Formel 1: Abschied in der Unterhose

Nach 101 Jahren: BMW holt endlich einen Solo-WM-Titel

Kolumne von Ivo Schützbach
2009 stieg BMW in die Superbike-WM ein, 16 Jahre später ist der deutsche Hersteller dank Toprak Razgatlioglu die Nummer 1. Dieser Erfolg hat mehrere Väter.

Nach seiner überragenden Saison 2024 – trotz dreiwöchiger Verletzungspause und sechs verpassten Rennen – kam der WM-Titel für BMW und Toprak Razgatlioglu in Jerez erwartungsgemäß, deshalb sahen wir auch keine Teammitglieder im Freudentaumel durchdrehen.

Es war erlösende Freude, allen Beteiligten fiel eine gewaltige Last von den Schultern. Tränen flossen, Stimmen versagten, gestandene Männer waren zutiefst berührt von dem, was Ausnahmefahrer Toprak in diesem Jahr erreicht hat.

Er gewann auf einer privaten Kawasaki Rennen in der Superbike-WM, er führte Yamaha nach zwölf Jahren Durststrecke wieder zum Titel. Und er schaffte für BMW Motorrad den größten sportlichen Erfolg in der 101-jährigen Firmengeschichte, den ersten WM-Titel in einer Solokategorie auf der Rundstrecke.

Es waren keine einfachen Jahre für die Bayerischen Motoren Werke. 2009 stiegen sie werksseitig in die seriennahe Weltmeisterschaft ein, 2012 zog der damalige Geschäftsführer aus Spargründen und Desinteresse den Stecker.

Motorsportenthusiasten bei BMW hielten das SBK-Projekt notdürftig am Leben und retteten sich mit kleinem Engagement über die Jahre, bis Dr. Markus Schramm 2019 entschied, dass die Zeit für die werksseitige Rückkehr gekommen ist. Er legte den Grundstein für den jetzigen Erfolg, ihm haben BMW-Fans weltweit zu verdanken, dass aus der Marke mit der Gummikuh der beste Hersteller der Superbike-WM wurde.

Der heutige BMW-Sportdirektor Marc Bongers war es, der im Mai 2023 Razgatlioglu und seinen Manager Kenan Sofuoglu überzeugen konnte, bei den Weiß-Blauen anzudocken. Egal welche Managementfehler man dem Niederländer über die Jahre vorwerfen mag, diesen Coup kann ihm keiner in Abrede stellen.

Nach dem Titelgewinn von «El Turco» wurden neben Bongers SMR-Teamchef Shaun Muir und Crew-Chief Phil Marron vor die TV-Kameras und zu Interviews gebeten.

Nur der Architekt der heutigen Teamstruktur, und damit zu einem großen Teil des Erfolgs, blieb im Hintergrund: Christian Gonschor.

Der gebürtige Bochumer saß 2023 im Büro von Dr. Schramm und schilderte, wie der Weg zum Erfolg seiner Meinung nach aussehen muss. Der damalige Chef von BMW Motorrad sprach ihm das Vertrauen aus und machte ihn zum Technischen Direktor.

Gonschor installierte ein Testteam mit erfahrenen, schnellen und kompetenten Piloten wie Sylvain Guintoli, Bradley Smith und Markus Reiterberger. Er sorgte dafür, dass sämtliche Informationen vom Rennteam ins Testteam und in die Entwicklungsabteilung fließen – und wieder zurück.

Razgatlioglu ist ein brillanter Rennfahrer, der momentan Beste in der Superbike-WM. Aber auch er kann Schwächen eines Motorrads nur bis zu einem gewissen Grad kompensieren, wie wir 2022 und 2023 gesehen haben, als er mit der schwachbrüstigen Yamaha gegen Alvaro Bautista auf der Ducati mit stumpfen Waffen kämpfte.

Nur Toprak kann derzeit auf BMW Weltmeister werden – das steht außer Zweifel. Doch gleiches galt für Jonathan Rea bei Kawasaki und Bautista bei Ducati.

Bautista, selbst ein dreifacher Champion, beschrieb die Symbiose aus Razgatlioglu und BMW treffend: «Es geht immer um das Paket. Ein Fahrer braucht das für ihn beste Motorrad, mit dem er seine Fähigkeiten maximal ausspielen kann. Für mich war das im Vorjahr die Ducati, mit der Honda war es nicht so. Und für Toprak ist es die BMW.»


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