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Norbert Haug: Der für den Stern tanzte ...

Kolumne von Yörn Pugmeister
Norbert Haug

Norbert Haug

Norbert Haug lebte seinen Traum beständig, intensiv, 24 Stunden am Tag. Er liess den Mythos Mercedes auferstehen.

Melbourne, Formel-1-GP, Frühjahr 1997: Da steht einer und singt «O my sweet Lord».

Der Mann heißt Norbert Haug, Motorsportchef von Mercedes. Einer singt mit, George Harrison, Ex-Beatle. Grund des Duetts down under: McLaren-Mercedes hat den ersten Grand Prix der Saison gewonnen. Für Mercedes war es der erste GP-Sieg seit 42 Jahren.

Da zum Tanzen kein Platz ist, zieht sich der Deutsche zurück, nach all’ den Glückwünschen per Handy. Gefühlsstürme wettert er am liebsten alleine ab.

Statussymbole, mit denen sich die anderen Condottiere des Formel-1-Zirkus zu jener Zeit – und auch heute noch – üblicherweise schmücken, fehlten dem Chefsportler von Mercedes.

Haug schaute an der Boxenmauer nicht auf eine goldene Rolex oder Piaget, obwohl er durchaus eitel ist. Aber Panzerketten um den Hals trägt er nicht, ihm genügen sein Ticket um den Hals und sein ihn umgebender Hofstaat.

Gesten, mit denen sich die frühen Maxi-Maxen im Motorsport zu Unsterblichkeit verhalfen, fehlen dem schweren Schwaben: Haug schleuderte weder Hüte vor siegreiche Rennwagen noch schwarze Samtkappen. Bei Zieleinläufen jubilierte er nicht in der ersten Reihe. Bei Siegen hatte er ausreichend damit zu tun, seine Emotionen zu bändigen.

Sonst war er beschäftigt, Versagen oder Niederlagen zu analysieren – oder gnadenlos zu beschönigen.

Träume, die viele Herren der Rennbranche mit Realität verwechseln, kanalisierte der Schwabe ganz zielorientiert: Haugs einsame Inseln waren immer bevölkert von Finanz-Controllern, Plausibilitäts-Modellen und jenen treuen Duz-Freunden, mit denen er sich kreativ an Kaltgetränken und konstruktiver Kritik berauschen konnte. Zumindest solange, bis er viele in spontanen Ausfällen gegen sich aufbrachte.

Grunbach bei Pforzheim, Haugs Herkunftsdorf im Schwarzwald, erklärt allerlei: Die grau-blaue Seriosität der gebügelten Flanellhosen, das aggressive Misstrauen bei zu selbstsicheren Gesprächspartnern und den immer wieder schnauzbärtig, aber unausgesprochen vorgetragenen Wunsch, doch ehrlich miteinander umgehen zu wollen.

Das Dorf förderte auch die andere Seite des janusköpfigen Schwarzwälders: Aus dem Heimatbestimmten wurde der rasende Reporter, der Journalist in der grossen Stadt, der seinen grenzenlosen Bewegungsdrang, den ihm sein Sternzeichen Schütze diktierte, auslebte, schreiberisch, organisatorisch. «Nobbi» fand immer Möglichkeiten, Wirkung fürs Geschäft und Spass für sich selbst zu koppeln. Immer umgeben allerdings von treuen Knappen: Nichts an dem Mann war einzelgängerisch. Haug brauchte viele, die beim Aufzucken seiner Ideen applaudierten. Und ihm dann die Verwirklichung überliessen.

Nur wer stark genug war, überlebte Haugs Donnergrollen, das nicht zu grundsätzlicher Verstimmung führen musste. Wobei allerdings ein milder Gesichtsverlust des Unterlegenen in Sicht auf gedeihliche Zukunft geschickter war als Auflehnung: Der Haug, der hat nämlich ein Gedächtnis wie ein Elefant, verlieren kann er nicht gut. Ganz aus jenem Selbstverständnis heraus, aus dem sich der Schütze-Geborene als Göttervater sieht.

Aus den Management-Etüden seiner frühen Jahre erwuchsen deutlich ausgeprägte Führungskompetenz, durchdringende Erfolgsbezogenheit und andere Tugenden, die ihm nach 1990 den Einstieg als «Sprecher des Leitungsgremiums Motorsport» bei Mercedes erleichterten.

Diese Tugenden waren dann sehr gefragt, als sich seine Mitstreiter Jochen Neerpasch und Dr. Herrmann Hiereth hinweg lebten. Haug allein hatte nun über Budget, Controlling, Marketing und Sport-Kommunikation zu herrschen.

Norbert Haug lebte seinen Traum beständig, intensiv, 24 Stunden am Tag: Auferstehung des Mythos Mercedes in der Formel 1. Immer lebte in ihm jener unzerstörbare Willen nach oben, ans Licht der Grands Prix, ungeachtet aller Ukasse aus allen Ebenen des Konzerns. Die Verpflichtung des Mercedes-Motorsports sah er nur in einer Richtung: Verkaufserfolge an den Mythos anzudocken.

«Global Play», nannte der Macher seine Aktivitäten. Norbert Haug lebte ein Zitat des Regisseurs Max Reinhart: «Du musst deine Schauspieler lieben, wenn Du großes Theater machen willst.»

Haug liebte alle, die sich ihm auslieferten, wie ein strenger, sehr strenger Vater. Er ergänzte das Reinhart-Motto sehr listig: «Du musst ihnen das auch sagen.» Seine Omnipräsenz wurde ihm oft als Wichtigtuerei ausgelegt. Aber dies ist seine Art von Bewegung, die ihn immer vorwärts drängte.

Sein Tanz für den Stern war nie mattes Hin- und Hertaumeln zwischen Alternativen. Niemals. Im Archiv der Bibliothek der Motor Presse Stuttgart, seinem ersten wichtigen Arbeitsplatz, steht ein Exemplar der Lebenserinnerungen des berühmten Mercedes-Rennleiters Alfred Neubauer.

Nur einer hat es bisher ausgeliehen und wurde ermahnt, weil er die Leihdauer überschritt. Das war am 30. Oktober 1980. Der Entleiher hiess Norbert Haug – zehn Jahre vor seiner Weihe zum Mercedes-Sportchef.

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