR46 Riders Academy in die MotoGP zu bringen. Das ist verständlich und sinnvoll.

Was die Fahrerwahl bei Gresini Racing betrifft: Fausto hatte vor seinem Tod eine Vereinbarung mit Fabio Di Giannantonio für die MotoGP-WM 2022. Das war sein Plan und ist respektiert worden. Dass dazu für 2022 Enea Bastianini nach seiner starken Rookie-Saison engagiert wurde, war verständlich.

Ducati hat nicht auf die Nationalität geschaut, als wir die Fahrer verpflichtet haben, sondern wir haben überlegt: Welche sind die vielversprechendsten jungen Fahrer? Deshalb haben wir Enea unter Vertrag genommen und ihn bei Gresini Racing platziert.

Wenn man sich heute nach den Talenten in der Moto2- und sogar Moto3-WM umschaut, sieht man in erster Linie Spanier und Italiener. Die meisten Siegfahrer kommen aus diesen Ländern.

Falls Bastianini zu Bagnaia ins Werksteam stößt, hat Ducati drei Kandidaten für das Pramac-Team: Miller, Zarco und Jorge Martin.

Zuerst müssen wir abwarten, was Jack Miller tun wird. Natürlich hören wir, dass er mit KTM verhandelt. Das ist kein Geheimnis.

Wir haben Jack und seinem Manager Aki Ajo gesagt: Wenn ihr einen Platz in einem Werksteam sucht, dann schaut euch bitte um, denn wir können Jack im Moment keinen Platz im Factory Team für 2023 anbieten.

Es kann also sein, dass wir für die zwei Teams fünf Fahrer haben. Vielleicht sind es aber am Ende nur vier.

KTM hat die Optionen auf Oliveira, Gardner und Raúl Fernández bisher nicht eingelöst. Jack Miller könnte also theoretisch neben Brad Binder im Red Bull-Werksteam fahren; auch Rins und Pol Espargaró kommen in Frage. Aber Jack findet bei Ducati wohl das schlagkräftigere Paket vor.

Ja, Jack kennt unser Motorrad nach fünf Jahren sehr gut. Die technische Seite spricht also für einen Verbleib bei Ducati.

Aber wir müssen uns auch beim Geld und bei der Vertragsdauer einig werden.

Es kann passieren, dass Jack von einem Mitbewerber ein besseres finanzielles Angebot bekommt. Dann müssen wir prüfen, ob wir da gleichziehen können oder nicht.

Es gibt keinen Zweifel: Ducati wäre froh, wenn wir Jack behalten könnten.

Aber ob uns das gelingt und ob die Bedingungen das erlauben, lässt sich bisher nicht sagen.

Gresini Racing wird Bastianini verlieren. Wird Ducati bei der Suche nach einem neuen Topfahrer helfen?

Wir haben ein sehr enges Verhältnis zu diesem Rennstall. Die Verantwortlichen bei Gresini beraten sich immer mit uns, wenn es um solche Entscheidungen geht.

Klar: Wenn Bastianini ins Werksteam oder zu Pramac geht, werden wir mit der Gresini-Mannschaft besprechen, welche Fahrer mit einem guten Level verfügbar sind.

Wenn ein MotoGP-Team daran gewöhnt ist, Siege einzufahren, ist es schwierig, den Topfahrer durch einen Rookie zu ersetzen.

Außerdem muss jedes Team seine Sponsoren zufriedenstellen. Und einige Sponsoren begnügen sich nicht damit, einfach junge Fahrer auszubilden.

Die Geldgeber wollen vorne mitfahren, Publicity haben und im Fernsehen abgebildet werden.

Wenn sich Jack Miller für die Rückkehr zu Pramac entscheidet, könnte Zarco dann zu Gresini transferiert werden?

Warum nicht?

Aber es ist noch ein bisschen zu früh, um darüber nachzudenken.
Denn vielleicht schlägt Jack eine andere Richtung ein.

MotoGP-Ergebnis, Le Mans (15. Mai):

1. Bastianini, Ducati, 27 Rdn in 41:34,613 min
2. Miller, Ducati, + 2,718 sec
3. Aleix Espargaró, Aprilia, + 4,182
4. Quartararo, Yamaha, + 4,288
5. Zarco, Ducati, + 11,139
6. Marc Márquez, Honda, + 15,155
7. Nakagami, Honda, + 16,680
8. Brad Binder, KTM, + 18,459
9. Marini, Ducati, + 20,541
10. Viñales, Aprilia, + 21,486
11. Pol Espargaró, Honda, + 22,707
12. Bezzecchi, Ducati, + 23,408
13. Di Giannantonio, Ducati, + 26,432
14. Alex Márquez, Honda, + 28,710
15. Morbidelli, Yamaha, + 29,433
16. Dovizioso, Yamaha, + 38,149
17. Darryn Binder, Yamaha, + 59,748
– Oliveira, KTM, 3 Runden zurück
– Bagnaia, Ducati, 7 Runden zurück
– Martin, Ducati, 11 Runden zurück
– Mir, Suzuki, 14 Runden zurück
– Fernández, KTM, 21 Runden zurück
– Rins, Suzuki, 22 Runden zurück
– Gardner, KTM, 24 Runden zurück

WM-Stand nach 7 von 21 Grand Prix:

1. Quartararo 102 Punkte. 2. Aleix Espargaró 98. 3. Bastianini 94. 4. Rins 69. 5. Miller 62. 6. Zarco 62. 7. Bagnaia 56. 8. Brad Binder 56. 9. Mir 56. 10. Marc Márquez 54. 11. Oliveira 43. 12. Pol Espargaró 40. 13. Viñales 33. 14. Nakagami 30. 15. Martin 28. 16. Marini 21. 17. Morbidelli 19. 18. Bezzecchi 19. 19. Alex Márquez 18. 20. Dovizioso 8. 21. Darryn Binder 6. 22. Di Giannantonio 3. 23. Gardner 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 156 Punkte. 2. Yamaha 102. 3. Aprilia 99. 4. KTM 84. 5. Suzuki 80. 6. Honda 67.

Team-WM:

1. Aprilia Racing 131 Punkte. 2. Suzuki Ecstar 125. 3. Monster Energy Yamaha 121. 4. Ducati Lenovo 118. 5. Red Bull KTM Factory 99. 6. Gresini Racing MotoGP 97. 7. Repsol Honda 94. 8. Pramac Racing 90. 9. LCR Honda 48. 10. Mooney VR46 Racing 40. 11. WithU Yamaha RNF 14. 12. Tech3 KTM Factory 3.

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