Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Überholen in der Formel 1: Urteil erst nach China-GP

Von Rob La Salle
Sebastian Vettel konnte in Australien an Lewis Hamilton dran bleiben – 2016 hätte er sich dabei die Reifen ruiniert

Sebastian Vettel konnte in Australien an Lewis Hamilton dran bleiben – 2016 hätte er sich dabei die Reifen ruiniert

​Eines hat der Australien-GP klar gemacht: Das Überholen ist durch die neuen, schnelleren 2017er Renner nicht einfacher geworden. Aber das Rennen im Albert-Park von Melbourne zeigte noch nicht das ganze Bild.

Die Ära dieser neuen, schnelleren Formel 1 ist gerade erst ein Rennen jung, da wird bereits ausgiebig über den Erfolg des 2017er Reglements diskutiert. Der Zweikampf zwischen Sebastian Vettel im Ferrari und Lewis Hamilton im Mercedes um den Sieg konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Mangelnde Überholmanöver im gesamten Feld warfen Fragen auf. War dies ein Einzelfall oder ein Fingerzeig darauf, wie es weitergehen wird? Wie wir noch sehen werden: Die Antwort liegt irgendwo in der Mitte.

Der Albert Park Circuit von Melbourne war noch nie für grossartige Überholmöglichkeiten bekannt. Sehen wir uns doch einmal den letzten WM-Lauf «down under» unter einem stabilen Reglement an, bei dem es keine grösseren Zwischenfälle oder Autos gab, die unplanmässige Startpositionen hatten. Dann merken wir, dass es relativ wenig Überholmanöver zu nennen gibt. 2015 gab es 13 Manöver, 10 davon mit Hilfe von DRS. 2014 war es ähnlich – 24 Überholmanöver, acht davon mit DRS.

Ja, in diesem Jahr gab es beim Australien Grand Prix nur 12 Positionswechsel, darunter zwei normale Überholmanöver und drei Manöver mit der Hilfe von DRS. Aber die Schwankungen können bei diesem Rennen von Jahr zu Jahr gross sein. 2016 brachten Autos, die von ungewohnten Startpositionen losfuhren, 40 Positionswechsel auf der Strecke mit sich. Zum Vergleich: In diesem Jahr gab es keinen solchen Einflussfaktor. Die Fahrer qualifizierten sich weitgehend wie erwartet und die Performance-Unterschiede innerhalb des Feldes waren nicht ausreichend, um Positionswechsel unvermeidlich zu machen.

Wenn wir traditionelle Überholmöglichkeiten aussen vor lassen, kam in Melbourne noch ein zweiter Faktor ins Spiel. Die neuen 2017er Pirelli-Reifen bauten einfach nicht stark genug ab, um mehr Überholmanöver zu fördern. Die Performance-Unterschiede werden grösser, wenn die Reifen anfangen, unterschiedlich stark abzubauen – aber das geschah im Albert Park nicht.

Die Anzahl an Überholmanövern war in Melbourne 2017 auf alle Fälle niedrig. Allerdings wäre es nicht richtig, das Auftaktrennen als repräsentativ für den Rest der Saison anzusehen.

In China war die Anzahl an Überholmanövern in den vergangenen Jahren deutlich anders. 2016 gab es erstaunliche 181 Überholmanöver. Es gab sogar Stimmen, die besagten, dass Shanghai aufgrund der vielen Positionswechsel im vergangenen Jahr ein «Fake Rennen» gewesen sei. Die Autos mussten nur ins DRS-Fenster kommen und konnten dann auf der langen Gegengeraden überholen.

Während eine solche Zahl unter normalen Umständen (im letzten Jahr gab es eine chaotische erste Runde, eine frühe Safety Car-Phase und die Aufholjagd von Lewis vom Ende des Feldes) schwierig zu erreichen sein wird, sind die 28 Manöver von 2015 ein vernünftiges Ziel. Hier werden wir zum ersten Mal erleben, was die Formel 1 2017 wirklich zu bieten hat.

So weit wir es bislang gesehen haben, gibt es sogar Faktoren, die das Überholen in diesem Jahr vereinfachen werden. Der Einfluss des Windschattens ist 2017 durch die veränderten Regeln stärker. Grössere Autos bedeuten mehr Windschatten. Wenn die Autos die Gerade entlangfahren, wird es einen verstärkten Geschwindigkeitsunterschied zu Beginn der Bremszone geben. Auch der DRS-Effekt ist stärker. Durch die grösseren Heckflügel fällt der Rundenzeitvorteil durch DRS zum Teil um mehr als 30% grösser aus. Das fördert Überholmanöver, besonders auf Strecken mit langen Geraden wie in China und Bahrain.

Zudem gibt es eine Schlüsselerkenntnis aus Melbourne, die grossteils übersehen wurde. Sebastian Vettel konnte während des ersten Rennsegments an Lewis dranbleiben. Hätte er in den vergangenen Jahren 16 Runden lang einem Konkurrenten im Getriebe gehangen, hätte er dabei seine Reifen ruiniert. Wenn er angegriffen hätte, hätten die Reifen sehr schnell abgebaut. In diesem Rennen konnte er jedoch relativ einfach im Windschatten von Lewis bleiben und dann angreifen, als er freie Fahrt hatte. So übernahm er schliesslich die Führung und gewann letztlich das Rennen. Das ist ein gutes Anzeichen für enge Rennen in diesem Jahr.

Nachdem es Beschwerden darüber gegeben hat, dass DRS das Überholen in der Formel 1 zu einfach gemacht habe, werden wir nun ein Risiko-Spiel erleben. Die Fahrer müssen mutig beim Bremsen sein, auf ihre Autos achten und dranbleiben. Wer in dieser neuen Ära überholen möchte, muss dafür richtig kämpfen. Genau so sollte es im Grunde sein.

Sendezeiten Formel 1 2017

9. April, 8.00: GP China (Shanghai)
16. April, 17.00: GP Bahrain (Sakhir)
30. April, 14.00: GP Russland (Sotschi)
14. Mai, 14.00: GP Spanien (Barcelona)
28. Mai, 14.00: GP Monaco (Monte Carlo)
11. Juni, 20.00: GP Kanada (Montreal)
25. Juni, 15.00: GP Aserbaidschan (Baku)
9. Juli, 14.00: GP Österreich (Spielberg)
16. Juli, 14.00: GP Grossbritannien (Silverstone)
30. Juli, 14.00: GP Ungarn (Budapest)
27. August, 14.00: GP Belgien (Spa-Francorchamps)
3. September, 14.00: GP Italien (Monza)
17. September, 14.00: GP Singapur
1. Oktober, 9.00: GP Malaysia (Sepang)
8. Oktober, 7.00: GP Japan (Suzuka)
22. Oktober, 21.00: GP USA (Austin)
29. Oktober, 20.00: GP Mexiko (Mexiko-Stadt)
12. November, 17.00: GP Brasilien (São Paulo)
26. November, 14.00: GP Abu Dhabi (Insel Yas)

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