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Valentino Rossi: «Was wirklich vorgefallen ist»

Von Günther Wiesinger
Valentino Rossi hält die drei Strafpunkte für übertrieben. Und er hat zum Zwischenfall mit Marc Márquez eine ganze andere Sicht der Dinge.

Valentino Rossi ist niedergeschlagen. Das Image des vielleicht besten Motorradrennfahrers aller Zeiten hat heute beim Sepang-GP durch eine Kurzschlusshandlung ein paar heftige Kratzer abbekommen. Er ist überzeugt, Márquez habe Lorenzo zum Titel verhelfen wollen und ihn deshakb aufgehalten.

Rund vier Stunden nach der Zieldurchfahrt stellte sich der WM-Leader (nur noch sieben Punkte vor Lorenzo) den Fragen der Journalistenmeute.

Warum war er der offiziellen Pressekonferenz ferngeblieben? Rossi: «Weil ich eine Stunde lang bei der Race Direction war, weil ich endlich das verschwitzte Rennleder ausziehen wollte und weil ich dachte, die Pressekonferenz sei sowieso längst vorbei.»

Der Movistar-Yamaha-Werkspilot schilderte im Gespräch mit den Medien, dass er sich ungerecht behandelt fühlt und dass er den WM-Titel jetzt quasi abgeschrieben hat.

Valentino, was kannst du uns über den Zwischenfall mit Marc Márquez in der siebten Runde erzählen?

Ich habe auf keinen Fall beabsichtigt, dass Marc stürzt. Und ich habe ihm keinen Fusstritt versetzt. Wenn ihr euch die Videobilder genau anschaut, und ich habe das in der Race Direction sehr genau gemacht, Bild für Bild... Ich habe auch die Aufnahmen aus dem Helikopter gesehen. Von oben sieht man am meisten. Von der Seite hat man den Eindruck, ich hätte einen Fusstritt gemacht. Von oben ist klar: Ich habe mich raustragen lassen, und ich habe nie behauptet, dass ich normal durch diese Kurve gefahren bin. Ich wollte mich Marc nähern, ihn ein bisschen zu einem Umweg zwingen, ihn zu einer Tempodrosselung zwingen, damit er Zeit verliert.
Mir ist nichts anders übrig geblieben. Er hat mich in jeder Bremszone ausgebremst. Er hat mich dauernd überholt und dann in den Kurven das Tempo sehr niedrig gehalten. Ich habe sogar den Verdacht, dass er auf der Geraden das Gas nicht voll aufgedreht hat. Ich fuhr also langsam, langsamer, langsamer, um seine Linie zu ruinieren. Dann haben wir uns berührt. Er hat mich mit seinem Lenker am linken Bein berührt. Deshalb ist er gestürzt. Durch den Kontakt mit mir hat es ihm den Lenker weggerissen.
Als ich mit dem Fuss von der Raste geraten bin, lag Márquez bereits auf dem Boden. Das sieht man genau.
Ausserdem: Wenn ich ihm einen Kick versetzen hätte wollen, hätte ich das 20 oder 30 Meter früher machen können. Wir wären uns nahe genug gewesen.
Und wenn man den Gegner auf einem MotoGP-Bike tritt, fliegt der andere nicht runter. Die Bikes sind zu schwer, die Reifen haben eine Menge Grip.
Er ist gestürzt, weil er mich mit dem Lenker touchiert hat.
Ich bin sehr enttäuscht. Ich sehe nicht ein, warum ich drei Strafpunkte bekommen habe.
Márquez hat jetzt in dieser Auseinandersetzung die Oberhand behalten. Er wollte, dass ich nicht Weltmeister werde. Das hat er erreicht. Er hat die Meisterschaft entschieden. Das habe ich ihm zu verdanken.
Er muss jetzt sehr happy sein.

Du hast keine Titelhoffnung mehr?

Ich weiss nicht. Es wird jetzt sehr schwierig. Ich muss in Valencia vom letzten Platz wegfahren. Das kann schwierig werden.

Bereust du, dass du Marc Márquez am Donnerstag beschuldigt hast, in Australien für Lorenzo gefahren zu sein?

Nein, ich bereue nichts. Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Ich habe Márquez dadurch zornig und nervös gemacht. Er hat auf die übelste Art und Weise reagiert.
Was kann ich dagegen tun?
Wenn ich nichts gesagt hätte, wäre er heute auch nicht anders gefahren.
Ich dachte, wenn ich die Wahrheit sage, wird er sich überlegen, ob er in Sepang wieder so fahren soll wie in Australien... Aber er hat genau die gegenteilige Reaktion gezeigt.

Warum hat Márquez so reagiert?

Ich habe das nicht erwartet... Aber anscheinend ist er immer noch zornig wegen Argentinien, als er hinter mir gestürzt ist. Er denkt, ich hätte das absichtlich gemacht. Und er ist sehr zornig wegen Assen.
Aber hätte ich mich dort in Luft auflösen sollen? Márquez ist der einzige Fahrer, der ein unmögliches Bremsmanöver versucht, dich neben die Piste zwingt und dann wütend wird. Das ist unglaublich. Ich vermute, er wollte eine Art Revanche.
Und anscheinend ist es ihm lieber, wenn Jorge Weltmeister wird.

Du hast noch einen Yamaha-Vertrag für 2016 und willst danach auch zumindest 2017 noch weiterfahren. Überlegst du dir jetzt, diese Pläne zu ändern?

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über die Zukunft Gedanken zu machen.

Hältst du deine Strafe für gerechtfertigt?

Nein, ich glaube, die Strafe ist so heftig ausgefallen. Denn ich habe in Misano schon einen Strafpunkt erhalten, weil ich Jorge eine schnelle Quali-Runde zerstört habe. Aber das war, nachdem er ohnedies schon die Pole hatte. Trotzdem war es ein Fehler.
Diese Strafpunkte gibt es jetzt drei Jahre. In den ersten zwei Jahren habe ich nie einen bekommen, weil ich auf der Piste immer ein sehr fairer Fahrer bin.
Gut, schon Misano war eine schwere Strafe. Durch die heutigen drei Punkte habe ich insgesamt vier Strafpunkte und muss ich in Valencia von ganz hinten wegfahren. Das verursacht ein grosses Problem für Valencia. Vielleicht ist dadurch die WM entschieden worden. Von der letzten Reihe wird es schwierig.
Dazu kommt: Ich habe den Sturz von Márquez nie beabsichtigt.

Was meinst du zur Reaktion von Jorge nach dem Rennen? Er sagte, die Strafe sei zu mild ausgefallen.

Ich verstehe diese Reaktion nicht. Wenn er jetzt keinen Respekt mehr vor mir hat... Damit kann ich leben.

Du hast Márquez in den ersten Runden mehrmals böse Blicke zugeworfen?

Ja, ich wollte ihn fragen: Was zum Teufel machst du da? Was führst du im Schild? Warum machst du dasselbe wie in Australien?

Hast du heute einigen Respekt vor Márquez verloren?

Ha, ha. Was glaubst du? (Er geht von dannen.)

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