Aprilia-Technik-Chef erklärt schwersten Teil des Jobs

Jorge Martin und Fabiano Sterlacchini
Seit dieser Saison ist Fabiano Sterlacchini der neue Technische Direktor bei Aprilia. Der Italiener ersetzte Romano Albesiano, der zu Honda wechselte. Auch der Rest der Technikmannschaft wurde beim Hersteller aus Noale umgekrempelt, dazu kommen die beiden neuen Fahrer Jorge Martin und Marco Bezzecchi.
Nach der Verletzungsmisere und dem drohenden Abgang von Martin zum Ende der Saison, ist mittlerweile Ruhe eingekehrt in der Aprilia-Box. Zudem bestätigen die Erfolge von Bezzecchi, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet – mit der RS-GP haben die Italiener derzeit ein konkurrenzfähiges Paket zur Verfügung.
Generell ist der Weg dorthin steinig – die Entwicklungsarbeit bei einem MotoGP-Bike ist von Rückschlägen geprägt. Dazu kommt, dass diese nie abgeschlossen ist und ständig voranschreiten muss, will man nicht den Anschluss verlieren. Es müssen, basierend auf Daten, Entscheidungen getroffen werden. Dann gibt es noch die soften Faktoren, wie die Kommentare und Emotionen der Fahrer, die in die Entwicklungsarbeit einfließen. Dies alles in Einklang zu bringen, ist oft nicht leicht. «Das ist ein wesentlicher Bestandteil meines Jobs. Als Ingenieur, der normalerweise immer den Fokus auf Fachbereiche wie Physik und Mathematik hat, musst du auch die Kommentare der Fahrer berücksichtigen – und diese Stimmen mit den Daten manchmal nicht überein», meinte Sterlacchini im exklusiven Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Mit deiner Erfahrung, deiner Kultur und deinem Wissen versuchst du dann, einen Weg zu finden. Es ist nicht einfach, denn auf der anderen Seite möchtest du den Daten folgen, denn diese spiegeln die Fakten wieder. Zugleich, wenn zum Beispiel ein Fahrer zu einem Motor mit mehr Leistung sagt, dass er diesen nicht fahren kann, dann hast du weniger Power zur Verfügung, weil du dem Fahrer vertraust. Das ist manchmal eine schwere Entscheidung und der schwierigste Teil des Jobs als Technischer Direktor.»
Wichtig ist dabei, die richtige Sprache zu finden, um ein gegenseitiges Verständnis zu gewährleisten. Auf welchem Komplexitätslevel kann sich Sterlacchini mit den Fahrern unterhalten? «Ich arbeite seit 1993 mit Rennfahrern zusammen und habe dazugelernt. Darüber hinaus haben sich die Welt und das technische Umfeld in den letzten 15 bis 20 Jahren sehr verändert», sprach der Ingenieur den Wandel von der analogen in die digitale Welt an. «Du musst die Art und Weise, wie du mit den Leuten sprichst, darauf anpassen, wen du vor dir hast. Normalerweise hast du junge Fahrer – sehr enthusiastische Menschen ohne spezifischen technischen Background und Wissen. Auf der anderen Seite hast du Ingenieure oder Techniker, die von einer Universität oder einer höheren Schule kommen. Wenn du dann mit dem Ingenieur über das Gefühl redest, dann ist es so, als ob du eine andere Sprache sprichst. Umgekehrt, wenn du dich mit einem Fahrer über Zahlen unterhältst, dann ist es auch dort wie eine andere Sprache. Der entscheidende Punkt ist, dass du lernen musst, richtig zu kommunizieren.»
Die Kommunikation in einem MotoGP-Team ist somit enorm wichtig, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und um nicht in eine falsche Richtung abzudriften. Welcher Hilfsmittel bedient sich Sterlacchini dabei? «Ich verfolge oft den metaphorischen Ansatz, wenn es um das Verständnis geht», erklärte er. «Oft nehme ich als Beispiel eine Küche her. Wenn ich zum Beispiel die Traktionskontrolle anpassen muss, dann denkt ein Fahrer, dass das einfach ist. Aber du hast sehr viele Zutaten, und wenn du diese unterschiedlich vermischst, dann hast du eine komplett andere Suppe. Dann sagt der Fahrer: ‘Okay, jetzt verstehe ich es.’ Das ist ein wichtiger Teil und du musst das bei der Zusammenarbeit mit allen Leuten in der Box berücksichtigen. Es (das Motorrad) ist ein Fahrzeug, das von Ingenieuren konstruiert wurde, gleichzeitig wird es von Piloten gefahren. Das Schwierige ist, das Ganze in Einklang zu bringen.»