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Repsol-Honda: Mögliche Ursachen des Niedergangs

Von Günther Wiesinger
Das siegreiche Repsol-Honda-Team steht im Schatten von Yamaha und Ducati, Marc Márquez ist nur WM-Vierter. Die Truppe hat sich in eine Sackgasse manövriert. Aus siegestrunkener Überheblichkeit?

Verwunderung. Rätselraten. Hochgezogene Augenbrauen.

Und die grosse Frage: Was ist aus der ruhmreichen, beispiellosen Vormachtstellung von Repsol-Honda geworden?

Jan Witteveen, von 1989 bis 2004 langjähriger und erfolgreicher Aprilia-Renndirektor und dort in den Kategorien 125 ccm, 250 ccm, 500 ccm, MotoGP und Superbike in der Weltspitze, hat seine eigene Theorie.

«Der grösste Unterschied zwischen Yamaha und Honda: Yamaha hat das richtige Teampersonal für die MotoGP-WM. Honda hat letztes Jahr bei Márquez und dieses Jahr bei Pedrosa viele Techniker ausgewechselt und das rächt sich jetzt. Jetzt bräuchten sie Leute mit Kompetenz», sagt der niederländische Szenekenner und erfolgreiche Konstrukteur.

Aber Márquez hat doch 2014 mit der neuen Crew dominiert? Witteveen entgegnet: «Das stimmt. Aber im Vorjahr gab es keine Probleme mit dem Motorrad, es war eine gewisse technische Überlegenheit zu sehen. Um heute ein Rennen gewinnen zu können, brauchst du ein optimales Renn-Setup.»

«Vielleicht hat sich Freund Nakamoto bei HRC zu stark auf Nebenschauplätze wie Rallye, Supercross, Motocross und Moto3 konzentriert», gibt ein ketzerischer gegnerischer Teamchef zu bedenken. «Jetzt sieht er mal, wie schwierig es ist, wenn man auch die ganzen 'unwichtigen Klassen' gewinnen will…»

Fragwürdige Personal-Rotationen

Honda war vor der Saison 2015 mit Vorschusslorbeeren überschüttet worden, denn Yamaha hat seit 2012 keinen MotoGP-WM-Titel mehr gewonnen. Ducati hat seit Oktober 2010 kein Rennen mehr gewonnen. Honda hat 2013 und 2014 die Fahrer-WM, die Konstrukteurs-WM und Repsol-Honda die Team-WM für sich entschieden.

Marc Márquez schien auch 2015 nicht aufzuhalten zu sein. Er hatte 2013 schon mit 20 Jahren gleich im ersten Jahr als Rookie alle etablierten Stars blamiert und ist Weltmeister geworden, 2014 hat er in der zweiten Saison die ersten zehn Rennen beherrscht und sich schliesslich schon beim viertletzten Rennen in Motegi/Japan wieder Weltmeister feiern lassen. Wer sollte ihn also 2015 stoppen?

Jetzt liegen die Antworten auf dem Tisch: Movistar-Yamaha mit Rossi und Lorenzo, Ducati Corse regelmässig mit Dovizioso und teilweise auch mit Iannone.

Wer hätte das für möglich gehalten? Das Ducati-Werksteam hat bei den ersten fünf Rennen fünf Podestplätze eingesammelt, Repsol-Honda nur zwei.

Noch schlimmer: Yamaha hat bei fünf Grand Prix mit Rossi fünf Podestplätze eingefahren, mit Lorenzo zwei, das Duo beschlagnahmt die ersten beiden WM-Ränge.

Wenn man sich die These von Jan Witteveen genauer ansieht, so steckt sicher mehr als nur ein Körnchen Wahrheit dahinter. Bei Dani Pedrosa hat sich der österreichische Crew-Chief Mike Leitner nach der Saison 1014 nach zwölf Jahren und 41 gemeinsamen GP-Siegen verabschiedet.

Leitner war vergrämt, weil Pedrosa und HRC ohne seine Zustimmung die langjährigen Pedrosa-Mechaniker Christophe Leonce (Frankreich) und Mark Barnett (Neuseeland) für 2015 durch den Italiener Dennis Pazzaglini (vormals Drive M7 Aspar) und den Spanier Pedro Calvet (vormals Ducati) austauschten.

Leitner damals: «Ich verstehe das nicht. Christophe und Mark sind Spitzenleute mit zehn Jahren MotoGP-Erfahrung.»

Im Pedrosa-Camp wurde nachher der bisherige Data-Recording-Mann Ramon Aurin zum neuen Crew-Chief befördert, der Sachse Daniel Petzold wurde aus der Moto2-WM (Idemitsu-Team mit Nakagami) als neuer Daten-Ingenieur installiert.

Daraufhin packte auch gleich noch Paul Traveson seine Siebensachen: Er war für Öhlins jahrelang der Suspension-Techniker bei Repsol-Honda, er folgte im Winter Mike Leitner zu KTM.

Man muss kein grosser Experte sein, um zu erkennen: ?Da ist mit einem Schlag viel Knowhow verloren gegangen.

Und zwar genau in jener Ecke des Repsol-Teams, in dem 2013 und 2014 hauptsächlich die Test- und Entwicklungsarbeit verrichtet wurde.

Und ob es eine weitsichtige Idee von Márquez-Manager Emilio Alzamora war, nach der ersten MotoGP-Saison den frisch gestärkten Einfluss bei HRC zu nutzen, um die ehemaligen Casey-Stoner-Techniker (sie hatten ihn schon beim Titelgewinn 2007 bei Ducati betreut) an die Luft zu setzen und alle restlichen, ergebenen Moto2-Techniker von 2011 und 2012 bei Repsol-Honda und HRC einzuschleusen, ist noch nicht endgültig bewiesen.

Zur Erinnerung: Bei Rossi hat sich in der Kernmannschaft seit dem Jahr 2000 nichts verändert, abgesehen vom neuen Crew-Chief Silvano Galbusera, der Burgess nach 13 Jahren ablöste. Und diese Rossi-Crew hat vorher schon jahrelang für Doohan gearbeitet – und mit ihm für 500-ccm-Titel gewonnen.

Als Casey Stoner Ende 2012 zurücktrat, wurde sein langjähriger Crew-Chief Cristian Gabarrini arbeitslos. HRC betraute ihn mit nicht sehr abendfüllenden Aufgaben... Marc Márquez wollte seinen Moto2-Cheftechniker Santi Hernandez in der Box haben, der gewiss eine Spitzenkraft ist, aber ihm fehlen gegenüber Gabarrini (der jetzt für Miller zuständig ist) zehn Jahre MotoGP-Erfahrung.

Hernandez hat zumindest 2013 einen gravierenden Fehler geleistet: Er schaffte es damals beim Australien-GP nicht, Márquez zum Pflicht-Stopp nach zehn Runden an die Box zu holen, weil die Bridgestone-Hinterreifen keine ganze Distanz durchhielten.

Marc Márquez bekam damals in Australien die schwarze Flagge, er wurde disqualifiziert, er verlor mit einem Schlag 25 Punkte gegen Sieger Lorenzo – und gewann den Titel dann mit kargen vier Punkten Vorsprung.

Die HRC-Manager wähnten sich wohl zu sehr in Sicherheit. Sie hielten die RC213V und besonders Marc Márquez für unschlagbar, hochmütig wurden etliche Techniker vergrämt, sie wurden für beliebig austauschbar gehalten.

Diese leichtsinnige Personalpolitik könnte ins Auge gehen.

Die Dreifach-WM-Krone kann sich Honda für 2015 auf jeden Fall schon abschminken.

Aber vielleicht kann der grandiose Márquez den Karren in den nächsten Wochen aus dem Dreck ziehen und zumindest die Fahrer-Weltmeisterschaft noch retten.

Zwei Siege, dann schaut die Welt wieder anders aus.
Jorge Lorenzo hat es vorgemacht.

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