Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

History: Sir Frank Williams, Racer durch und durch

Von Mathias Brunner
​​16. April 2019: Francis Owen Garbett Williams, Teambesitzer des dritterfolgreichsten Formel-1-Rennstalls, wird heute 77 Jahre alt. Das Leben des Engländers würde Stoff bieten für ein Hollywood-Drehbuch.

In dieser schnelllebigen Welt scheint das Wort Feierabend aus dem Wortschatz gestrichen worden zu sein. Aber zwischendurch schaffen es meine Journalistenkollegen und ich tatsächlich, in Ruhe zu Abend zu essen. Eines der Theman, das immer wieder in die Diskussion zurückkehrt – der schleichende Wandel in der Formel 1. Die alte Garde der klassischen Teamchefs stibt aus. Colin Chapman und Enzo Ferrari, Ken Tyrrell und Ron Dennis, Giancarlo Minardi und Eddie Jordan, Rennstallgründer von altem Schrot und Korn eben, Teamchefs wie Sir Frank Williams, der heute 16. April 77 Jahre alt geworden ist.

Wir fanden beim Essen: In der Formel 1 haben die Rechner zu viel Einfluss, die Entscheidungen sollten vielmehr von echten Racern getroffen werden. Menschen, die Motorsport mit Herzblut betreiben und nicht mit dem vorrangigen Gedanken ans eigene Bankkonto. Genau das wirft auch Jacques Villeneuve seinem früheren Rennstall Williams vor. Er sieht sein früheres Team als pure Firma geleitet, mit Konzentration auf Rendite, nicht auf Rennergebnisse.

Frank Williams hätte uns ohne seine tiefe Liebe zum Rennsport längst verlassen. Seit seinem Autounfall vom 6. März 1986 sitzt Frank im Rollstuhl, ein Überschlag mit dem Mietwagen, das Dach knickte ein, Williams wurde an der Wirbelsäule schwer verletzt. Sein stählerner Wille und der Gedanke an sein Team hat ihn am Leben erhalten. Das Wort Aufgeben kennt Williams nicht. Und so leitete er die Geschicke seines Rennstalls weiter.

Vor Jahren hat er die Weichen zur Nachfolge gestellt. Im März 2013 wurde seine Tochter Claire stellvertretender Teamchef. Claire arbeitete zuvor als kommerzieller Direktor des Teams, als Chef von Marketing, Kommunikation und Sponsoring. Heute ist Claire Mutter, sie sollte den Posten des Teamchefs irgendwann an Paddy Lowe abgeben, den früheren Technikdirektor von Mercedes-Benz. Doch inzwischen hat sich alles geändert, denn nach der jämmerlichen Saison 2018 hat Lowe das langsamste Auto 2019 gebaut und wurde auf Urlaub geschickt.

Lowe hatte Anteile am Rennstall übernommen, es ist bis heute unklar, wie viele. Williams gehörte bis zum Engagement von Paddy Lowe zu 51 Prozent Sir Frank Williams, 21 Prozent werden an der Frankfurter Börse gehandelt, 15 Prozent sind in Besitz des US-amerikanischen Geschäftsmannes Brad Hollinger, 9 Prozent gehören dem früheren Technikchef Sir Patrick Head und 4 Prozent der Mitarbeiterstiftung.

Frank Williams, eigentlich Francis Owen Garbett Williams, wurde als Sohn eines Offiziers der Royal Air Force und einer Lehrerin im englischen South Shields geboren. Als die Ehe seiner Eltern zerbrach, kümmerten sich in erster Linie seine Tante und sein Onkel um ihn, den grössten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er im Internat St. Joseph's College in Dumfries in Schottland.

Seine Liebe zum Motorsport wurde geboren, als er in den 1950er Jahren bei einem Freund in einem Jaguar XK150 mitfuhr.

Nach einem kurzen Ausflug als Rennfahrer, ein Hobby, das er durch Arbeit als fliegender Händler finanzierte, gründete Frank Williams 1966 seinen ersten Rennstall «Frank Williams Racing Cars», für den in den nächsten Jahren unter anderen Piers Courage und Tony Trimmer in der Formel 2 und der Formel 3 antraten. Jahrelang war es kein ungewöhnliches Bild, dass Williams in Europas Fahrerlagern um Geld oder Benzin bettelte, um von Rennen irgendwie wieder nach Hause zu kommen.

Williams finanzielle Lage war bisweilen so angespannt, dass er Telefonate bezüglich seines Rennstalls von einer öffentlichen Zelle aus führen musste, weil sein Telefon wegen unbezahlter Rechnungen wieder einmal gesperrt worden war.

Trotz chronischer Geldprobleme ellbögelte sich Williams bis in die Formel 1 hoch. Eine Zusammenarbeit mit dem italienischen Sportwagenhersteller De Tomaso endete tragisch – der von Dallara gebaute Renner von Frank Williams’ engem Freund Piers Courage ging in Zandvoort 1970 in Flammen auf, der Erbe der Bierdynastie hatte keine Überlebenschance.

1972 baute Williams das erste eigene Formel-1-Auto, den Politoys FX3, Henri Pescarolo zerstörte den bei einem Unfall schon im ersten Rennen.

Der unbeugsame, mehrsprachige Engländer sah sich immer nach Sponsoren um und klopfte an bei Marlboro und Iso Rivolta, einer italienischen Automarke. Beide versprachen Unterstützung, hielten ihre Zusagen auf langfristige Abkommen aber nicht. Williams tat sich 1976 mit dem Öl-Magnaten Walter Wolf zusammen. Aber dort merkte Frank bald, dass er nicht mehr Herr im Hause war.

Ein Jahr später verliess Williams gemeinsam mit seinem Angestellten Patrick Head das Team, die beiden Freunde gründeten gemeinsam «Williams Grand Prix Engineering». Sie setzen mit Patrick Nève einen March-Renner ein, eine Zusammenarbeit mit saudischen Sponsoren begann. Das veränderte alles.

Mansour Ojjeh, Kopf der Investmentfirma TAG (Techniques d’Avant Garde), stolperte als Gast der saudischen Königsfamilie über den Motorsport – die hatte ihm zum Monaco-GP 1978 eingeladen. Die saudische Familie unterstützte damals den Rennstall von Frank Williams. TAG stieg ein Jahr später bei Williams ein. Mit Clay Regazzoni wurde in Silverstone 1979 der erste Grand Prix gewonnen, es folgten die WM-Titel 1980 mit Alan Jones und 1982 mit Keke Rosberg.

Frank Williams war in der Formel 1 vom Bettler zum König geworden: Heute steht sein Team bei neun Konstrukteurs-Pokalen, sieben Fahrer-WM-Titeln (Alan Jones 1980, Keke Rosberg 1982, Nelson Piquet 1987, Nigel Mansell 1992, Alain Prost 1993, Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997), bei 114 Siegen, 128-Pole-Positions und 133 besten Rennrunden. Nur Ferrari und McLaren sind erfolgreicher.

Am 6. März 1986 veränderte sich Frank Williams' Leben von einer Minute auf die andere. Er war auf dem Weg von der Rennstrecke Paul Ricard zum Flughafen in Nizza, als er die Kontrolle über seinen Ford Sierra verlor, sich überschlug und zwischen Sitz und platt gedrücktem Dach eingeklemmt wurde. Dabei brach er sich zwischen dem 4. und 5. Rückenwirbel das Rückgrat und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen – ausgerechnet Williams, den Fitnessfanatiker, der zum Ausgleich meilenweit joggte.

1987 wurde Frank Williams von der Queen mit dem CBE (Commander of the Most Excellent Order of the British Empire) ausgezeichnet, 1999 wurde er zum Ritter geschlagen. Ausserdem wurde er von Frankreich für seine Arbeit mit Renault-Motoren mit dem Titel des Ritters der Ehrenlegion ausgezeichnet. Die bisher letzte Ehrung bekam Frank Williams in Form seiner eigenen Strasse in Didcot. Am 15. Oktober 2012 enthüllte er das Schild der «Sir Frank Williams Avenue» persönlich. Im Juni konnte Frank 40 Jahre Williams feiern, viele Piloten kamen nach Silverstone, um sich an die Seite des Rennstallgründers zu stellen.

Am 1. Mai 1994 schlug für Frank Williams und sein Team die schwärzeste Stunde, als Ayrton Senna in Imola in seinem Auto tödlich verunglückte. Im Anschluss wurde Williams von der italienischen Staatsanwaltschaft wegen Totschlags angeklagt, eine völlig unnütze Hexenjagd, Williams wurde nach einem jahrelangen Verfahren aber freigesprochen. Alle Williams-Renner tragen seitdem einen Aufkleber mit dem Senna-S auf den Frontflügeln.

Frank Williams war seit 1974 mit Virginia Berry verheiratet. Sie schenkte ihm zwei Söhne, Jonathan und Jaime, und eine Tochter, Claire. Virginia (Ginny) Williams erlag am 7. März 2013 im Alter von 66 Jahren dem Krebs.

Im September 2016 zog sich Sir Frank eine Lungenentzündung zu, nachdem er sich einem Eingriff am Rücken unterzogen hatte. Aufgrund seines generellen Zustandes erholte er sich langsamer als ein normaler Patient. Erst Anfang November konnte seine Tochter Claire Williams verkünden, dass es dem Rennstallgründer ein wenig besser geht.

Die Zeit geht auch an Frank Williams nicht spurlos vorbei. Viele Details über sein Hollywood-Drehbuch-reifes Leben sind nicht mehr abrufbar, sein brillanter Verstand verblasst langsam. Aber die grandiosen Erfolge seines Rennstalls bleiben bestehen.

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