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Dani Pedrosa: Das achte Weltwunder

Kolumne von Matthew Birt
Dani Pedrosa war in Misano der achte unterschiedliche Sieger in acht Rennen

Dani Pedrosa war in Misano der achte unterschiedliche Sieger in acht Rennen

MotoGP-Reporter Matthew Birt ist seit mehr als 21 Jahren im WM-Zirkus unterwegs. In seiner Kolumne blickt er auf den fulminanten Sieg von Dani Pedrosa in Misano zurück.

Also, Dani Pedrosa ist das achte Weltwunder. Naja, er ist das achte Wunder einer wundervollen MotoGP-Saison 2016. Seit die Motorrad-Weltmeisterschaft am 17. Juni 1949 mit einem 59 Mann starken Feld beim Senior Race der Isle of Man TT begann, konnten bis 2016 nie acht unterschiedliche Fahrer acht aufeinanderfolgende Rennen gewinnen. Seit Harold Daniell den ersten Grand Prix der Königsklasse auf einer 500-ccm-Norton gewann, fanden 834 Königsklasse-Rennen statt. Und nie in dieser langen und glorreichen Geschichte haben wir so eine erstaunliche Zeit erlebt, wie es aktuell der Fall ist.

Das bisher letzte Kapitel des MotoGP-Märchens wurde von Dani Pedrosa geschrieben, der vor der Magie in Misano als unwahrscheinlicher Kandidat für die Fortführung der Siegesserie unterschiedlicher Fahrer in dieser Saison galt. Seit seinem letzten Sieg im Oktober 2015 in Malaysia hatte Pedrosa keine einzige Runde lang ein MotoGP-Rennen mehr angeführt. Er befand sich in seiner schlimmsten Podest-Durststrecke, seit er 2001 als 125-ccm-Rookie fünf Rennen in Folge nicht auf dem Podest stand. 2016 kam er vor dem Misano-GP nicht über den dritten Platz hinaus. Seine beiden Top-3-Ergebnisse in Argentinien und Barcelona waren nicht besonders beeindruckend.

Er war Dritter in Argentinien, aber er lag 28 Sekunden hinter seinem siegreichen Teamkollegen Marc Márquez. Der einzige Grund, warum er in der letzten Runde Fünfter war, waren die Stürze von Jack Miller, Jorge Lorenzo und Maverick Viñales. Zudem gab der Motor von Scott Reddings Ducati den Geist auf. Der dritte Platz war dann ein frühes Weihnachtsgeschenk, nachdem Andrea Iannones Eifer sein Talent überstiegen hatte und er seinen Teamkollegen Andrea Dovizioso in der vorletzten Kurve abgeräumte. Er war auch auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya abgeschlagener Dritter und konnte für Rossi und Márquez keine Bedrohung darstellen. Diese Resultate ließen nicht darauf schließen, dass er in Misano plötzlich Bäume ausreißen würde. Der Sieg war auch nicht sonderlich wahrscheinlich, als er in der achten Runde 3,3 sec hinter dem ungezügelten Rossi lag. Doch dann sah es so aus, als würde sich die Erde nicht mehr um ihre eigene Achse drehen, bis Pedrosa Rossis italienische Party auf heimischem Boden vermasselte.

Nach Pedrosas historischem Erfolg drängte sich eine Frage auf: Wo zur Hölle war er die ganze bisherige Saison? Sein größtes Problem war schon immer ein genetisches. Er ist nur 1,58 Meter groß und wiegt nur 51 Kilogramm. Der nächstschwerere Fahrer im Feld ist Márquez, doch er wiegt ganze acht Kilo mehr als Pedrosa. Der ehemalige 125-ccm- und zweifache 250-ccm-Weltmeister hat immer das Maximum aus dem herausgeholt, was Gott ihm gegeben hat, aber es steht außer Frage, dass seine Statur mehr ein Handicap als eine Hilfe war, seit er 2006 in die MotoGP-Klasse aufstieg. Das heiße Wetter am Rennsonntag waren ein Geschenk des Himmels für Pedrosa. So klein und leicht zu sein, bedeutet auch, dass es immer ein Problem für ihn war, genug Temperatur in die Reifen zu bringen.

Denkt zurück an den arktischen Freitag des Österreich-GP, als es so kalt war, dass Pedordas Reifen von Runde zu Runde mehr auskühlten. Sein heftiger Sturz mit einem kalten Vorderreifen im Training war der Beweis, dass er bei kühleren Temperaturen ein so großes Risiko eingehen muss, dass dieses Wissen seinem Selbstvertrauen und seiner mentalen Stärke schaden muss.

Es wurde erwartet, dass Pedrosa durch die Rückkehr von Michelin in die Königsklasse – erstmals seit 2008 – beste Chancen hätte, endlich den fehlenden MotoGP-Titel einzufahren. Doch der Beginn der neuen Michelin-Ära wurde ein wahres Sturzfestival. Der Bridgestone-Vorderreifen war der Heilige Grahl, was seine Leistungsfähigkeit in der Bremsephase betraf. Ein Fahrer konnte den Bremshebel in Schräglage kräftig ziehen und wusste, dass der Vorderreifen 99 von 100 Mal Stabilität wie ein Fels geben würde. Mit den Michelin-Reifen, die auf andere Weise funktionieren, mussten sie ihren Fahrstil umstellen. Als die alten Bridgestone-Angewohnheiten ausstarben, erlebten wir jedoch viele Stürze. Viele Fahrer verloren die Front und fast ihren Verstand.

Es wurde erwartet, dass Pedrosas sanfter und sauberer Bremsstil den Vorderreifen weniger beanspruchen würde und er sich auf diese Weise nicht in derselben Gefahrenzone bewegen würde wie die anderen Fahrer. Michelin hat auch nicht die härteren Karkassen bevorzugt, die von Bridgestone für den Hinterreifen eingesetzt wurden. Der Theorie nach hätte es eine weichere Karkasse Pedrosa erleichtern müssen, mehr Temperatur in den Hinterreifen zu bringen und so mehr Grip zu erhalten.

Ich war überzeugt. Ich ging sogar so weit, Pedrosa in der Vorsaison als meinen Titelfavorit zu bezeichnen. Wie falsch kann man eigentlich liegen? Ich denke nicht, dass irgendein Zweifel daran besteht, dass die unvermeidlichen Kinderkrankheiten der Michelin-Ära Pedrosa mehr zu schaffen gemacht haben als seinen Gegnern.

Loris Baz’ spektakulärer Sturz nach einem Reifenplatzer beim ersten Test des Jahres in Sepang, der wohl durch eine Punktion des Hinterreifens ausgelöst wurde, versetzte Fahrer und Beobachter in Angst. Als sich Scott Reddings Hinterreifen in Argentinien im FP4 in seine Bestandteile auflöste und das die Fahrer im Rennen zu einem verpflichtenden Boxenstopp zwang, musste Michelin härtere Reifen mit einem gewissen Sicherheitsspielraum liefern. Je härter die Reifen wurden, desto schwieriger wurde es für Pedrosa, schnell zu sein. Schon oft wurde Pedrosas Speed in der zweiten Saisonhälfte, wenn die Rennen auf heißerem Asphalt stattfanden und seine Reifen mehr Grip boten, besser. Er ist dann so gut wie die Fahrer an der Spitze. Doch in den ersten Runden sind ihm die Hände gebunden, während er warten muss, dass die Reifen ihre ideale Temperatur erreichen, verliert er meist zu viel Zeit, um sie später noch gutzumachen.

Was veränderte die Kräfteverhältnisse in Misano zu seinen Gunsten? Einfach. Das heiße Wetter. Gib Pedrosa Asphalttemperaturen, die heißt genug sind, um auf der Strecke ein Spiegelei zu braten, dann wird er die Konkurrenz alt aussehen lassen.

Viele Beobachter glaubten, dass Pedrosas kalkuliertes Risiko, mit dem neuen weichen Michelin-Vorderreifen anzutreten, für den Sieg entscheidend war. Nur er und Ducati-Testfahrer Michele Pirro setzten den neuen weichen Vorderreifen ein, der für mehr Stabilität und bessere Haltbarkeit über die Renndistanz sorgen sollte. Seine Finesse mit der Vorderbremse und nicht so aggressive Fahrweise am Kurveneingang sorgten dafür, dass bei ihm der weiche Vorderreifen nicht überhitzte, wie es viele befürchtet hatten. In den schnellen Rechtskurven 11, 12 und 13 war Pedrosa durch seinen Speed und die Agilität durch den weichen Vorderreifen klar überlegen. Er hatte auch ein besseres Gefühl und mehr Vertrauen, wenn er in Schräglage die Kurven 12 und 13 anbremste, um dann wunderschöne und saubere Manöver gegen Márquez und Lorenzo in der engen Kurve 14 zu reiten. Und als er mit mehr Nachdruck arbeiten musste, um an Rossi vorbeizukommen, fuhr er so aggressiv gegen den Yamaha-Piloten wie vor fast einem Jahr im MotorLand Aragón.

Rossi saß in der ersten Reihe, als Pedrosas größter Vorteil in der Schlussphase des Rennens zu beobachten war. Er muss nach den kompromisslosen Manövern gegen Lorenzo und Márquez gedacht haben, dass der Sieg ihm gehört. Der Italiener berichtete, dass er den Hinterrad-Grip von Pedrosas Maschine als entscheidenden Faktor sah, warum ihm der Spanier sein Herz und die Herzen von fast 100.000 Fans brechen konnte. Alle Fahrer hatten sich für den Medium-Hinterreifen entschieden, der asymmetrische Reifen hatte eine viel härtere rechte Seite, um die schnellen Rechtskurven 11, 12 und 13 zu überstehen. Hier war Pedrosas zierliche Statur ein Vorteil. Er beanspruchte die weichere linke Seit des Hinterreifens viel weniger als Rossi. Dies und die Tatsache, dass er in den ersten Runden nicht zögern musste, bis die Reifen auf Temperatur waren, bedeuteten, dass Pedrosa weiterhin in jedem seiner MotoGP-Jahre seit 2006 siegen konnte.

Beim nächsten Mal werden wir zögern, wenn wir Pedrosas Ansehen und seine Erfolge kritisch betrachten. Es wird immer jemanden geben, der nur darauf wartet, Pedrosa auseinanderzunehmen, aber seine Resultate sind ziemlich beeindruckend. Sein Sieg in Misano war der 52. seiner Karriere und ließ ihn mit der britischen Legende Phil Read gleichziehen. Nur Agostini, Rossi, Nieto, Hailwood, Lorenzo, Doohan und Márquez haben mehr WM-Rennen gewonnen als Pedrosa. Allein diese Statistik reicht aus, um beim nächsten Mal noch einmal zu überlegen, bevor man das Ansehen und die Erfolge von Pedrosa zerpflücken will.

Er verbrachte seine gesamte MotoGP-Karriere im Honda-Werksteam ohne einen Titel zu gewinnen. Dies führte wiederholt zu der Anschuldigung, dass HRCs Loyalität gegenüber dem Spanier ungerechtfertigt sei. Auch ich ringe manchmal mit der Aussage, dass er seine Daseinsberechtigung in einem so begehrten Team längst überschritten hat. Doch wer würde einen besseren Job machen? Maverick Viñales hat herausragende Empfehlungen, doch er war versessen darauf, Rossis Teamkollege bei Yamaha zu werden. Auch Alex Rins schien alle Anforderungen zu erfüllen. Er ist jung, schnell, hungrig und Spanier, was auch Hondas langjährigem Partner Repsol gefallen hätte. Doch Pedrosa ist die sichere Wahl. Wenn es sein Tag ist, kann er Márquez, Rossi und Lorenzo noch immer wie durchschnittliche Fahrer aussehen lassen – wie er es in Misano tat. Und er kann wunderbar die unterstützende Rolle für Márquez einnehmen, was Honda hilft, die Harmonie im Team zu bewahren.

Wird diese großartige Abfolge von unterschiedlichen Siegern nun fortgesetzt? Können wir nun davon träumen, dass im MotorLand Aragón zum neunten Mal in Folge ein anderer Fahrer auf dem obersten Treppchen des Podests steht? Wir müssen abwarten und werden es bald herausfinden.

Matthew Birt arbeitet seit 21 Jahren im Paddock der Motorrad-WM. Seit 2015 ist er als Kommentator für die Dorna tätig. Seine Kolumnen verfasst der Brite für motogp.com.

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