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Die Taktik bei Schotter-Rallyes

Kolumne von Toni Hoffmann
ogier 2010 jordan2010

ogier 2010 jordan2010

Die letzte Etappe des dritten WM-Laufes in Jordanien war ein trauriges Beispiel dafür, wie eine Taktik ad absurdum geführt wurde.

Die Schotter-Rallyes, so beliebt sie bei Fahrern und Zuschauern auch sein mögen, sind für die Piloten mit einem ganz speziellen Problem belastet. Keiner möchte gerne als erstes Fahrzeug auf die Schotterpisten und so die Kehrmaschine für seine Verfolger spielen. Die Rolle ist in den meisten Fällen mit einem teils hohen Zeitverlust verbunden. Das Beispiel von Jari-Matti Latvala am zweiten Tag bei der Rallye Jordanien zeigte dies aussagekräftig. Latvala verlor, weil als erstes Auto auf der Schotterpiste, gegenüber dem drittplatzierten Sébastien Loeb fast eine Minute und damit die Führung.

Citroën liess sich, um dieses Kehrmaschinen-Problem etwas zu schmälern, in Jordanien etwas Besonderes einfallen. Die C4 wurden auf den beiden Seiten des Frontspoilers mit kleinen Bürsten aus widerstandfähigem Kamelhaar ausgerüstet, die für die eigenen Fahrzeuge den losen Schotter von der Piste fegen sollen. So richtig gewirkt zu haben scheinen diese nicht. Eine gut sichtbare Zeitenverbesserung war nicht zu erkennen. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Citroën-Taktik beim Jordanien-Finale hinfällig gewesen.

Was aber war in Jordanien diese besondere Taktik? Loeb hatte nach der zweiten Etappe von Latvala die Führung vor seinem Citroën-Kollegen Sébastien Ogier übernommen. Latvala fiel (oder mehr liess sich fallen?) auf den dritten Platz zurück. Anscheinend war Citroën der Vorsprung von Loeb auf Latvala von 27,7 Sekunden für die letzten 108 Bestzeitkilometer auf den steinigen Wüstenpisten wohl zu wenig. Was tun?

Citroën «bat» den Gesamtzweiten Ogier beim Start fünf Minuten zu spät stempeln. Damit würde er in der Startreihenfolge für die erste Samstag-Prüfung hinter Latvala auf Platz fünf zurückfallen. Latvala hätte, nun als zweites Fahrzeug auf der Piste, einen Strassenkehrer weniger vor sich und einen Nachteil. Ford reagierte prompt. Mikko Hirvonen, der auf der ersten Freitag-Prüfung nach einem Unfall mit Aufhängungsschaden ausgeschieden war, aber nach der SupeRally-Regel wieder starten durfte, wurde nun «gebeten», vor der ersten Prüfung neun Minuten zu früh zu stempeln. Dies brachte ihn in der Startreihenfolge der ersten Entscheidung zwischen Loeb und Latvala. Darauf reagierte Citroën sofort und wies Ogier an, nun 8 Minuten zu früh zu stempeln. Nun war Ogier das erste Fahrzeug auf der Prüfung. Die Ford-Antwort folgte umgehend. Hirvonen musste wieder sechs Minuten fassen, womit er wieder zwischen Loeb und Latvala lag. Selbst Loeb, der letztlich auch der «Kehrmaschine» Ogier profitiert hatte, kritisierte diese Taktik.

Nun kommen verschiedene Möglichkeiten ins Spiel, dieses Problem einigermassen in den Griff zu bekommen. Aus Fahrerreihen kommt nun der Vorschlag, vor der ersten Etappe einen Qualifikationsprolog durchzuführen, dessen Zeit über die Startreihenfolge der Top Ten entscheiden soll. Nichts Neues, das wurde schon bei der Rallye Dakar mehrmals praktiziert, und in der Intercontinental Rally Challenge 2010 – siehe Rallye Monte Carlo – so auch durchgeführt. Oder eine andere Variante – die Fahrer bestimmen in der Reihenfolge ihrer Prologzeiten über ihre Startposition.

Für die erste Etappe könnte das okay sein. Was aber ist dann mit den folgenden Etappen? Wie wird dann die Reihenfolge festgelegt? Bisher ergibt sich diese durch das Ergebnis des Vortages. Also muss der Leader dann auch als erstes Auto auf die Prüfungen. Das leidige Problem bleibt. Oder soll am Ende einer jeden Etappe wieder von den zehnbesten Fahrern über die Reihenfolge entschieden werden? Das gab es alles schon mal. Vor Jahren wurde dies in Australien praktiziert und bald wieder abgeschafft. Es gab sogar die Variante, dass die Startpositionen unter den Top Ten verlost wurden. Auch keine Lösung.

Dann gab es über Jahre die umgekehrte Startreihenfolge der besten Fünfzehn. Der Gesamtfünftzehnte startete als erstes Fahrzeug, der Spitzenreiter als 15. Auto. Das war zwar gut für die Medienvertreter und auch für die Zuschauer, doch diese Methode forderte auch manchmal etwas Taktik heraus. Den Fahrern wurden die Zeiten der vor ihn fahrenden Piloten übermittelt, wie auch immer, oft aufs Display. Demnach konnte er seine Zeiten einrichten, auch eine Art Strategie. Nur diese Taktik war bei weitem nicht so schlimm wie das, was nun in Jordanien passiert ist. Das Jordanien-Finale war eine Schande für den Rallyesport.

Meine Meinung: Das Problem bleibt, eine vernünftige und allen gerechte Lösung gibt es nicht und wird es bei Schotter-Rallyes nie geben. Einer ist immer der Dumme. Die Rückkehr zur umgekehrten Startreihenfolge wäre das minderschwere Problem. Die führenden Piloten würden zumindest auf den ersten Etappen noch um die Spitze kämpfen. Sie müssen dann ja nicht die Rolle als Kehrmaschine übernehmen. Doch nicht die Piloten, nicht die Teams, nicht die Zuschauer und auch nicht die Medienvertreter entscheiden. Das macht die FIA, hoffentlich schnell. Die Jordanien-Schande reicht.

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