Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Thema des Tages: Die Startposition ist nicht alles

Von Christian Schön
Geschickter Taktiker – Hyundai-Werkspilot Thierry Neuville

Geschickter Taktiker – Hyundai-Werkspilot Thierry Neuville

Thierry Neuville hat seine Führung nach der zweiten Etappe nicht ausschließlich dem Umstand zu verdanken, dass er die ersten zwei Tage lang als Fünfter losfuhr.

Das Lob kam vom Weltmeister persönlich. «Natürlich hat Thierry eine bessere Startposition gehabt. Aber diesen Vorteil muss man auch erst einmal umsetzen können», analysierte Sébastien Ogier (Volkswagen) im Ziel der zweiten Etappe. Exakt 9,6 Sekunden betrug zu diesem Zeitpunkt sein Rückstand auf den überraschend führenden Thierry Neuville (Hyundai).

Auf der einen oder anderen Prüfung mag Startposition fünf für Neuville ein Vorteil gewesen sein. Tatsächlich war der 26 Jahre alte Belgier aber auch der einzige der Topfahrer, der sich während der 18 Wertungsprüfungen von Etappe eins und zwei nicht einen Fehler leistete. Alle anderen, inklusive Champion Ogier, Vorjahressieger Jari-Matti Latvala (Volkswagen) und der am Freitagabend noch führende Andreas Mikkelsen (Volkswagen) steckten mindestens einmal in einer Schneewand oder legten eingesprungene Pirouetten aufs glatte Parkett.

Auch beim Reifen-Management war Neuville seinen Konkurrenten einen Schritt voraus. «Ich bin den ganzen Freitag mit einem Satz Reifen gefahren, um am Samstag und Sonntag mit frischen Reifen attackieren zu können», verriet er. Insgesamt nur 24 Reifen stehen den Topteams für die gesamte Rallye zur Verfügung. Zu wenig, um bei jedem der fünf vorgesehenen Wechsel – plus ein Satz für die ersten Prüfungen nach dem Start – neue Reifen aufziehen zu können.

Neuville fuhr am Samstagnachmittag sogar mit zwei Ersatzrädern los, während die direkten Konkurrenten aus Gewichtsgründen nur ein zusätzliches Rad im Kofferraum festschnallten. Vor der letzten Prüfung des Samstags, dem zweiten Durchgang über die schon an vielen Stellen vom Eis befreite WP Vargåsen, zog der Sieger der Rallye Deutschland 2014 dann den Joker. Er montierte vorne zwei pfuschneue Reifen.

Das Resultat ließ sich auf der Zeitenliste ablesen: Bestzeit mit 5,9 Sekunden Vorsprung vor Ogier. Der bis dahin in Führung liegende Mikkelsen verlor auf den knapp 25 Kilometern sogar 8,8 Sekunden. Die neue Rekordweite von 44 Metern am Riesen-Sprung «Colin’s Crest» war da nur Zugabe. «Ich habe die Kuppe zum ersten Mal mit Vollgas genommen», erzählte Neuville. «In der folgenden Kurve wurd’s dann allerdings verdammt eng.»

Mit diesem Husarenritt übernahmen Neuville und Beifahrer Nicolas Gilsoul überraschend die Führung. Überraschend auch deshalb, weil bei Hyundai noch immer die 2014er Autos eingesetzt werden. Allerdings gilt dies auch für den nur 1,5 Sekunden zurück liegenden Andreas Mikkelsen, der im B-Team von Volkswagen ebenfalls bis auf Weiteres unter anderem ohne Schaltwippen am Lenkrad auskommen muss. «Wahrscheinlich ist genau dies das Erfolgsgeheimnis», scherzte der auch erst 25 Jahre alte Norweger. «Die jüngsten Fahrer in den ältesten Autos – die perfekte Kombination.»

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