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Ungarn-Crash: Was Verstappen & Ricciardo heute sagen

Von Rob La Salle
2. Teil des Sofagesprächs von Daniel Ricciardo und Max Verstappen: Wieso sich der Australier ausgenutzt vorkommt, warum der Niederländer lieber zuhause isst (mit zwei S), was sie zum Ungarn-Crash sagen.

Im ersten Teil des Sofa-Geplauders von Max Verstappen und Daniel Ricciardo haben wir unter vielem mehr erfahren: Sebastian Vettel schreibt Weihnachtskarten. Kimi Räikkönen ist ein wandelndes Rätsel. Ricciardo empfindet Hassliebe für seinen Sport. Mehr von den beiden Red Bull Racing-Piloten? Gerne.

Ein Fan möchte wissen: «Euer Teamchef Christian Horner hat schon ein paar Mal gemeint, ihr seid das beste Fahrerduo der Formel 1. Aber was glaubt ihr selber?»

Der 28jährige Daniel Ricciardo gibt zur Antwort: «Ja, das finde ich auch, und wir haben das auf der Rennpiste bewiesen. Ich meine, wer hat denn in den letzten zwei Jahren die aggressivsten Überholmanöver gezeigt? Wir. Wer hat sich am schnellsten durch ein Feld gearbeitet, wenn wir von hinten losfahren mussten? Wir. Ich will nicht arrogant wirken, aber am meisten Action haben wir beide gezeigt. Und es ist immer schön zu hören, wenn ein Teamchef das über einen sagt, das zeugt von Respekt. Das Kompliment ist auch eine gute Motivation, das beste Fahrerduo zu bleiben.»

Max stellt dem Australier die nächste Frage: «Wenn du dir deine Siegerpokale anschaust, hast du dabei einen Favoriten?»

Daniel: «Hmmm, ich finde die Pokale schön, die sie in Japan überreichen. Ich konnte in Suzuka in diesem Jahr endlich meinen ersten Podestplatz erringen, und ich mag Details wie dieses Blumenmuster.» Der Australier zeigt auf die 2017er Pokale, die neben dem Sofa aufgestellt worden waren.

Max hat ein scharfes Auge: «Sieht es nur so aus, oder sind die Pokale für die Ränge 2 und 3 gleich gross?» Daniel steht auf, kniet sich nieder und vergleicht die Auszeichnungen. «Yup, gleich gross. Das ist auch der Grund, wieso ich dir Rang 2 in Japan überlassen habe, weil die Pokale ohnehin gleich gross sind! Ich liess dich auch vorbei, weil ich wusste, dass du den führenden Hamilton ohnehin nicht schnappen wirst. Und ich wollte den Motor schonen. Das hat sich ja für mich auch prima bezahlt gemacht in den letzten Rennen!» (Zur Erinnerung: Nach Japan fiel Daniel in drei von vier Grands Prix aus. Die Red.) Dann simuliert Ricciardo einen Weinkrampf, bevor er sich ein Kissen schnappt und tüchtig hineinbrüllt.

Daniel wirft den Ball zurück: «Hast du denn einen Lieblingspokal?»

Max: «Ich hatte dieses Jahr ja nur vier. Aber zwei Mal war es ein Heineken-Pokal, die sind klasse, weil du sie füllen und gut daraus trinken kannst. Der Siegerpokal von Malaysia bedeutet mir viel, weil ich zuvor so oft ausgefallen war. Wenn ein Pokal an solche Emotionen geknüpft ist, dann wird er zu etwas Besonderem.»

Daniel: «Zudem war es der letzte Grand Prix in Malaysia, körperlich total anstrengend. Ich kann mich daran erinnern, wie du mir gesagt hast, du seist völlig fertig.»

Max bestätigt: «Ich war komplett durch den Wind, wirklich am Ende.»

Daniel: «Okay, nächste Frage, etwas ganz Anderes – was war euer schönstes Erlebnis 2017, abgesehen von den GP-Wochenenden?»

Max: «Unser Wohnwagenrennen auf dem Red Bull Ring. Ich habe mir fast in die Hose gemacht vor Lachen. Und bei dir?» Daniel: «Die Wohnwagen waren cool, das stimmt. Aber ich fand auch Eishockey genial, weil ich das noch nie gemacht hatte.»

Max grinst: «Ja, das konnte ich sehen.»

Daniel: «Ich fand zudem der Hammer wie wir in Texas ein wenig American Football spielten.»

Verstappen kichert: «Der Typ sagte mir ständig etwas von Lines und Throwes und Passes, und ich antwortete – Junge, ich versteh kein Wort von dem, was du hier erzählst, weil ich null Ahnung von den Regeln im American Football habe.»

Daniel zu Max: «Welches ist für dich die schwierigste und welches ist die einfachste Rennstrecke?»

Der 20jährige Verstappen sagt: «Die grösste Herausforderung ist Monaco. Eine Quali-Runde im Leitschienenkanal, das ist nicht zu toppen. Dort nochmals ein paar Zehntel rauszuquetschen, mit Vorderreifen, die sich nicht richtig aufwärmen, das ist wirklich knifflig.»

Daniel Ricciardo faltet die Hände wie zum Gebet, blickt nach oben und sagt: «Ich freue mich jetzt schon auf den Hypersoft-Reifen im nächsten Jahr. Und die einfachste?»

Max fragt zurück: «Gibt es überhaupt eine Strecke, die einfach ist, wenn du wirklich am Limit fährst?»

Daniel: «Das ist eine gute Frage. Die Antwort lautet: nein. Aber wenn ich eine einfache Strecke nennen müsste, dann würde ich wohl Barcelona sagen, weil wir die Piste dort so gut kennen, nach all den Testfahrten und Rennwochenenden. Du kannst dort fast automatisch eine gute Runde fahren.»

Max liest die nächste Frage der Red Bull Racing-Fans vor: «Worauf freust du dich in der Winterpause am meisten?»

Daniel: «Auf mein Zuhause. Ich fliege über Weihnachten immer zurück nach Australien. Das wird jetzt merkwürdig klingen – aber ich freue mich am meisten darauf, von den Menschen wegzukommen. Es läuft so viel im Laufe einer GP-Saison, dass du recht wenig Zeit für dich selber hast. Als ich beim WM-Finale von Abu Dhabi ausfiel, kehrte ich in meinen Ruheraum zurück. Ich sass einfach da. Das Rennen lief im Hintergrund. Ich sass da, das Licht war abgedreht, sicher eine halbe Stunde lang, und ich habe es genossen, alleine zu sein, nicht dem ständigen Trubel ausgesetzt zu sein.»

«Ich werde also nach Australien fliegen. Dann hauen wir aus der Stadt ab, einfach ein paar Freude, und haben Spass. Wir können auch mal eine Weile nichts reden.»

Max dreht Daniel das Wort im Munde um: «Jaja, da sitzt du dann mit deinen Kumpels. Im Dunkeln!»

Ricciardo prustet: «Nein, wir unternehmen schon Zeugs, wir fahren Motorrad und gehen fischen. Aber wir fühlen keine Verpflichtung, tiefschürfende Gespräche zu führen. Wir geniessen einfach die Gesellschaft.»

Max: «Du hast auch ein tolles Land um abzuschalten.»

Daniel: «Ja, das ist wahr. Es hat mit Formel 1 so überhaupt nichts zu tun, und das ist auch der Grund, warum ich es mag. Und es ist warm! Ich bin ein Sommerjunge. Aber die Frage ist gut – worauf freust du dich?»

Verstappen: «Ich freue mich darauf, einige Wochen lang frei zu haben. Ausschlafen zu können. Nicht über den Rennsport nachzudenken. Ich fahre gerne Ski, also werde ich nach Österreich gehen. Neujahr will ich in Monaco verbringen. Dann vielleicht nochmals in den Schnee. Ich habe auch daran gedacht, in die Wärme zu fliegen, aber es war nicht einfach, einen solchen Trip für alle Kumpels unter einen Hut zu bringen.»

Dann stellt Max eine witzige Frage: «Was macht es am schlimmsten, Daniel Ricciardo zu sein?»

Der Australier ist verblüfft, druckst zunächst ein wenig herum, dann sagt er: «Es ist grundsätzlich ja leicht, mit mir auszukommen, alles easy, ich habe Spass, die Menschen haben mit mir Spass, aber manchmal habe ich das Gefühl, das wird ausgenutzt. Wenn die Leute sagen – oh, Daniel ist so nett, der macht das schon, posieren hier, ein Foto dort. Ich bin grundsätlich ein netter Mensch, und zu 99 Prozent bin ich mit meiner Lebenseinstellung happy. Das eine andere Prozent bezieht sich darauf, dass nett sein auch Nachteile mit sich bringen kann. Wenn ich das bemerke, dann bin ich genervt, aber das passiert nicht so oft. Aber ich finde diese Frage so gut, dass ich sie auch dir stellen will – was ist das Schlimmste, Max Verstappen zu sein?»

Max: «Wenn ich mich zuhause in den Niederlanden befinde und mit meiner Familie oder mit Freunden einfach ganz normal in der Öffentlichkeit aufhalte, dann kann das nervig werden. Die Leute sind immer anständig zu mir, das ist nicht das Problem. Aber jeder will halt ein Foto oder ein Autogramm. Und die Leute laufen dir hinterher.»

Daniel vertieft: «Handy-Kameras sind wirklich unser Tod. Du hast keine Privatsphäre mehr. Wenn ich in einem Restaurant sitze, dann kann ich aus den Augenwinkeln sehen, wie die Leute filmen. Das ist einfach seltsam.»

Max: «Das geht so weit, dass ich inzwischen fast lieber zuhause esse als in einem Restaurant. Zuhause stört dich keiner.»

Nächste Frage von Daniel: «Wer von euch hatte mehr Pech in diesem Jahr?»

Max zeigt ein paar Mal zwischen ihm und Ricciardo hin und her, dann bleibt sein Zeigefinger auf sich selber stehen: «Ich.»

Daniel: «Es ist wirklich merkwürdig, die Saison war in dieser Hinsicht fast halbiert. In der ersten Hälfte hättest du ständig Pech, dann traf es vorwiegend mich.»

Max weiss: «Wir hatten dreizehn Ausfälle, sieben davon betrafen mich.»

Daniel schaut Max vielsagend an: «Also eigentlich hätte ich ja nur fünf gehabt»

Beim Niederländer fällt der Groschen schnell: Riccardo hat ihren Crash von Budapest angesprochen, als Max übereifrig in den Wagen von Ricciardo rutschte.

Daniel fletscht die Zähne und wiederholt, nun Silbe für Silbe betonend: «Ich-hät-te-nur-fünf-ge-habt.»

Max prustet los: «Weisst du, was auf meiner nächsten Fragenkarte steht? „Reden wir über Ungarn!“»

Ricciardo: «Hahahahahaha, das nenne ich perfektes Timing!»

Max: «Die Frage an dich lautet – wie leicht war es, diesen Moment hinter dir zu lassen?»

Ricciardo: «Leicht, weil du dich gleich bei mir entschuldigt hast. Und es war auch die Art und Weise, wie das passierte. Wir haben uns unter vier Augen unterhalten. Das fand ich für uns beide wichtig. Dass also das Ganze nicht über die Medien ausgetragen wurde und dass es auch niemandem gab, der dir sagte, hey, du solltest dich vielleicht bei Daniel entschuldigen. Und ich musste auch nicht auf dich zukommen und fragen: Was zum Teufel ist da passiert? Ich finde, du hast dich gut verhalten, das hat es für mich leichter gemacht. Überdies bin ich der Ansicht: Menschen machen nun mal Fehler. Gewiss, das war frustrierend für mich, aber es ist nun halt passiert.»

«Das Ganze dann hinter mir zu lassen, war nicht schwierig, weil ich 24 Stunden später in den Ferien war. Ich war mit meiner Familie zusammen und dachte nicht mehr an Ungarn. Ich finde, wir sind mit so einer Situation beide gut umgegangen.»

Eine kleine Fussnote dazu: Bei einem PR-Auftritt in Baku (wenige Tage nach dem Finale von Abu Dhabi) sagte Ricciardo auf die Frage nach dem grössten Ärger der Saison: «Das war wohl Budapest. Du bist beim Start ohnehin voller Adrenalin, und die Kollision brachte alles zum Überkochen. Die Streckenposten bedrängten mich, von der Strecke wegzukommen. Und ich sagte ihnen: Nicht anfassen! Ich wollte unbedingt am Rande der Piste bleiben, um Max den Vogel zu zeigen. Ich war so unfassbar sauer, am liebsten hätte ich ihm meinen Helm an den Kopf geschmissen! Aber ich bin ein guter Verlierer. Da machst du so etwas nicht.»

«Als mir Max nach unserer Kollision in Ungarn ein Bier gegeben hat und sich entschuldigte. Ich dachte: Das kann es jetzt aber nicht sein, dass er glaubt, mit einem Bierchen sei das erledigt. Dann meinte Verstappen sofort: Wir werden nach dem Meeting länger reden. Das haben wir dann auch getan. Aber dieser erste Moment, als mir Max das Glas herüberreichte, das war peinlich.»

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