Überholkönig Jorge Martin sprintete mit viel Köpfchen

Jorge Martin holte beim Premieren-Sprint am Balaton einen WM-Punkt
Im bisherigen Verlauf des MotoGP-Events in Ungarn kristallisierte sich eine Meinung bei nahezu allen Piloten heraus: Das Überholen auf dem Balaton-Park Circuit ist in der Königsklasse außergewöhnlich schwierig, manche beschrieben es sogar mit dem Wort «unmöglich». Im Sprintrennen am Samstag bestätigte sich der Eindruck überwiegend: Ohne einen groben Schnitzer des Vordermanns kam es nur vereinzelt zu Positionswechseln. Und wenn doch, dann war der Überholte häufig in der Lage, direkt zu kontern. Die Ausnahme im Feld: Jorge Martin.
Nach einem unglücklichen Qualifikationstraining startete der letztjährige Weltmeister nur von Rang 17. Am Ende des Sprints fuhr der Spanier mit Rang 9 immerhin noch einen WM-Zähler ein, acht Fahrer konnte er also hinter sich lassen. Zwar waren mit Fabio Quartararo, Enea Bastianini, Johann Zarco und Pedro Acosta vier davon Piloten, die zu Sturz kamen. Dennoch konnte der Fahrer mit der Nummer 1 mehr Fahrer auf der Strecke passieren als alle Konkurrenten. Seine mutmaßlich größte Stärke im Vergleich zu Teamkollege Bezzecchi fand das Team bereits in den freien Trainings heraus. Martin: «Ich bin hier stark beim Anbremsen. Schon früher am Wochenende wusste ich, dass ich im Vergleich zu Marco härter bremsen kann. Darum war ich zuversichtlich, dass ich während der Rennen Situationen haben würde, in denen ich beim Anbremsen überholen könnte.»
Schon die erste Runde des Sprintrennens lief für den Madrilenen nach Plan. Nach vier Kilometern war er bereits auf Platz 12 vorgerückt, ohne dabei am Start jedoch zu viel Risiko einzugehen: «Die erste Kurve nach dem Start galt für uns schon vor dem Rennen als zu riskant. Wir wollten mit Köpfchen fahren.» Eine Taktik, die sich auszahlte. Denn nach wenigen Kurven profitierte Martin vom Crash von Fabio Quartararo und den Folgeschäden.
Eigene Übermanöver kamen dazu: «Ich konnte mich in der ersten Runde gut positionieren. Ich wurde zwar auch von einem Fahrer angerempelt, bin aber gut durchgekommen. Und in der Folge konnte ich schon vor der zweiten Runde drei oder vier Fahrer aus eigener Kraft überholen, ich hatte den Dreh raus.»
Bei den Überholmanövern galt es für Martin, die Risiken abzuwägen: «Man kann nur an wenigen Stellen verschiedene Ideallinien fahren. Es ist hier auch nicht clever, sich an den Gegner heranzusaugen und spontan anzugreifen - man muss den Angriff schon drei oder vier Kurven vorher planen. Und dann sollte man sichergehen, dass das Überholmanöver auch funktioniert.»
Der MotoGP-Champion weiter: «Denn wenn man stattdessen abbrechen oder den Angriff neu starten muss, hat man am Ende vielleicht mehr Zeit verloren, als wenn man gleich hinter dem Gegner geblieben wäre und abgewartet hätte. In manchen Situationen braucht man hier also mehr Geduld als anderswo und muss clever sein.»
Ab der achten Runde ging es schließlich nicht weiter nach vorn für den Weltmeister: «Als ich auf dem neunten Platz fuhr, war ich die meiste Zeit allein unterwegs. Ich habe zwar versucht auf Alex Marquez aufzuholen, war aber ein bis zwei Zehntel langsamer pro Runde.» Die verbleibenden Runden nutzte der Wahl-Andorraner zur Abstimmungsarbeit in Vorbereitung auf den Grand Prix: «Ich habe mich dann darauf konzentriert, wie wir das Motorrad für den Sonntag verbessern können. Dafür werde ich mehr Grip am Hinterrad brauchen.»
Auch Rückschläge, wie das schwache Qualifikationstraining in Ungarn, gehören zum Lernprozess für den Spanier. Ein Prozess, den sein italienischer Teamkollege zu Beginn der Saison schon hinter sich gebracht hat: «Ich habe mich auf eine schnelle Runde an diesem Wochenende zu wenig verbessert und vielleicht war auch der Reifen nicht optimal für mich. Aber das gehört für mich zum Lernvorgang dazu und auch Marco hatte Anfang des Jahres ähnlich Probleme. Dazu kommt die Art, wie das Motorrad reagiert. Denn je aggressiver man das Motorrad antreibt, desto langsamer wird man. Die RS-GP braucht einen sehr weichen Fahrstil - auf all das muss man sich als Pilot erst einstellen.»
Martin sieht sich dabei auf einem guten Weg: «Ich bin noch nicht schnell genug, um aufs Podium zu fahren oder gar zu gewinnen, aber für Kämpfe um Top-5-Plätze fühle ich mich gerüstet.» Mit Marco Bezzecchi auf Platz 7 gelang es Aprilia sich wieder ein paar Punkte bei den Herstellern von KTM zu entfernen. Das Projekt der Österreicher war trotz bester Voraussetzungen beim Sprint ohne Punkte geblieben.
Ergebnisse MotoGP Balaton Park, Sprint (23. August):
1. Marc Marquez (E), Ducati, 13 Runden in 21:13,465 min
2. Fabio Di Giannantonio (I), Ducati, +2,095 sec
3. Franco Morbidelli (I), Ducati, +3,595
4. Luca Marini (I), Honda, +4,890
5. Fermin Aldeguer (E), Ducati, +5,692
6. Joan Mir (E), Honda, +6,147
7. Marco Bezzecchi (I), Aprilia, +6,266
8. Alex Marquez (E), Ducati, +7,332
9. Jorge Martin (E), Aprilia, +10,779
10. Pol Espargaro (E), KTM, +12,905
11. Raul Fernandez (E), Aprilia, +13,148
12. Jack Miller (AUS), Yamaha, +14,097
13. Francesco Bagnaia (I), Ducati, +14,891
14. Miguel Oliveira (P), Yamaha, +15,342
15. Ai Ogura (J), Aprilia, +15,467
16. Alex Rins (E), Yamaha, +21,007
17. Pedro Acosta (E), KTM, +22,245
18. Brad Binder (ZA), KTM, eine Runde zurück
– Johann Zarco (F), Honda, 12 Runden zurück
– Enea Bastianini (I), KTM, 12 Runden zurück
– Fabio Quartararo (F), Yamaha, 12 Runden zurück
WM-Stand nach 27 von 44 Rennen:
1. M. Marquez, 430 Punkte. 2. A. Marquez 278. 3. Bagnaia 221. 4. Bezzecchi 181. 5. Di Giannantonio 153, 6. Morbidelli 151. 7. Acosta 144. 8. Aldeguer 126. 9. Zarco 114. 10. Quartararo 103. 11. Binder 82. 12. R. Fernandez 73. 13. Vinales 69. 14. Bastianini 63. 15. Marini 61. 16. Ogura 53. 17. Miller 52. 18. Mir 46. 19. Rins 42. 20. Nakagami 10. 21. Martin 10. 22. P. Espargaro 8. 23. Savadori 8. 24. A. Fernandez 6. 25. Oliveira 6. 26. Chantra 1. 27. A. Espargaro 0.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 479 Punkte. 2. Aprilia 212. 3. KTM 195. 4. Honda 164. 5. Yamaha 134.
Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team, 651 Punkte. 2. BK8 Gresini Racing 404. 3. Pertamina Enduro VR46 Racing 304. 4. Red Bull KTM Factory Racing 226. 5. Aprilia Racing 199. 6. Monster Energy Yamaha 145. 7. Red Bull KTM Tech3 Racing 140. 8. Trackhouse MotoGP Team 126. 9. LCR Honda 115. 10. Honda HRC Castrol Team 107. 11. Prima Pramac Yamaha Racing 61.