Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Johnny Herbert: Alonso, Ricciardo, Kubica, total irre

Von Mathias Brunner
Johnny Herbert und Robert Kubica

Johnny Herbert und Robert Kubica

​Der dreifache Grand-Prix-Sieger Johnny Herbert (54) wundert sich sehr darüber, was derzeit in der Formel 1 passiert. «Wir sagen oft, das sei alles zu vorhersehbar. Die letzten Wochen strafen uns Lügen.»

Ich treffe Johnny Herbert im Fahrerlager des Circuit de Spa-Francorchamps, der kleine Engländer trippelt von einem Bein aufs andere, mit elf Grad ist es in den Ardennen nicht eben hochsommerlich. Vor seinem nächsten Einsatz für die britische Sky hat der 161fache GP-Teilnehmer Zeit, ein wenig über die letzten Wochen zu reden. Johnny grinst: «Von Sommerpause konnte überhaupt keine Rede sein, weil so viel passiert ist. Und die Leute sagen doch oft, dass die Formel 1 zu vorhersehbar geworden sei, aber mal ehrlich – einige Dinge habe ich echt nicht kommen sehen.»

Also knöpfen wir uns ein paar Aufreger vor, so wie die Entscheidung von Fernando Alonso, 2019 nicht mehr Formel 1 zu fahren. Johnny Herbert meint: «Das war keine Überraschung für mich. Fernando ist ein erfolgshungriges Tier, das in der Formel 1 unter seinem Wert geschlagen wird. Ich dachte schon vor ein paar Jahren, dass er wohl bald abhauen würde – als er vor versammeltem Honda-Vorstand in Suzuka über den Honda-Motor am Funk schimpfte: „GP2-Motor!“ Ich fand damals, das sei kein angemessenes Verhalten. Ich fand das für den Rennstall demotivierend, und wenn Jody Scheckter vor kurzem festgehalten hat, Alonsos Art sei ihm selber wohl im Weg gestanden, um mehr Erfolg zu haben, dann trifft Jody einen wahren Kern.»

«Ich bin froh, dass Alonso woanders sein Glück finden kann, denn ich hasse es, ein Mann seines Kalibers um achte, neunte oder zehnte Ränge kämpfen zu sehen. Das ist einfach nicht richtig. Was ist die beste Platzierung in den letzten Jahren bei McLaren? Fünfte Ränge, das muss für ihn unerträglich sein, und für uns ist es schmerzhaft. Fernando weiss: Es gibt ein Leben ausserhalb der Formel 1, er hat im Sportwagen Spass und er hat im IndyCar geglänzt.»

Daniel Ricciardo zu Renault – das hat selbst Insider verblüfft. Herbert, Le-Mans-Sieger 1991 mit Mazda, gibt zu: «Hand aufs Herz, das habe ich nicht kommen sehen. Ich bin nicht mal sicher, ob vor sechs Wochen Ricciardo selber mit solch einer Wendung gerechnet hätte. Was ich bei diesem Wechsel seltsam finde: Ein Fahrer will gewinnen, im Ideallfall möchte er ein Wörtchen um den Titel mitreden. Red Bull Racing kann ihm das aufgrund der Möglichkeiten dieses Teams bieten. Aber Renault? Woher soll denn in den kommenden zwei bis drei Jahren der Riesenschritt von Renault kommen, um die Lücke zu den drei Top-Teams zu schliessen?»

«Einige Leute sagen mir: Daniel wollte Max Verstappen entgehen. Aber manchmal musst du dich in deiner Karriere starken Stallgefährten stellen, wenn du gewinnen willst, und Ricciardo hat doch bewiesen, dass er Max schlagen kann. Ich sehe Daniel nicht als GP-Sieger in den nächsten Jahren, und das ist schade.»

Alonso und Ricciardo haben eine ganze Welle von Reaktionen ausgelöst. Herbert, Formel-1-WM-Vierter von 1995, grinst: «Alonso, Ricciardo, Stroll, Kubica – ist das alles nicht herrlich verrückt? Die Frage muss jetzt sein: Was passiert als nächstes? Ich erwarte, dass Lawrence Stoll Himmel und Hölle in Bewegung setzen wird, um seinen Sohn Lance so bald als möglich in einen Force India zu setzen. Doch wenn das passiert, was geschieht dann mit Esteban Ocon?»

«Das hängt alles zusammen: Ocon kann wohl nur aus dem Force India entfernt werden, wenn er woanders einen Platz findet. Wo soll das sein? McLaren? Williams? Kann McLaren auf die Schnelle Vandoorne loswerden, um Ocon unterzubringen? Und überhaupt – wer fährt den Williams, wenn Stroll dort weggeht? Kubica? Das wäre für alle Romantiker unter uns eine grandiose Story: dass Robert Kubica nach acht Jahren wieder Grand-Prix-Fahrer ist.»

«Ich finde es wirklich wundervoll, wie das alles in Bewegung ist. Wir erleben das ganz selten im Grand-Prix-Sport. Ich finde das prickelnd und spannend, und ich schätze, die Fans teilen meine Einschätzung. Da gibt es sehr viele losen Enden, die es zu verbinden gilt. Der ganze Fahrermarkt ist wegen Alonso und Ricciardo förmlich explodiert.»

Frage an den dreifachen GP-Sieger Johnny Herbert: Hätte er bei McLaren das Sagen, würde er die Erfahrung von Esteban Ocon oder die Jugend von Lando Norris wählen, wenn es ums zweite Auto neben Carlos Sainz geht? «Ganz schwierige Frage», antwortet Johnny. «Ocon ist eine gute Mischung aus Erfahrung und Jugend, aber es wäre auch seltsam, ein Talent wie Norris wegzugeben. Es war gewiss kein Zufall, dass wir Lando hier in Belgien im ersten freien Training erlebt haben – das Team wollte sehen, wie er sich am GP-Wochenende bewährt. Das ist eine andere Aufgabe als ein Test. Ich würde Ocon derzeit als stärker einschätzen als Norris. Aber McLaren würde bei Ocon wissen: Den müssen wir früher oder später Mercedes geben, weil er ja Mercedes-Junior ist.»

Es ist davon die Rede: McLaren liebäugelt damit, den jungen Norris wegzugeben, um dafür früher mit Technikchef James Key arbeiten zu können. Johnny Herbert: «So ein Tauschgeschäft mit Red Bull kann ich mir durchaus vorstellen, das wäre typisch Formel 1. Ich glaube, Norris ist aus dem Holz der Champions geschnitzt, und er ist bei Red Bull sicher ein Thema – aber nur unter der Bedingung, ihn nicht an McLaren zurückgeben zu müssen.»

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