Rätsel Racing-Raritäten: Bären statt Pferdestärken
Meist aus dem Archiv unserer Partner der britischen Foto-Agentur Getty stellen wir jede Woche ein kleines Stück Motorsporthistorie vor. Das Vorgehen ist kinderleicht – sagen Sie uns, wer zu erkennen ist, wo und wann das Bild entstand (Beispiel: Jo Siffert, Monza, 1970) und gewinnen Sie mit etwas Glück einen kleinen Preis. Bitte Namen, Adresse, Geburtsjahr und Telefonnummer nicht vergessen. Schicken Sie Ihre Lösung an: mathias.brunner@speedweek.com.
Einsendeschluss ist jeweils Sonntag der laufenden Woche, 24.00 Uhr.
Die Lösung vom letzten Mal: Jeremy Smith bewegt beim Goodwood Festival of Speed 2012 den Sechsrad-Formel 1 von March, genannt 2-4-0. Der 48-jährige Smith ist bei Rennen historischer Grand-Prix-Rennwagen angetreten.
Einen Formel-1-Rennwagen mit sechs Rädern hatte erstmals Tyrrell mit dem Modell P34 auf die Bahn gebracht, das war 1976. Der Sechsrad-Tyrrell P34 (Project 34) war eine Sensation. Mitte der 70er Jahre war es noch möglich, eine so revolutionäre Entwicklung komplett geheim zu halten, als der Wagen präsentiert wurde, fielen den eingeladenen Gästen bei der Tyrrell-Präsentation fast die Augen aus dem Kopf.
Konzipiert wurde der Wagen, um dem Wind weniger Widerstand entgegen zu stellen, dazu wurden der Vorderachse vier kleine Räder verpasst. Der Renner war recht erfolgreich (Sieg von Jody Scheckter 1976 in Schweden), aber schon 1977 war das modifizierte Auto nicht mehr konkurrenzfähig – es mangelte an Weiterentwicklung der kleinen Vorderräder.
Der Doppelsieg in Anderstorp (Schweden) war der Höhepunkt eines Autos, dessen Konzept zum eigenen Niedergang werden sollte. Goodyear war in ein Reifenduell mit Michelin verwickelt, es standen zu wenig Kapazitäten zur Verfügung, die kleinen Vorderreifen für Tyrrell auf dem Stand der mächtigen Hinterreifen zu halten. Die zu harten Mischungen vorne führten zu chronischem Untersteuern, das zusätzliche Gewicht an der Vorderachse (vier Aufhängungen, vier Bremsanlagen) half dabei wenig.
Die damaligen Piloten Jody Scheckter und Patrick Depailler standen dem Sechsrad-Fahrzeug völlig unterschiedlich gegenüber. Der Südafrikaner fand ihn ein wenig lächerlich, der Franzose liebte ihn.
March und Williams gingen einen anderen Weg, mit zwei Mal zwei Rädern an der Hinterachse, Ferrari wiederum probierte sein Glück mit kleinen Hinterrädern, die zu zweit nebeneinander angeordnet waren (Zwillingsräder), eine Lösung, welche bei den Silberpfeilen der Auto Union schon in den 30er Jahren zu sehen war.
March, Williams und Ferrari testeten diese Modelle ausgiebig, aber sie alle wurden nie zu einem GP-Wochenende gebracht.
March-Designer Robin Herd war der Ansicht, die Vorteile des Tyrrell P34 durch weniger Luftwiderstand an der Vorderachse würden durch die grossen Hinterräder zunichte gemacht. Zudem fand der Techniker, es sei zielführender die Kraft durch vier Räder auf den Boden zu bringen.
Am March 2-4-0 waren die Räder alle gleich gross, was auch bewirkte, dass ein Reifenhersteller nicht besondere Walzen herstellen musste. Die ungewöhnliche Typenbezeichnung 2-4-0 geht zurück auf die Achsfolge von Lokomotiven.
Das Problem bei March war: so gut wie kein Geld in der Kasse, um den 2-4-0 zu entwickeln. Ende 1976 wurde der Wagen in Silverstone erstmals getestet (mit Howden Ganley auf nasser Bahn), die Probefahrt endete mit einem Getriebeproblem. Schnell wurde klar, dass der March ein besonderes Getriebe gebraucht hätte, doch dazu fehlten Zeit und Ressourcen.
Im Februar 1977 (nun mit einem kräftigeren Getriebe) folgte der zweite Test, erneut in Silverstone, dieses Mal mit dem Südafrikaner Ian Scheckter am Steuer. Aber damit hatte es sich, March stellte das Projekt zur Seite, obschon Scheckter von der Traktion des Autos sehr beeindruckt war.
Zwei Jahre später übernahm Bergrennfahrer Roy Lane den Wagen und baute die von Robin Herd geliehene Hinterachse in ein 771-Chassis von March. Lane gewann mit dem 771/2-4-0 mehrere Bergrennen, aber einfach zu fahren war das Auto nicht, und Lane kehrte zu einem klassischen Rennwagen zurück.
Williams war vom Konzept überzeugt und ging den gleichen Weg, aber weil die FIA vier angetriebene Räder verbot, kam es nie zu einem Renneinsatz.
Der March 2-4-0 steht heute in der hervorragenden Louwman-Sammlung von Den Haag, einem herausragenden Museum, das wir jedem wärmstens empfehlen können.
Damit zum neuen Rätsel: Dieser Fahrer setzt auf die Kraft von gleich zwei Bären, aber ein Erfolg wurde das trotzdem nicht.
Machen auch Sie mit! Schicken Sie Ihre Lösung an: mathias.brunner@speedweek.com. Einsendeschluss ist jeweils Sonntag der laufenden Woche, 24.00 Uhr.