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Lucio Cecchinello: Lob und Kritik für Stefan Bradl

Von Günther Wiesinger
Lucio Cecchinello, im Hintergrund Stefan Bradl

Lucio Cecchinello, im Hintergrund Stefan Bradl

Nach drei Jahren mit Stefan Bradl zieht LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello Bilanz. «Stefan muss zorniger und aggressiver werden», meint der Italiener.

Stefan Bradl hat bei LCR-Honda drei Jahre in der MotoGP-Klasse absolviert, er ist WM-Achter, WM-Siebter und WM-Neunter geworden. Aber er hat nur einen Podestplatz (Platz 2 in Laguna Seca) erreicht und verlor deshalb für 2015 die finanzielle Unterstützung von HRC.

Der Moto3-Vizeweltmeister Jack Miller trägt jetzt die Hoffnungen der Japaner für die nächsten zwei Jahre.

Er soll sich für das Repsol-Team empfehlen und Dani Pedrosa ersetzen, ein Auftrag, den Bradl nicht erfüllen konnte.

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello wusste nach dem Sachsenring noch nicht, ob er einen zweiten Platz für Bradl finanzieren könne, deshalb entschied sich der Deutsche zum Wechsel – zu Forward-Yamaha.

Lucio Cecchinello sagte noch im Juni beim Barcelona-GP, er wolle sein Projekt mit einem jungen nordeuropäischen MotoGP-Fahrer weiter fortführen. Er kennt das Potenzial, das in Bradl steckt, wie kein anderer, das aber bisher nur sporadisch zum Vorschein kam.

SPEEDWEEK.com hat sich mit Lucio Cecchinello über die MotoGP-Performance von Bradl unterhalten.

Lucio, du hast mehrmals erwähnt, deine Aufgabe mit Stefan Bradl sei eigentlich noch nicht beendet. Du bist überzeugt, dass noch mehr in ihm schlummert, als er bisher gezeigt hat. Wo muss sich Stefan verbessern?

Wir können immer nur von einem persönlichen Standpunkt aus Urteile abgeben. Es ist nie einfach, die Leistungen eines Sportlers fair zu beurteilen oder einzuschätzen.
Ich wiederhole: Von meinem Standpunkt aus kann ich nur zum wiederholten Male betonen, dass in Stefan ein unglaubliches Potenzial steckt. Das sehen wir beim Data-Recording, das sehen wir bei den Video-Analysen. Er ist sehr schnell.
Ich denke, Stefan hat sich in den letzten zwei Jahren bereits verbessert, aber nicht ausreichend, was zum Beispiel den Schräglagenwinkel in Linkskurven betrifft.

Wir sprechen da von 1 bis 2 Grad?

Wir reden 2 bis 3 Grad.
Und was Stefan noch anstreben muss: Er muss im zweiten Teil der Rennen konstanter werden. Das ist immer noch eine Schwachstelle.
Ob es damit zusammenhängt, dass unser Race-Set-up die Reifen sehr stark beansprucht, das weiss ich nicht. Ich glaube es aber nicht, denn wir haben sehr viele Daten und wir nützen ein sehr ähnliches Basis-Set-up wie Márquez und Pedrosa. Wir sind in dieser Hinsicht sehr nahe dran.
Vielleicht hat es damit zu tun, dass Stefan mit viel Schräglage fährt und dadurch die Reifen stark beansprucht. Vielleicht hat es mit der Einstellung der Traction-Control zu tun, vielleicht sind wir in diesem Bereich zu aggressiv gewesen. Eventuell hätten wir mehr Traction-Control verwenden sollen.
Es mag auch sein, dass Stefan seine körperliche Verfassung noch weiter verbessern muss. Vielleicht fühlt er sich im zweiten Teil des Rennens nicht mehr stark genug. Auf jeden Fall nützte er in der zweiten Rennhälfte weniger Bremsdruck. Das ist ein Hinweis, dass er weniger hart bremst und Zeit verliert, auch wenn er das persönlich beim Fahren nicht spürt. Aber die Daten beweisen es.

Bei Honda hat sich auch die Meinung gebildet, Stefan müsse mental stärker werden.

Er muss auf jeden Fall einsehen, dass er eine andere mentale Einstellung braucht, wenn er die vier oder fünf besten Fahrer der Welt besiegen oder herausfordern will.
Stefan muss entschlossener sein, zorniger, aggressiver. Er muss an seinem Kampfgeist arbeiten. Das ist nicht einfach; das weiss ich.

Stefan Bradl hat 2014 mehr Fehler gemacht als in den Jahren davor. Er wirkte ab Juni oft verunsichert und gab das auch zu. Er hat wohl sein Selbstvertrauen verloren, als er spürte, dass er den HRC-Support verliert und dauernd andere Fahrerkandidaten erwähnt wurden.

Das ist möglich, ja. Das könnte ich absolut verstehen. Der psychologische Aspekt spielt eine grosse Rolle. Die Psyche ist ein fundamentales Element in diesem Sport.
Aber was ich sehen kann... Ich habe beim Malaysia-GP einen Unterschied gesehen. Stefan wirkte in der Box entschlossener, er agierte anders, er sass schon ganz anders in seinem Sessel... Die Art und Weise, wie er das Geschehen diktiert hat, war unterschiedlich zu früher. In Sepang hat sich etwas verändert.

Stefan hat in Malaysia zum Beispiel deutlicher gesagt als früher, welche Strategie er im Training bevorzugen würde, welche Reifen er zu welchem Zeitpunkt fahren will. Richtig?

Er hat ganz anderes gesprochen als früher. Mir hat dieser Approach gut gefallen. Stefan gab klare Anweisungen und gab die Richtung vor. Sehr, sehr pragmatisch.
Vorher hat er seine Meinung nie so deutlich kundgetan. Er wollte es allen recht machen, lieb und freundlich sein.

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