Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Als die Party-Löwen noch brüllten

Von Mathias Brunner/Eoin Young
Mike Hawthorn war immer für einen Schabernack zu haben.

Mike Hawthorn war immer für einen Schabernack zu haben.

In den 50er und 60er Jahren mussten sich Racer nicht vor Handys und Twitter-Meldungen fürchten – Teil 2.

Im ersten Teil unserer Geschichte zu höchst menschlichen Bedürfnissen im Rennwagen haben wir erfahren: Dan Gurney und Stirling Moss fiel es gar nicht so leicht, ein einsames Plätzchen zu finden.

Eine weitere Renn-Legende – Sir Jack Brabham – nimmt den Faden auf: «In Le Mans 1958 teilte ich das Cockpit eines Cooper mit Ian Raby. Ich war gerade am Fahren, aber ich wusste, es würde noch eine Weile dauern, bis ich zum Tankstopp an die Box kommen kann. Meine Blase war am Platzen. Was tun? Ich hielt an einer langsamen Stelle an und verschwand ins Unterholz …»

Was der Australier leider nicht wusste: Die Franzosen setzten beim Rennklassiker in der Sarthe einen Hubschrauber ein, um den Zuschauern ungewöhnliche Bilder in die Flimmerkiste zu schicken. Und ungewöhnliche Bilder erhielten die Franzosen bei Gott …

Brabham lacht: «Zum Glück hatten wir an den Boxen keine TV-Geräte. Aber Teamchef John Cooper war natürlich nicht hinters Licht zu führen. Er fragte mich später, wieso zum Geier eine meiner Runden so langsam gewesen war …»

Der frühere Teamchef Ken Tyrrell erzählte eine Anekdote aus Monza 1964: «Ich habe damals das Mini-Werksteam in der Tourenwagen-EM geleitet, weil sich John Cooper nach einem üblen Unfall erholen musste. Es war ziemlich spät im Rennen, als Warwick Banks an die Box fuhr und Anstalten traf, sich abzuschnallen. „Was machst du?” habe ich ihn erstaunt gefragt. Warwick meinte: „Nun, ich muss pinkeln.” Ich habe ihn wieder ins Auto geschubst und geblafft: „Dann pinkel gefälligst ins Auto, wir versuchen hier eine Meisterschaft zu gewinnen, um Himmels Willen …“» 

Oft werden die 50er und 60er Jahre als die goldene Zeit des Motorsports bezeichnet. Natürlich war an der guten alten Zeit nicht alles gut. Aber eines ist unumstritten: Die Fahrer konnten auch mal tüchtig die Sau rauslassen, ohne dass sie befürchten mussten, von einem Dutzend Handys geknipst zu werden und in Minuten das neue heisse Twitter-Thema zu sein.

Die Partys waren legendär, und jenen Berichterstattern, die vor Ort waren, wäre es nie in den Sinn gekommen, auch nur eine Silbe über die Vorkommnisse zu schreiben.

Eoin Young, Buch-Autor und Wegbegleiter des Teamgründers Bruce McLaren, erinnert sich: «In Reims gab es ein Lokal, in dem sich jeweils alle trafen, das war Brigitte’s Bar. Nach Mike Hawthorns Sieg von 1958 standen wir dort herum und beäugten die hübschen Französinnen. Auftritt von Mike, das Herz jeder Party! Als erstes schnappte sich Mike seinen Kumpel Peter Collins. Das Objekt ihres Schalks war die Skulptur irgendeines Adeligen, die im Garten stand. Sie stellten sie mitten auf die Tanzfläche, schminkten sie und klemmten ihr eine Kippe zwischen die Marmorlippen. Sie fanden dann aber doch, dass noch etwas fehlte, also musste John Cooper Hosen und Jackett hergeben, um die Büste ordentlich zu kleiden. John selber hatte kein Problem damit und nahm seinen Zustand in Unterhosen und Socken zum Anlass, spontan einen russischen Volkstanz zu zeigen …»

Bruce McLaren erzählte Young später dazu: «Aber das war alles nur der Anfang. Mike fand nun, ein gewaltiger Blumentopf würde gewiss ein lustiges Spielzeug darstellen. Bedauerlichweise kippte der Kübel um, als Mike versuchte, ihn ins Zentrum unseres Schabernacks zu zerren. Es gab eine ziemliche Sauerei. Mike schnappte sich einen Besen und begann, mit schwungvollem Wisch die anderen Gäste am Erdreich teilhaben zu lassen. Es dauerte nur Sekunden, bis mehr als ein Dutzend Partygäste mit Erde um sich schmissen. Mike verschwand und kehrte mit einem Gartenschlauch zurück: „So, jetzt wird geputzt hier …“ Und damit hat er alle von Kopf bis Fuss eingewässert.»

Andere Zeiten, andere Sitten.

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