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Richard Speiser wurde um den eigenen Motor betrogen

Von Richard Speiser
Nach zwanzig Jahren im Bahnsport kann man ein Buch schreiben, vermutlich sogar ein sehr dickes und lehrreiches, aber nicht immer mit schönen Geschichten. Ein Kapitel daraus: der eigene Motor.

Wie vermutlich jeder Rennfahrer (zumindest die mit technischem Hintergrund) habe ich davon geträumt, mir einen eigenen Motor zu bauen. Als 2012 meine Diplomarbeit zum Ende meines Maschinenbaustudiums anstand, habe ich die Chance genutzt, mir meinen Traum zu erfüllen. Gefordert war eine wissenschaftliche Arbeit zur Umsetzung eines technischen Problems. Die Entwicklung eines Zylinderkopfs war somit mehr als umfangreich und geeignet. Das Thema wurde von mir selbst ausgesucht und meinem Professor vorgestellt. Dieser hat sich bereit erklärt, als Dekan diese Diplomarbeit unter seine Fittiche zu nehmen. Normalerweise werden Arbeiten in Maschinenbaufirmen abgewickelt, eine technische Entwicklung wird verbessert oder überprüft und im Idealfall wird man daraufhin übernommen. Die Diplomarbeit ist mit zirka einem halben Jahr angesetzt. In dieser Zeit werden die anderen Diplomanden von der Firma natürlich bezahlt. Da ich es als eigenes Projekt machte, habe ich natürlich keine Bezahlung bekommen und hatte auch keine Anstellung in Aussicht. Da ich den Wunsch schon länger hegte, habe ich mich aber dafür entschieden und selbst einen Zylinderkopf für einen Bahnmotor entwickelt.

Die Arbeit ist sehr umfangreich, man kann ständig weiterentwickeln und an Arbeit mangelt es nie. Mein Ziel war einen Zylinderkopf zu entwickeln, der besser funktioniert als die bestehenden von GM und Jawa.

Da ich in dieser Zeit meine Motoren von Marcel Gerhard vorbereiten ließ, hat er sich von der Idee überzeugen lassen und sich bereit erklärt, den Prototypenmotor aufzubauen. Nach einer kurzen Rücksprache war klar, dass es sich um einen schlepphebelgesteuerten Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen handeln wird, der auf ein GM-Kurbelgehäuse adaptiert werden kann. Dafür wurde von mir noch ein Zylinder konstruiert, der als «Adapter» zwischen dem neuen Zylinderkopf und dem bestehenden Kurbelgehäuse fungiert.

Schlepphebelgesteuerten Zylinderkopf

Schlepphebel sollen deshalb zum Einsatz kommen, weil sie sich weniger verformen können als die momentan verwendeten Kipphebel, und damit exaktere und schärfere Steuerzeiten möglich sind. Außerdem können viel höhere Drehzahlen erreicht werden, da sie viel kleiner und leichter ausfallen. Tassenstößel kamen nicht zum Einsatz, da die Schlepphebel auch gleich die seitlichen Kräfte auf das jeweilige Ventil aufnehmen können. Das Gewicht der Tasse muss auch bewegt werden.

Schleppehebelgesteuerte Zylinderköpfe werden momentan in den gängigen Rennmotoren auch so verwendet. KTM hat damals die neue SXF350 und BMW die S1000RR herausgebracht. Diese funktionieren mit eben dieser Ventilsteuerung und erreichen Spitzenwerte in Ventilbeschleunigung, Steuerzeiten und Motorleistung. Und das bereits bei Serienmotorrädern.

Aus diesem Grund wurde ein Motor der SXF und der S1000RR zerlegt und wir betrachteten die Ventilsteuerung genau. Dank einschlägiger Fachliteratur konnte ich den optimalen Ein- und Auslassventilwinkel bestimmen – der sich ziemlich mit den Werten von KTM und BMW deckt. Aus der Skizze von den Ventil -, Schlepphebel- und Nockenwellenstellungen habe ich begonnen den Zylinderkopf vom Brennraum her zu konstruieren.

Der Einlasskanal wurde so gerade wie möglich konstruiert und sollte soweit fertig sein, dass er auch gleich auf der CNC-Maschine komplett gefräst werden kann. Etwas schwierig war die Baugröße des Vergasers, da das Schiebergehäuse bei optimalem Einlasskanalwinkel und der Einlasskanallänge am Ventildeckel angestanden wäre. Da musste ein Kompromiss gefunden und der Kanal nicht ganz optimal versetzt werden. Ein anderer Vergaser oder gleich ein Einspritzsystem würde helfen, den Kanal optimieren zu können.

Die Geometrie der Schlepphebel war somit vorgegeben, im eigens dafür erworbenen Simulationsprogramm wurde die optimale Nockenwellenauslegung und -stellung simuliert. Ferner wurden die Gasgeschwindigkeiten in einem anderen Simulationsprogramm überprüft, optimiert und berechnet. Da die Schmierung und Kühlung noch ein Problem des GM-Motors ist, wurde eine Ölpumpe im Kurbelgehäuse vorgesehen. Ich habe Kanäle im Zylinderkopf gestaltet, die auch mit einer Spritzdüse an die Stelle zwischen Schlepphebel und Nockenwelle spritzen.

Um besser am Motor arbeiten zu können, wurde die komplette Brücke, welche die Nockenwellen und Schlepphebel trägt, zweigeteilt und mit dem Zylinderkopf verschraubt. Diese kann dadurch komplett vom Motor abgenommen werden, was auch bei der Ventilspieleinstellung mittels Shims hilfreich ist.

Somit entstand Schritt für Schritt der eigene Zylinderkopf. Alle paar Tage habe ich einen Screenshot in die Schweiz geschickt, um dem momentanen Stand und neue Erkenntnisse zu zeigen. Der Einfluss von Marcel Gerhard war nur wieder gefragt als es darum ging, ob ich die Kühlrippen horizontal, waagrecht oder in der Einbaulage vom Motor konstruieren soll. Die Kühlrippen von GM waren gut gelegen als der Motor senkrecht verbaut war, in liegender Einbauweise stehen sie aber nicht optimal. Wir haben uns dann entschieden die Kühlrippen in Motorrichtung zu verbauen, das ist einfacher zu fertigen als in Einbaulage.

Kein Verhältnis von Aufwand und Gegenwert

Zwischendurch kam die Idee auf, gleich den Zylinderkopf der KTM SXF350 umzubauen und zu verwenden. Der Aufwand dafür steht aber nicht im Verhältnis zum Gegenwert. Der KTM-Motor hätte sich dafür gut geeignet, da er von den Maßen passen würde. Die Bohrung mit 88 mm liegt nahezu bei den heute verwendeten 90 mm. Der Durchmesser kann im Brennraum noch angepasst werden. Es musste nur ein Zylinder optimiert werden, um den nötigen Hub für 498 ccm zu erreichen. Ein solcher Motor wurde von Marcel Gerhard gebaut, erwies sich aber als wenig schlagkräftig.

Es gibt aber zwei sehr große Probleme: Um an eine ordentliche Leistung zu kommen, braucht man große Einlassventile und einen großen Einlassquerschnitt. KTM hat dafür 44 mm Durchmesser beim Einlass vorgesehen. 34 mm sind aber nur im Bahnsport erlaubt. Einen 34-mm-Vergaser auf einen 44-mm-Kanal zu setzen würde die komplette Strömung ruinieren. Motorleistung ist so nicht zu holen. Somit müsste der komplette Einlasskanal abgefräst und neu mit kleinerem Durchmesser gestaltet werden. Das nächste Problem ist die Wasserkühlung. Im Crosser recht, weil gut steuerbar, ist sie für den Bahnmotor nicht geeignet. Sie ist viel zu schwer, man muss das Wasser, die Kühlung, eine Pumpe, Schläuche etc. transportieren, dazu fällt die Kühlung aus, wenn die Kühler verdrecken. Dagegen funktioniert die Luftkühlung hervorragend, wenn sie gut ausgelegt ist. Nicht umsonst hat Porsche beim 911er nur wegen der Geräuschemission auf Wasserkühlung umgestellt.

Vertraulichkeitserklärung nicht unterschrieben

Deshalb wurde der von mir konstruierte Prototyp gefertigt. Ein paar Prototypenteile wurden bereits in der Schweiz aus dem Vollen gefräst. Als ich dann in der Schweiz war um die fertigen Teile zu sehen, ist mir ein Schild mit der Aufschrift «Gerhard & Marani Swiss QualitiyEngines» aufgefallen, das plötzlich über der Werkstatt von Marcel Gerhard hing. Auf die Frage, was das zu bedeuten hat, wurde mir nach Zögern erklärt, dass Marcel Gerhard mit einem italienischen Investor/Freund in der Schweiz ein Unternehmen gegründet hat, um als Hersteller aufzutreten und den Motor zu bauen und zu verkaufen.

Ich war etwas überrascht, zufällig und im Nachhinein von diesen Plänen zu erfahren. Kurz darauf wurde ich wieder in die Schweiz geladen. Mir wurde der Stief-Schwiegersohn in spe als Geschäftsführer der Gerhard & Marani Swiss QualitiyEngines vorgestellt, den ich bis dahin nicht kannte. Er legte mir eine Vertraulichkeitserklärung vor, die ich doch schnell unterschreiben solle. Darin war meine Vertraulichkeit gegenüber dieser Firma erwähnt sowie alle meine Rechte an dem Ergebnis meiner Diplomarbeit an die Firma überschrieben. Marcel Gerhard sprach dabei kein Wort mit mir, nur der «Geschäftsführer». Dies habe ich natürlich nicht unterschrieben und bin wieder nachhause gefahren. Wobei ich mehrfach gebeten und ermahnt wurde, diese Erklärung doch «schnell» zu unterschreiben und zu faxen, weil Investoren kommen und das sehen wollen. Diese hätte ich auf Anraten von Marcel Gerhards Stieftochter zu Joachim Kugelmann nach Prag bringen sollen.

In diesem Gespräch ging es darum, dass sie meine kompletten Daten haben wollen, um den Motor fertigen zu können. Aber dabeihaben wollten sie mich in der Firma nicht. Den wichtigsten Teil der Arbeit, den sie selbst nicht machen konnten, hatte ich ja bereits erledigt. Zu diesem Zeitpunkt steckten in dem Projekt zirka 600 Arbeitsstunden von mir. Die Aussage war: «Wenn ich es nicht mache, dann macht es halt morgen ein anderer», Zitat Marcel Gerhard. Sie haben mich «beauftragt», um mir als «angehender Ingenieur die Chance zu geben, an einem anspruchsvollen Projekt mitzuwirken und dabei für die eigene Ausbildung zu profitieren.»

Wenn ich das unterschrieben hätte, hätte ich nichts bekommen und dürfte nicht einmal über meine Arbeit reden. «Zwei Motoren würde Marcel Gerhard mir schon einmal machen», war die Aussage. Etwas wenig für eine komplette Neukonstruktion. Hätte ich die Diplomarbeit bei einer Firma gemacht, hätte ich mir die Motoren auch so kaufen können. Schriftlich gab es dieses «Angebot» natürlich nicht. Der Plan war, einfach an alle Daten zu kommen, die bei mir auf dem PC gespeichert waren.

Nachdem ich erklärt habe, dass ich nicht einwilligen werde, wurden mir Fristen gesetzt es doch zu tun, und mit Firmenanwälten gedroht. Nach diesen Fristen bekam ich einen Brief von einem Schweizer Anwalt. Die Daten gehören laut dem Brief doch der Firma «Gerhard & Marani Swiss QualitiyEngines», da ich in ihrem Auftrag gearbeitet hätte.

Vom Anwalt entkräftet

Also soll meine Arbeit, die meine Idee war und die ich gestartet habe, einer Firma gehören, die es zu Beginn meiner Diplomarbeit noch nicht einmal gab. Und ich war angeblich beauftragt für diese Firma zu arbeiten.

Diese Vorstellung wurde mit zwei Briefen von meinem Anwalt entkräftet. Zwischendurch hat mich mein Professor noch informiert, dass er von einer Dame aus der Schweiz angerufen wurde, mit der Aufforderung meine Diplomarbeit zu streichen. Da es sich um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, und den oben genannten Gründen, wurde dieses Telefonat von meinem Professor natürlich sehr schnell abgetan und beendet und die Idee als haltlos erklärt.

Nach diesen Aktionen war das Vertrauen natürlich gebrochen. Was soll ich mit einer Firma, die mir Konstruktionsunterlagen entwenden will und nicht mit mir weiter plant? Somit wurde dieses Projekt eingestellt und kein Prototyp fertiggestellt. Ich habe die Diplomarbeit fertiggestellt, abgeben und dafür die Note 1 bekommen. Kurz danach wurden, dank sehr guten Kontakten, mit dem damaligen BMW-Motorrad-Motorsportchef Gespräche geführt, in das BMW-Superbike-Werksteam einzusteigen. Der Plan stand schon, als sich BMW kurzfristig werksseitig aus der Superbike-WM verabschiedet hat.

Das alles war mitten in der Saison, zwischen diversen Rennen und noch einer Schulterluxation mit anschließender OP.

GM-Inhaber Emanuele Marzotto verärgert

Kurze Zeit später bekam ich unerwartet eine Mail von GM-Inhaber Emanuele Marzotto, wie es meiner Schulter geht und wie es um mein Projekt steht. Die Geschichte musste ich ihm nicht groß erzählen, da er die Hintergründe gut kannte. So wurden nach Beendigung des Projekts GM-Teile und meine Zeichnungen bei der Firma Suter Racing Technology, die ja auch in Moto3, Moto2 und MotoGP aktiv ist, in der Schweiz gesichtet, der neue GTR-Motor wird heute von Suter gefertigt. Zudem war ihm der italienische Investor Marani bekannt, da er wohl aus der Nähe von Lonigo und dem familiären Umfeld von Alessandro Milanese stammt. Emanuele Marzotto war auch nicht erfreut, dass Marcel Gerhard erst eine Woche vorher die neuen GM-Entwicklungen begutachtet und er nur zufällig davon erfahren hat, wie Marcel Gerhard plant ihm Konkurrenz zu machen.

Ihm habe ich meine Konstruktion gezeigt. Sie hat ihm sehr gut gefallen und er hat mir seine Unterstützung zugesagt, sollte ich das Projekt einmal umsetzen wollen. Er selbst wollte den Zylinderkopf nicht verwenden, da er aus Mangel an Konkurrenz seinen Motor ja nicht gravierend weiterentwickeln muss. Warum sollte er sich die Arbeit machen, wenn er so gut wie das Monopol besitzt?

Den 350er-KTM-SXF-Motor umzubauen, dass er auf ein GM-Kurbelgehäuse passt, stellt keine Konstruktionsleistung dar. Es muss nur ein Adapter zwischen Kurbelhaus und Zylinder geschaffen werden beziehungsweise ein Zylinder gebaut werden, um den längeren Hub zu verwirklichen. Dann muss der Einlasskanal aus einem Alumaterial gefräst und aufgeschweißt werden. Daraufhin wird noch eine Ölpumpe und eine Wasserpumpe im Kurbelgehäuse untergebracht. Damit werden die Ölleitungen im Zylinder und Zylinderkopf versorgt und die Wasserkühlung umgewälzt.

Vermutlich reicht sogar schon die seit 2013 verwendete Ölpumpe von GM dafür aus. Dieser Motor würde laufen, ist aber zu schwer und funktioniert nur solange er keinen Strahl mit Dreck abbekommt. Das Ganze ist eher Bastelei als Konstruktion.

Mein Zylinderkopf mit Zylinder liegt seitdem fertig entwickelt in der Schublade.

Anmerkung der Redaktion: Marcel Gerhard wollte auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com keine Stellung beziehen. Der gesamte Schriftverkehr zwischen den Anwälten liegt uns vor.

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