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Roland Berger: «Sein Talent ist unendlich»

Von Werner Jessner
Der Direktor der technischen FIM-Kommission analysiert diesmal die Problemzonen von Honda, enttarnt die seitlichen Würstel an der KTM-Verkleidung und wagt eine Prognose über die WM-Favoriten der Saison.

Den ersten Teil unserer Interview-Serie mit Roland Berger, Direktor der technischen FIM-Kommission, jahzehntelangem MotoGP-Insider und Honda.Führungsfigur, kann man hier HIER nachlesen. Darin geht es um Aerodynamik, um den kritischen Vorderreifen und das MotoGP-Reglement ab 2027.

In dieser Folge analysiert er das Honda-Drama, die Arbeit von Adrian Newey, die Chancen von Marc Márquez auf einen weiteren Titel sowie jene von Pedro Acosta auf seinen ersten MotoGP-Sieg.

 

Werden wir 2024 eine gute Saison sehen?

Ich bin optimistisch, dass wir eine spannendere Saison als 2023 sehen werden. Ich bin allerdings nicht optimistisch, dass wir eine Saison sehen werden wie damals, als sich Kevin Schwantz und Wayne Rainey in einem einzigen Rennen 27-mal ausgebremst haben. Das dauert noch ein wenig.

 

Wie schätzt du Marc Márquez ein?

Fahrerisch ist er in einer eigenen Liga, allerdings auch motivationsmäßig: Manchmal hat er einfach ein bisschen zu viel davon. Schaut man ihm genau zu, verfällt er hie und da wieder in seinen alten Stil, den du früher gebraucht hast: Vorderrad in der Höhe, Hinterrad in der Höhe und so weiter. Das mögen die heutigen Reifen überhaupt nicht. Die Frage ist, ob er sich so weit unter Kontrolle hat, keinen Schwachsinn zu machen. Schafft er das, halte ich ihn sogar für einen WM-Kandidaten. Kann er das nicht, wird er nur ein paar Rennen gewinnen.

 

Das alte Motorrad im Vergleich zu den 2024er-Bikes der Werkspiloten?

…ist sicher nicht nur ein Nachteil. Immerhin wurde Francesco Bagnaia damit Weltmeister.

 

Wer ist dein WM-Favorit?

Such dir einen Ducati-Fahrer aus. Bastianini ist sicher eine heiße Wahl. Di Gianantonio kann das, der amtierende Doppelweltmeister auch. Entscheidend wird sein, möglichst wenig Blödsinn zu machen.

 

Wie konnte Honda in dieses unfassbare Tal der Tränen absteigen?

Ich habe vier Jahrzehnte für Honda gearbeitet. Wenn sie wirklich wollen, sind die in zwei, drei Monaten dort, wo sie zu sein haben. Sie wissen alles und haben alle Möglichkeiten, um das umzusetzen. Aber du musst all das mit den richtigen Leuten korrekt zusammensetzen. Aber ob sie das so schnell schaffen? Es wurde ja das gesamte Management getaucht. Das ist Teil von Hondas Management-Philosophie: Alle drei bis fünf Jahre wird getauscht. Dieser Wechsel hat vergangenen März stattgefunden. Bis sich ein Team findet, dauert es. Je nachdem, wie rasch die concessions umgesetzt werden sollte es gegen Mitte der Saison deutlich besser werden.

 

Gibt es Indizien?

Der erste Test des neuen Bikes mit Stefan Bradl. Die Zeiten waren sehr flott, obwohl die Reifen uralt waren. Zusätzlich deutet das Feedback der Fahrer darauf hin, dass das neue Motorrad einfacher zu fahren sein dürfte als das alte. Man muss es nicht mehr so zwingen.

 

Warum hat Marc seiner Honda am Sachsenring den Stinkefinger gezeigt?

 Man hatte ein Marc-Motorrad entwickelt, mit dem die anderen Fahrer nicht so stark waren. Dann kamen andere Elemente dran. Neue Flügel, die Aerodynamik generell hat nicht zusammengepasst. Die Position des Motors war nicht ideal. Damit wurde es immer schwieriger, es vernünftig zu fahren.

 

Honda hätte das alles wissen können.

Aber es zu ändern ist nicht so einfach. Flügel vielleicht schon, aber eine Motor-Position eben nicht. Der V-Motor war bislang nach vorn geneigt. Vielleicht war das nicht so ideal. Man muss aber ein totaler Insider sein, um beurteilen zu können, was im Einzelfall konkret getan werden muss. Der Vorteil: Jetzt haben sie viel mehr Testrunden. Bei einem GP kannst du zwar auch testen, aber bei weitem nicht so viel.

 

Honda und Yamaha sollten also zu KTM und Aprilia aufschließen können?

Zu Aprilia. Bei KTM kann es gut sein, dass sie den nächsten Sprung gemacht haben, aber ich weiß es nicht.

 

Was kann man Rookie Pedro Acosta fairerweise zutrauen?

Ich kann nicht einschätzen, wie gut er mit dem Reifen-Management zurechtkommt. Aber er hat eines der besten Teams um sich, die es gibt. Top-10-Plätze traue ich ihm öfter zu, vielleicht gewinnt er einen GP, wenn die Umstände passen. In der WM halte ich Platz 5 bis 7 für machbar, denn sein Talent ist unendlich.

 

Wird es je wieder einen Weltmeister in seiner ersten MotoGP-Saison geben, wie es Marc Márquez geschafft hat?

Das war ein reiner Glückstreffer. Das Motorrad hat perfekt zu ihm gepasst. Ob es so einen Glückstreffer noch einmal gibt? Kann sein, aber man kann es nicht erzwingen.

 

Wie schätzt du die Zusammenarbeit von KTM mit Red Bull Racing ein? Bringt das was?

Ganz sicher! 10 PS findet keiner über den Winter. Aber einen Einstein wie Adrian Newey zu haben, den auch andere Dinge als die F1 interessieren, hilft massiv, gar keine Frage. Bessere Aerodynamik heißt: schneller fahren. Die seitlichen Würstel an der Verkleidung, mit der Jack Miller beim Test zu Saison-Ende unterwegs war, dienen zum Beispiel dazu, den Luftstrom an das Fahrzeug anzulegen. Man spricht von einem Grenzschichtzaun. Das haben sie probiert.

 

Werden wir das beim Sepang-Test wieder sehen?

Ich würde vermuten, dass sie ein wenig anders aussehen werden.

 

Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass Aerodynamik auf Motorrädern ein dermaßen dominantes Thema werden würde?

Ist ja alles nicht nur schlecht daran. Es bedeutet unter anderem, dass der Fahrer einen ruhigeren Arbeitsplatz hat, auf dem es weniger zieht.

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