Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

1. Training Silvertone: Gasly vorne, Räikkönen-Aus

Von Mathias Brunner
​Erstes freies Training zum britischen Grand Prix: Pierre Gasly vorne, Haas-Fahrer Romain Grosjean beschädigt seinen Haas-Renner am Ausgang der Boxengasse, Kimi Räikkönens hat Motorschaden.

Die Kernfragen zum ersten freien Training auf der Traditionsbahn Silverstone: Wie würden die Fahrer mit dem neuen Belag zurechtkommen? Würde Mercedes-Benz nach der Schlappe in Österreich zu gewohnter Stärke zurückkehren? Würde Red Bull Racing-Honda in England so konkurrenzfähig sein wie in der Steiermark, wo Max Verstappen triumphiert hatte?

Erstes Sorgenkind in Silverstone: Charles Leclerc erklärt über Funk, dass mit der Bremse etwas seltsam sei. Der Monegasse kam an die Box zurück, damit die Ferrari-Techniker einen Blick ins Auto werfen.

Haas rückte mit verschieden abgestimmten Autos aus, um den Problemen mit den Reifen auf die Spur zu kommen: Magnussen mit den letzten Verbesserungen, Grosjean mit einem Auto Stand Australien.

Neuheiten an den Autos: Ferrari mit einem noch schlankeren Heck, Red Bull Racing-Honda mit optimierten seitlichen Luftleit-Elementen, Racing Point mit Wärmekameras, um die Reifentemperaturen zu messen, Williams mit komplett neu gestalteten Windabweisern an der Seite, samt neuer Rückspielgehalterung, Alfa Romeo-Sauber mit einem neuen Frontflügel, neuen Zusatzflügeln an der Fahrzeugnase, anderen Luftleit-Elementen an der Seite. Um ihre Wirkungsweise zu testen, rückte Antonio Giovinazzi zu Beginn des freuen Trainings mit reichlich FloViz.

An dieser Stelle wieder einmal, was sich die Aerodynamiker von FloViz erhoffen. FloViz ist eine Abkürzung für «flow visualization» (Flussveranschaulichung). In der Formel 1 ist die Verwendung dieser Paste verhältnismässig jung: McLaren benutzte die Farbe 2010 erstmals auf dem Testplatz in aller Öffentlichkeit. In den Werken war schon länger damit gearbeitet geworden. Wieso das späte Debüt an der Teststrecke? Weil nicht nur die eigenen Techniker den Strömungsverlauf sehen, sondern auch die Argusaugen der Konkurrenz.

Die Paste muss flüssig genug sein, um sich leicht auftragen zu lassen und wenig zu tropfen. Aber auch aushärtend genug, um nicht vom Luftstrom komplett weggeschmiert zu werden. Die Ingenieure wissen: Die CFD-Programme können noch so hochgestochen sein, der Windkanal nach dem jüngsten Stand – nichts ersetzt die Arbeit an der Strecke.

Das Vorgehen ist immer gleich: Ein bestimmtes aerodynamisches Teil, sagen wir die seitlichen Luftleit-Elemente wie nun bei Alfa Romeo-Sauber, wird mit der Paste eingeschmiert. Der Fahrer legt eine Runde zurück. Die Farbe verschmiert nach Strömungszwang und trocknet aus. An der Box können die Spezialisten dann überprüfen, ob der Verlauf so ist, wie sie sich das vorgestellt hatten. Zum Vergleich ging Kimi Räikkönen mit den bisherigen Teilen auf die Bahn.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff scherzte: «Hätten wir die Kühlung unserer Autos in Österreich weiter verbessern wollen, so hätten wir die Motorverkleidung abnehmen müssen.» Über Hitze muss sich der Wiener in England keine Sorgen machen – das ganze Wochenende über wird es nicht mehr als 25 Grad geben. Mercedes arbeitet hingegen mit Hochdruck an einer optimierten Kühlung, denn bei den Rennen nach Silverstone, auf dem Hockenheimring und auf dem Hungaroring, kann es sehr heiss werden.

Die Fahrer übten, was die Veränderung der DRS-Zonen angeht. Der Heckflügel darf 2019 lediglich auf den Geraden von Wellington und Hangar flachgestellt werden, aber nicht mehr durch die Kurven 1 und 2 (Abbey und Farm) wie im vergangenen Jahr.

Skurriler Zwischenfall nach 20 Minuten – Romain Grosjean meldete kleinlaut: «Ich habe mich am Ausgang der Boxengasse gedreht.» Der Genfer, vom mangelnden Grip seiner Reifen überrascht, streifte an der Leitschiene den Frontflügel seines Autos ab, auf dem langen Weg zurück an die Box verlor sein Haas-Renner weitere Teile, Toro-Rosso-Fahrer Alex Albon fuhr prompt darüber. Ex-GP-Pilot Karun Chandhok rügte: «Wie kann so etwas einem GP-Fahrer passieren? Solche Szenen erleben wir in der Formel Ford, aber doch nicht in der Formel 1.»

Die Haas-Mechaniker hatten dann doch etwas zu lachen, als Valtteri Bottas bei ihnen anhielt, bevor Romain Grosjean für den Frontflügelwechsel hereinkam. Bottas merkte schnell, dass er von den falschen Schraubern umgeben ist und rollte weiter.

Williams-Fahrer George Russell zeigte auf dem neuen Belag einen schwungvollen Dreher. Ferrari-Pilot Leclerc rutschte in Brookland kurz von der Bahn, dann ein weiterer Dreher, von Lando Norris in Club Corner, als der junge Brite zu früh aufs Gas ging und ihm das McLaren-Heck wegwischte.

Die Fahrer kämpfen offenbar um Grip, die Autos gut zwei Sekunden langsamer als zum gleichen Zeitpunkt auf der Silverstone-Bahn. Der neue Belag glänzt dermassen, dass er teilweise so aussah, als sei er von einem kurzen Schauer genässt worden.

Kleines Problem am Ferrari von Sebastian Vettel: ein loser Kopfschutz.

Dann blieb der Alfa Romeo-Sauber von Kimi Räikkönen stehen – rote Flagge! Der Finne meldete am Funk: «Es ist etwas gebrochen, ich musste anhalten.» Das Display seines Autos zeigte, der Wagen war im siebten Gang steckengeblieben. Der Wagen des 2007er Weltmeisters wurde von der Bahn geschoben. Der Silverstone-Dritte von 2018 und 2017 (und Sieger von 2007) hatte vorzeitig Feierabend. Nach sieben Minuten Unterbrechung ging es weiter. Der Schweizer Rennstall bestätigte: ein Motorproblem. Die Mechaniker begannen, einen anderen Motor einzubauen. Wenn sie so schnell arbeiten wie üblich, wird der Finne im zweiten freien Training wieder fahren können.

Dann wieder Schreckmoment von Romain Grosjean: Dreher in Brooklands. Nach 50 Minuten hatte der Genfer noch keine gezeitete Runde hinter sich, nur fünf Installationsrunden.

Zwischendurch der jüngste Stand in Sachen Motoren: Vettel (Ferrari), Pérez (Racing Point), Hamilton (Mercedes) sowie Kubica und Russell (Williams) fahren alle mit einem neuen Generator für die kinetische Energierückgewinnung (MGU-K), eine Strafe gibt es jedoch nicht. In allen Rennern arbeitet der zweite Generator, zwei MGU-K sind pro Fahrer und Saison erlaubt.

Nach Wiesen-Expeditionen von Hamilton und Albon erhielten verschiedene Fahrer eine Warnung ins Auto gefunkt: Einige Wolken könnten sich über der Rennstrecke entleeren. Dann Hamilton erneut neben der Bahn, als der fünffache Champion auf die Bahn zurückkam, musste Carlos Sainz ausweichen, um eine Kollision zu verhindern, die angekündigten Regentropfen waren eingetroffen. Max Verstappen rutschte in Chapel von der Bahn – der neue Asphalt von Silverstone schwitzt Öle aus, ein normaler Ablauf bei einem frischen Belag, aber wenn Regentropfen hinzukommen, wird es rutschig wie auf einem Eisfeld.

Dann guckte die Sonne wieder heraus, und einige Fahrer konnten sich verbessern. Die Reihenfolge nach den ersten 90 Minuten: Pierre Gasly (Red Bull Racing-Honda) vorne, dann Bottas, Verstappen, Hamilton, Leclerc und Vettel. Im vorderen Mittelfeld liegen McLaren und Renault auf Augenhöhe.


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