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Dreikampf um den Titel: Steckt Ducati in der Misere?

Kolumne von Michael Scott
Der WM-Kampf in der MotoGP spitzt sich zu. Neben Pecco Bagnaia und Jorge Martin, hat sich nach seinem Doppelsieg in Silverstone mit Enea Bastianini ein weiterer Ducati-Fahrer in Stellung gebracht.

Die Startnummer 1, so Mick Doohan, ist nichts weiter als eine Zielscheibe für die anderen Fahrer: «Wenn du auf dem Motorrad sitzt, kannst du sie nicht einmal sehen.»

Doch es gibt andere, für die dieses oberflächliche Ehrenabzeichen wirklich etwas bedeutet – einigen Fahrern und noch wichtiger, allen Herstellern. Denn ein Bild ihres Motorrads mit dem Zeichen des Champions ist sehr werbewirksam.

Der britische GP sowie die Ereignisse im Vorfeld haben diese Frage in den Vordergrund gerückt. In Silverstone holte sich der oft zu Unrecht unterschätzte Enea Bastianini einen klaren Doppelsieg und brachte sich damit endgültig ins Rennen um die Meisterschaft.

Seine dominante Leistung mag ein wenig unerwartet gewesen sein – jedoch nicht wirklich, wenn man die Geschichte des 26-Jährigen betrachtet. Bastianini, erfrischenderweise der einzige italienische Spitzenfahrer, der nicht zum VR46-Milieu gehört, gewann 2022 vier Rennen auf einer ein Jahr alten Ducati und verdiente sich damit einen Platz im Werksteam.

2023 erlebte das selbsternannte «Biest» (ein unpassender Spitzname für eine umgängliche Persönlichkeit und einen kühlen, berechnenden Fahrer) einen verletzungsgeplagten Albtraum. Gleich beim ersten Rennen, dem Eröffnungssprint in Portugal, beförderte ihn Marini aus dem Rennen, wobei er sich die Schulter brach. Bastianini verpasste fünf Rennen – kurz nach seiner Rückkehr stürzte er wieder, und zwar in der berüchtigten ersten Kurve von Catalunya. Er nahm die Schuld für den Sturz von Zarco, Bezzecchi, Márquez und Di Giannantonio auf sich und verletzte sich erneut – er verpasste drei weitere Rennen.

Obwohl er nie ganz fit war, konnte er in Malaysia einen Sieg einfahren. Wie im Jahr zuvor, war es eine Demonstration bemerkenswerter Reifenschonung und eines hohen Tempos in der Schlussphase des Rennens. Wie auch dieses Jahr in Mugello, als er mehr als eine Sekunde aufholte und Viñales in der letzten Kurve den zweiten Platz entriss.

Jetzt, in der Mitte des Saison 2024, wo Márquez auf seinem ein Jahr alten Bike etwas zurückfällt, liegt der Fokus des Meisterschaftskampfes auf dem Titelverteidiger Bagnaia und dem mit einem knappen Vorsprung führenden Martin. Und jetzt auch noch Bastianini. Nach der Maximalpunktzahl in Großbritannien liegt der zweite Ducati-Werksfahrer nur noch 49 Punkte zurück. Insgesamt sind in der zweiten Saisonhälfte noch 370 Punkte zu vergeben – alle drei Kontrahenten fahren eine GP24, so dass Ducati den Titel praktisch schon in der Tasche hat.

Doch in der nächsten Saison wird von diesem Trio nur noch Bagnaia für den Hersteller aus Bologna fahren. Sein neuer Teamkollege ist kein Geringerer als Marc Márquez.

Martin, der sich darüber ärgerte, dass er bei der Wahl zum Werksfahrer zweimal übergangen wurde, unterschrieb prompt bei Aprilia. Bastianini, der im Falle seines Verbleibs degradiert werden würde, wird zu KTM wechseln.

Jeder der Konstrukteure wäre mehr als erfreut, wenn eines ihrer Motorräder die Nummer Eins tragen würde. Das bringt Ducati in eine Zwickmühle, die sie selbst verursacht haben. Vielleicht sind sie aber auch nur unschuldige Opfer, die von der Kraft und dem Ehrgeiz von Marc Márquez überrumpelt wurden. Es war sein Beharren darauf, nächstes Jahr ein vollwertiges Werksmotorrad zu bekommen, kombiniert mit seiner Weigerung, eine Rolle im Pramac B-Team zu akzeptieren, die den ganzen Schmerz auslöste.

Als Folge davon hat Pramac auch die Flinte ins Korn geworfen – nach 20 gemeinsamen Jahren kehrten sie Ducati den Rücken, um sich nächstes Jahr mit Yamaha zu verbinden. Trotzdem bestätigte Ducati-Chef Davide Tardozzi in Silverstone, dass neben den beiden GP25 für Bagnaia und Márquez im Werksteam eine dritte an Di Giannantonio in Rossis VR46-Team gehen wird. Hätten sie diese stattdessen an Marcs derzeitiges Gresini-Team gegeben, wäre er glücklich gewesen, dort zu bleiben. Martin hätte befördert werden können, wie er es wollte; Bastianini wäre mit einer bevorzugten Behandlung bei Pramac besänftigt worden.

So oder so, Ducati steckt in der Misere. In der Vergangenheit haben sie sich bei der Erteilung von Stalldordern zurückgehalten – wie letztes Jahr zwischen Bagnaia und Martin. Damals gab es nichts zu verlieren. Selbst wenn sie jetzt Teamanweisungen erteilen, warum sollte einer der beiden scheidenden Fahrer das Gefühl haben, sie befolgen zu müssen? Bagnaia und Márquez vielleicht. Aber wie könnten die Befehle lauten? Sich zusammentun, um die beiden anderen zu Fall zu bringen?

Es gibt einen Weg, wie sie Bagnaia begünstigen können – nicht so plump, wie Zucker ins Benzin zu mischen, aber es läuft auf dasselbe hinaus: Mechanische Sabotage. Wenn auch nur indirekt, indem sie Bagnaia Upgrades geben, die den beiden anderen verwehrt bleiben.

Zu Rossis Zeiten war Michelin immer in der Lage, spezielle streckenspezifische Reifen nur für ihn bereitzustellen – fragen Sie nur Casey Stoner. Aber auch das ist nicht möglich. Das ist ein Job für einen modernen Machiavelli. Und gibt es bei Ducati jemanden, der so manipulativ böse ist? Bitte beantworten Sie diese Frage nicht.

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