Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Ferrari in der Presse: Vettel bestohlen oder kindisch

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel hat die 1 umgestellt

Sebastian Vettel hat die 1 umgestellt

​Natürlich rauscht es tüchtig im italienischen Blätterwald. Die Fünfsekundenstrafe für Sebastian Vettel bedeutet: wieder kein Sieg für Ferrari. Die Zeitungen sprechen von einer verhexten Saison.

Wenn wir uns den Tenor der Formel-1-Fans anhören, weit über Italien hinaus, dann lautet der nach diesem Grossen Preis von Kanada: Schade, wir haben ein schönes Finale zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton leider nicht serviert bekommen. Viele Fans bezeichnen die Strafe als kleinlich, andere geben – mit Recht – zu bedenken, dass für ein solches Vergehen Max Verstappen in Japan eine Fünfsekundenstrafe erhielt, als er unmittelt vor Kimi Räikkönen aufkreuzte. Niemand bei Ferrari habe sich damals beschwert. Für mich massgeblich ist, wie Racer vom Schlage eines Andretti oder Mansell oder Hill oder Button für Vettel Partei ergreifen. Denn sie können nachvollziehen, was da draussen auf einer Rennstrecke passiert. Die Szene wird in den Montagszeitungen so kontrovers diskutiert wie unter den Formel-1-Fans. Vettel muss auch Kritik einstecken.

The Montreal Gazzette (Kanada)
«Die 50. Ausgabe des Grand Prix von Kanada ist erinnerungswürdig, leider aus den falschen Gründen. Die Buhrufe von den Tribünen bei der Siegerzeremonie sind ein Beweis dafür, wie die Enttäuschung der Fans überkochte. Die Regelhüter haben das Rennergebnis geändert. Wie immer, wenn Offiziellen ins sportliche Geschehen eingreifen, werden wir noch lange über diese Entscheidung diskutieren. Die Strafe hat ein bilderbuchmässiges Rennwochenende beschmutzt.»

Gazzetta dello Sport (Italien)
«Ferrari hat verloren und in gewisser Weise dennoch gewonnen. Hauptdarsteller im Guten und im Bösen ist Sebastian Vettel, der den Grand Prix von Kanada dominierte, den Sieg jedoch wegen eines Fehlers ruiniert hat. Wie schade, Sebastian! Ein bitteres Ende für Ferrari.»

auto, motor und sport (Deutschland)
«Vergessen wir mal die Fans von Sebastian Vettel und Lewis Hamilton. Die einen werden die Fünf-Sekunden-Strafe für Vettel verdammen, die anderen werden sie bejubeln. Da trübt in beiden Fällen die persönliche Sympathie das Urteilsvermögen. Fragen wir also Unbeteiligte im Fahrerlager. 98 Prozent sind der Meinung: Die Strafe für Vettel ist ein schlechter Witz.
Die Zuschauer dachten offenbar genauso. Ich hoffe nur ihre Buhrufe galten den Sportkommissaren und nicht Hamilton. Der Grosse Preis von Kanada war das erste spannende Rennen in diesem Jahr. Und dann haben wir einen Sieger am Grünen Tisch. Wegen einer Lappalie. Vor 30 Jahren hätten sich die zwei involvierten Fahrer gegenseitig die Meinung gesagt, und dann wäre dieses Kapitel geschlossen worden. Obwohl der Sport damals viel gefährlicher war. Aber heute sind einfach zu viele Juristen und Bedenkenträger am Werk. Leute, so machen wir unseren Sport kaputt! Wenn jeder Zweikampf, jeder Fehler, jede Beinahe-Berührung auf dem Prüfstand steht, werden wir bald nur noch Autokorsos sehen. Und dann laufen uns noch mehr Zuschauer davon.»

Corriere dello Sport (Italien)
«Ferrari und Mercedes sind Protagonisten eines überaus merkwürdigen Vorfalls in der Geschichte der Formel 1. Niemand hat in Kanada wirklich geglänzt. Nicht Sebastian Vettel, nicht Hamilton, nicht die anderen Piloten. Dickes Lob für Vettel für seine Revolte gegen das System. In seiner Wut wandelt er die Feier in einen Protest um.»


Bild (Deutschland)
«Das aktuelle Regelwerk der Formel 1 lässt eine Strafe gegen Vettel wegen einer ‘unsicheren Rückkehr auf die Strecke’ zu. Doch nicht alles, was man geben kann, muss auch immer gepfiffen werden. Im Fussball würde man bei der Szene mit Vettel und Hamilton in Runde 48 von einem Kann-Elfer sprechen. Der Schiri könnte pfeifen. Tut er es nicht, macht er aber keinen Fehler. Wir hätten uns gewünscht, dass man im Sinne des Geschehens auf der Strecke – um beim Vergleich mit dem Fussball zu bleiben – das Spiel einfach laufen lässt. Ein anderer Sieger als Mercedes hätte der Saison gut getan. Fingerspitzengefühl heisst hier das Stichwort. Statt Vettel jetzt noch nachträglich für sein Benehmen nach dem Rennen zu bestrafen, sollte man beim Weltverband FIA lieber darüber nachdenken, das Regelwerk für diese Situationen zu lockern. Das wäre ein Gewinn für die gesamte Formel 1.»

Tuttosport (Italien)
«Ein einziger kleiner Fehler lastet wie ein Fels auf Ferraris Zukunft. Vettel siegt, doch wegen einer Strafe muss er sich mit Platz 2 begnügen. Dieser harte Schlag ist wieder einmal ein Beweis dafür, dass diese Saison verhext ist. Ferrari sendet immerhin ein Lebenszeichen, der Kampf um den Titel ist noch offen.»

Corriere della Sera (Italien)
«Vettel und Ferrari sind bestohlen worden. Sebastian siegt, aber der Triumph ist nur eine optische Illusion. Diese Niederlage schmerzt Maranello sehr. Das Team muss nicht nur hart am Auto arbeiten, sondern auch sein politisches Gewicht zur Geltung bringen. Leclercs dritter Platz beschert Ferrari zwar Punkte, verbessert jedoch nicht die Stimmung des Teams.»

Repubblica (Italien)
«Schade wegen des Fehlers, den Vettel unter Hamiltons heissem Atem begangen hat. Das Rennen unterstreicht jedoch, dass der Deutsche wieder in guter Form ist. Hamilton siegt, auch wenn er nicht gewinnen sollte, und setzt Vettel in der Weltmeisterschaft arg unter Druck.»

La Stampa (Italien)
«Ob die Strafe für Vettel richtig oder falsch ist, das ist jetzt unwichtig, denn am Ergebnis ändert sich nichts: 7:0 für Mercedes seit Beginn der Saison. Ferrari hatte zwar im Rennen mehr Speed. Diese leichte Überlegenheit lässt eigentlich kein Überholmanöver zu. Hamilton schaffte es aber wieder, Vettel entscheidend unter Druck zu setzen.»

The Guardian (Grossbritannien)
«Lewis Hamilton holte den Sieg für Mercedes, aber erst nach einem Zwischenfall, der Vettel tobend zurückliess, enttäuscht und verwirrt darüber, wie die Entscheidung gegen ihn gefallen war. Er und Ferrari hatten das Rennen in der Hand, aber der Sieg wurde ihnen genommen, und das Finale verkam fast zur Pantomime, was allen beteiligten Fahrern, nicht zuletzt Hamilton, wenig Freude bereitete.»

Daily Telegraph (Grossbritannien)
«Der Zorn der Hölle konnte nicht grösser sein als der des verschmähten viermaligen Weltmeisters.»

The Sun (Grossbritannien)
«Vettel, der von Anfang bis Ende führte, kassierte von den Rennkommissaren eine Ohrfeige in Form einer Strafe, nachdem Hamilton ihn zu einem Fehler gezwungen hatte.»

AS (Spanien)
«Hamilton vermiest Vettel die Party aufgrund einer umstrittenen Entscheidung. Man konnte Vettel ansehen, dass er stinksauer war. Ausgerechnet jetzt, wo er endlich ein Rennen gewinnen konnte, steht er mit leeren Händen da. Abwarten, wie er diesen Rückschlag verarbeitet.»

Marca (Spanien)
«Vettel verschenkt einen Sieg, den er schon in der Tasche hatte. Alles sah nach einem brillanten Sieg in einer perfekten Woche aus - doch dann kam der Fehler. Die Fünfsekundenstrafe wurde zum Scharfrichter für Vettel. Danach verliert er die Fassung, nicht gerade ein sportliches, eher ein kindisches Verhalten eines Profis mit einem Jahrzehnt Erfahrung.»

Sport (Spanien)
«Die FIA schenkt Hamilton den Sieg, selbst als Zweiter gewinnt Mercedes. Vettel gewinnt das Rennen auf dem Asphalt, verliert aber den Triumph am grünen Tisch nach einer Zeitstrafe. Dabei hatte Vettel den Engländer über das gesamte Rennen mehr oder weniger im Griff. Fünf Sekunden, eine harte Entscheidung.»

Tages-Anzeiger (Schweiz)
«Es mag aus Vettels Sicht ein überaus frustrierender Tag gewesen sein. Es mag auch eine harte Strafe gewesen sein, die ihn da ereilte. Doch letztlich bleibt wie schon oft festzuhalten: Hätte er diesen Fehler nicht gemacht, er hätte das Rennen gewonnen.»

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)
«Womit der Ferrari-Fahrer Vettel erneut damit konfrontiert ist, unter Druck zu oft zu zerbrechen. Was er getan hat, bleibt dennoch Verkehrsgefährdung. Ferrari sollte sich einen weiteren Protest gut überlegen, denn es war eine Tatsachenentscheidung. Dafür gibt es Regeln, und eben keinen Freispruch.»


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