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Wickens: «Motorsport ist manchmal einfach grausam»

Von Otto Zuber
Robert Wickens

Robert Wickens

Robert Wickens hat einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich. Im Interview spricht er über seine Selbstsucht gegenüber seinen Eltern, seinen persönlichen Tiefpunkt und seine Lehren daraus.
Rob, welcher Moment war für deine Karriere am wichtigsten? Gab es eine Situation, in der dein Leben, wenn du anders entschieden hättest, eine ganz andere Richtung eingeschlagen hätte? 

Es gab viele verschiedene Phasen. Erstmal als ich ungefähr zwölf Jahre alt war. Wenn meine Eltern in diesem jungen Alter nicht entschieden hätten, es konsequent durchzuziehen, hätte meine Karriere niemals stattgefunden. Das war für mich die große Sache. Aber ich wusste genau, was ich machen wollte. Es stand nie außer Frage, ob es wirklich das war, was ich wollte. Die erste Entscheidung lag aber nicht in meinen Händen. Es waren meine Eltern und mein Bruder, die entschieden haben, mich zu unterstützen. 

Wie ging es dann weiter? 

Der nächste Scheideweg war ein paar Jahre später, als meine Eltern wirklich alles auf eine Karte setzten und ihr Haus verkauft haben. Damals setzten sie mich hin und sagten: "Ist es wirklich das, was du willst? Es wäre keine Schande, wenn du jetzt aufhörst. Wir müssen wissen, ob das die Karriere ist, die du willst." Im Alter von 14 Jahren musste ich ganz klar sagen: "Ja, das ist es, was ich machen will." Das war eine schwierige Zeit für mich. Meine Eltern mussten das Haus verkaufen, nur um die Schulden zu begleichen, die sie über die Jahre für meinen Sport angehäuft hatten. Ich war nur ein 14-jähriges Kind und wollte in gewisser Weise auch noch eine normale Kindheit haben. Ich war eigentlich sehr unfair gegenüber meinen Eltern. Ich sagte immer, ich will mit meinen Freunden abhängen. Ich wollte nicht umziehen oder die Schule wechseln. Ich wollte meine Freunde von Montag bis Freitag sehen und am Wochenende Motorsport betreiben. Es fiel mir in dieser Zeit sehr schwer, diese Opfer zu bringen. Heute fühle ich mich deswegen schlecht, denn ich war sehr selbstsüchtig. Meine Eltern machten wirklich alles für mich und ich erwartete noch mehr. Deshalb habe ich heute ein schlechtes Gewissen, aber damals war das wohl der nächste Scheideweg. 

Hattest du auch einmal Zweifel an deiner Motorsport-Karriere? 

Ich habe nur einmal wirklich in Frage gestellt, ob der Motorsport das Richtige für mich ist, und zwar 2009 nach meinem Jahr in der Formel 2. Das war das schlimmste Jahr meines Lebens. Ich lebte in England und war absolut nicht glücklich. Ich konnte mir kein Auto leisten, wohnte bei einem Kumpel in Silverstone. Wer Silverstone kennt, der weiß, dass da gar nichts los ist. Es ist ein kleines Dorf im Nirgendwo. Ich musste 15 km mit einem geliehenen Fahrrad fahren, um zu dem Fitnessstudio zu kommen, in dem ich trainierte. Es war ein seltsames Leben. Unser Haus hatte zu Beginn noch nicht einmal Internet. Ich musste also in die Kneipe um die Ecke gehen, um dort das WiFi zu benutzen. Die Saison war okay, ich gewann die ersten paar Rennen und dann hatte mein Auto immer wieder technische Defekte. Ich hatte sieben technisch-bedingte Ausfälle in 14 Rennen. Die Meisterschaft war futsch und dann kam auch noch mein Teamkollege Henry Surtees bei einem schrecklichen Unfall ums Leben. Wir kamen gut miteinander zurecht, er war jung und auf dem Weg nach oben. Das ganze Jahr war einfach nur schrecklich. Zu allem Überfluss ließ mich Red Bull, in deren Nachwuchsprogramm ich war, am Ende des Jahres auch noch fallen. Das war wahrscheinlich der Tiefpunkt in meinem Leben. 

Wie hast du dich davon erholt? 

Ich fragte mich: Was zur Hölle mache ich jetzt? Ich wurde Zweiter in der Meisterschaft und verlor meinen Förderer, weil ich den Titel nicht gewonnen hatte. Es war nicht meine Schuld, aber das war auch mein einziges Argument. Das war wirklich meine erste richtige Erfahrung, wie unbarmherzig der Motorsport sein kann. Ich war für fünf Jahre in ihrem Förderprogramm und ich verstand nun, dass es eine knallharte Welt ist. Wenn du keine Leistung ablieferst, bist du draußen. Ich wurde immer noch Zweiter, hatte sechs Podestplätze bei sieben Zielankünften. Ich stand fünf Mal auf der Pole Position. Wenn ich ins Ziel kam, war ich immer da. Ich sagte zu ihnen: "Kommt schon, ich war immer noch der beste Fahrer im Programm. Ich habe nur sieben Rennen beendet und das lag nicht in meiner Hand." Aber die Antwort lautete nur: "Ja, aber du hast nicht gewonnen." Motorsport ist manchmal einfach grausam. Ich dachte mir: Was mache ich jetzt? Mein bester Freund ist gerade gestorben, ich hatte das schlimmste Jahr meines Lebens. Was ist, wenn das für immer so weitergeht? Ist das wirklich das, was ich machen will? Ich hatte keine Förderer mehr, es war wieder alles bei null. Was soll ich machen? Wie finde ich Geld, um weiter Rennen fahren zu können? 

In diesem Moment erfuhr dein Leben eine Wende: Du bekamst eine großartige Chance in der GP3 Serie. Wie kam das zustande? 

Status Grand Prix, für die ich 2007 und 2008 in der A1GP Serie gefahren bin, suchte nach einem Fahrer, mit dem sie Rennen und hoffentlich die Meisterschaft gewinnen konnten. Ich hatte einfach nur unheimliches Glück, dass das Team mich mochte, als wir das erste Mal zusammengearbeitet haben. Ich war ihre erste Anlaufstelle, noch bevor sie einen Startplatz hatten. Zum Glück gab es ein paar kleine kanadische Firmen, mit deren Hilfe wir genügend Geld auftreiben konnten, um mich im Team zu platzieren. Das Jahr lief gut und ich wurde Zweiter in der Meisterschaft. Aber es war auch etwas frustrierend, denn es war das vierte Mal, dass ich in einer Meisterschaft in Europa Zweiter geworden war. Ich dachte mir: "Wann gewinne ich endlich mal eine Meisterschaft?

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